El arbol perdido

von 13 martin

Vor wenigen Wochen hatten wir hier einen Zwischenfall, über den Dominica schon einmal geschrieben hat (siehe: Die Baumfäller von El Sur) und nachdem es inzwischen Neues zu berichten gibt, ein Betrag von mir dazu. Zuerst will ich nochmals erklären, was Mamon Chinos sind.

Diese exotischen Früchte haben die Größe eines Golfballs und sind umgeben von einer roten oder gelben Schale mit bürsten-artigen Haaren. Das Fruchtfleisch ist weiß, fest, sehr saftig und schmeckt süß, oft mit einer erfrischenden Säure. Die Frucht erinnert an die Litschi, wie man sie in Deutschland bekommen kann. Die Mamones sind tatsächlich auch nah verwandt mit der Litschi und stammen wie sie aus Ostasien. Die Bäume als solches werden fünf bis sechs Meter hoch, wenn sie nicht entsprechend gepflegt werden. Die Kronen geben wunderbaren Schatten. Die kleinen weißen Blüten werden von Bienen angeflogen.

September und Oktober sind die wichtigsten Erntemonate der Mamón Chinos. Die Ticos sind süchtig danach. Keine Costaricanerin/ kein Costaricaner kann an einer Schale mit den dunkelrot leuchtenden Früchten vorbei gehen, ohne zuzugreifen, die Schale mit den Zähnen zu öffnen und das saftige Fleisch von den Kernen zu lutschen. Auf den Straßen werden die Mamones in Kilo-Säcken verkauft und sind für jedermann erschwinglich. Doch Einige machen es sich noch einfacher.

Bei Fruchtbäumen, die auf offenem oder sagen wir unbewachtem Gelände stehen, wird das Eigentumsrecht oft ziemlich freizügig ausgelegt. Auch ein Drahtzaun muss kein Hinderungsgrund sein, wenn auf der anderen Seite die Früchte locken. Das ist nicht nur in Costa Rica so. So mancher Apfelbaum deutscher Kleingärten hat schon Nachbarschaftskriege ausgelöst.

Auch Arbofilia, meine Projektorganisation hat innerhalb seiner Schutzgebiete nahe El Sur dutzende Mamón-Chino-Bäume, die in diesem Jahr so viele Früchte tragen, wie lange nicht. Es sind mehr als wir je essen könnten. Zur Vermarktung fehlt uns in diesem Jahr das Kapital für Transport, Verpackung und Verkauf. Es ist also kein Drama, wenn sich die Nachbarn oder Dorfbewohner mal bedienen, so lange sie sonst keinen Schaden anrichten. Wir haben davon abgesehen gar nicht die Zeit und die Lust, das Gelände rund um die Uhr zu bewachen.

Unser Vertrauen und Sorglosigkeit wurde schwer erschüttert als vier Männer, einer davon verwandt mit Leuten aus dem Dorf, bewaffnet mit Machete und Erntesack in die Plantage eingedrungen sind und haben einen der ältesten und produktivsten Bäume gefällt haben. Der einfachste und zerstörerischste Weg, um an die hochhängenden zu kommen. Ich habe die Täter beobachten und verfolgen können, habe gehört, wie sie mit der Machete den Baum umschlugen und war Zeuge wie sie sich arglos und schamlos über die Früchte hermachten. Ich konnte das Schlimmste nicht verhindern, aber zumindest Hilfe holen und die Schweine auf frischer Tat ertappen.

Ein Mitarbeiter von Arbofilia konnte die Räuber zur Rede stellen. Sie sind vor Scham in den Boden versunken und haben beteuert, sich in Zukunft fern zu halten und so etwas nie wieder zu tun. So würden wir alle reagieren wenn wir erwischt werden.

Wie geht man in einer isolierten Kommune wie El Sur mit solchen Leuten um? Wie verpflichtet man sie, zumindest für den Schaden aufzukommen? Zeigt man Milde oder statuiert man ein Exempel? Nützt es die Polizei einzuschalten oder werden die Kosten nicht höher sein als der Effekt?

Wie viel ist ein Baum wert?

Die Polizei in Costa Rica ist nicht nur dein Freund und Helfer. Sie ist die „Fuerza publica“, die öffentliche Macht, die öffentliche Gewalt. Sie hat vielerorts den Ruf, korrupt zu sein und politisch motiviert zu handeln, je nachdem wer im Land das Sagen oder das Geld hat. Einige Freiwillige haben negative Erfahrungen mit der Fuerza publica gemacht. Ich will das nicht kommentieren oder verallgemeinern. In manchen Fällen, ist es besser die Polizei nicht einzuschalten.

Der Fall des umgeschlagenen Mamon-Baumes wird niemanden hinter Gittern bringen oder existenzbedrohende Folgen für jemanden haben. Trotzdem haben sich meine Projektleiter entschieden, diese Straftat anzuzeigen. Vor allem, um ein moralisches Beispiel zu geben. Und nicht zuletzt auch weil die drei Holzfäller schon auf anderen Fincas unterwegs waren und es einen Zeugen des Vergehens gab – mich.

Einige Wochen hat es gedauert, bis die Investigadores den Weg aus dem Nachbardorf zu uns gefunden haben. So viel zum langen Arm des Gesetzes und seiner Zuverlässigkeit. Die Investigadores sind Beamte ohne Uniform, die die Ermittlungen einleiten, den Tatort besichtigen, Zeugen befragen. Von mir wird nun eine offizieller Aussagebogen in den Archiven der Polizei Costa Ricas die Zeiten überdauern, denn auch ich bin natürlich befragt worden.

Einen ganzen Monat nach der Tat ist meine Erinnerung schon etwas verschwommen. Ich hätte mich zugegebenermaßen besser vorbereiten können, auch weil mein noch nicht ausgereiftes Spanisch in solch delikaten Fällen Missverständnisse herbeiführen könnte. Aber ich hab es schon ganz gut gemacht und ich war auch nicht der einzige Zeuge, der zur Aufklärung beitragen konnte. Die Täter werden sich nicht aus der Affäre ziehen können, ihre Namen und Gesichter sind bekannt. Es gibt sogar Fotos.

Was wird nun passieren? Schadensersatz? Gefängnis? Die Beamten mussten uns bestätigen, dass ein Baum nicht viel wert ist. Die moralische Schuld kann nur beglichen werden, wenn man den langen Weg durch die Instanzen geht und die Fall vor den Richter kommt – wenn überhaupt. Ohne Gerichtsaal werden die Täter eine offizielle Verwarnung erhalten mit der Aufforderung, so etwas nicht wieder zu tun.

In Anbetracht der Ungerechtigkeiten und Verbrechen, die in Costa Rica und der Welt passieren, erscheint diese Episode, ein gefällter Fruchtbaum, schon marginal und kleinbürgerlich. Für uns ist es trotzdem eine schmerzhafte Lektion gewesen.

Vor kurzem ist wieder ein Aktivist in diesem Land erschossen und verbrannt worden, der sich gegen illegaler Jäger gestellt hat. Er ist der erste. Die Öffentlichkeit will diese Leute nicht davon kommen lassen, aber sie können diese Taten auch nicht verhindern. In einer Kultur in der das Recht auf Vergewaltigung der Natur zum eigenen Nutzen lange verankert war, wächst das Bewusstsein für die Ungerechtigkeit dieser Taten nur langsam. Da helfen Gesetze und Strafverfolgung ein wenig, vor allem aber braucht es Bildung und Zeit.

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