Das Ding mit dem Kraut - oder: Richtig Chappen

von 17 philipp  



Chapperin im Einsatz

Unkräuter können ganz schön anstrengend sein. Vor allem in den Tropen, wo sowieso alles viel schneller wächst. Dort reichen einem ungewollte Pflanzen schnell mal über den Kopf und wer seine frischgepflanzten Guanabanas in einem Dickicht aus Unkraut sucht, sieht schnell die Bäume vor lauter Wald nicht mehr. Oder doch umgekehrt?

Nun könnte man sagen: "Gegen diese Kräuter ist kein Kraut gewachsen!!" und alles hinwerfen. Oder aber man schnappt sich eine Machete und macht ans Werk "a chapear" wie es der Tico sagen würde. Mit dieser Einstellung gelangt man genau bis an die Bodega (hier der gängige Name für Geräteschuppen, Wein gibts da nicht drin).

Denn dort wartet nicht nur eine Machete darauf geschwungen zu werden sondern gleich fünfzehn. Wie dem Koch seine Töpfe so dem Campesino seine Messer. Fünf verschiedene Formen und unterschiedliche Längen gilt es zu unterscheiden und richtig einzusetzen.



Eine Auswahl unserer Macheten

Mit einer kurzen (16-20 Zoll) "Punta Vuelta" kann man einfach und treffsicher kleinere Äste und Lianen durchtrennen. Das Messer ist leicht und erlaubt einem somit stundenlanges Kappen ungewollter Triebe im Kakao ohne das Handgelenk zusehr in Mitleidenschaft zu ziehen. Auch für Arbeiten über Kopfhöhe greift man zur "geschwungenen Spitze", deren Schliff die ganze Höhe der schmalen Klinge abdeckt und meist bis zum Griff reicht. So kann man den Aktionsradius voll ausnutzen und auch bei Arbeiten in Körpernähe geschickt und sicher zerteilen was nicht zusammen gehört. Da der Schwerpunkt sehr weit vorne in der namensgebenden Spitze liegt, zieht das schmale Blatt innerhalb dicken Gehölzes in Faserrichtung davon, was es für schwerere Arbeiten unbrauchbar macht. Längere Messer (24-28") gleicher Form werden auch zur Unkrautvernichtung geschwungen, kürzere ( <16") sind nicht selten in Küchen anzutreffen, wo sie Gemüse zu Leibe zu rücken.

Die eigentliche "Machete" zeichnet sich durch ihr besonders breites Blatt, ihre geschwungene Form und den nach oben abgeknickten Griff aus. In Längen zwischen 20 und 26 Zoll taugt sie fast ausschließlich für Arbeiten in Bodennähe und ist durch ihr Gewicht für den täglichen Gebrauch beinahe ungeeignet, bei der Zuckerrohrernte jedoch von unschätzbarem Wert. Dank ebendiesen Gewichts behält die Machete auch im fasrigen "caña" zielsicher ihren Weg bei. Um ein Wegziehen nach unten zu verhindern, schärft man nur die Unterseite der Klinge und profitiert somit von der nach oben deutenden Pfeilform.

Die "Cola de Gallo" (Hahnenschwanz) genannte Machete ist das Messer für jeden Tag. Ein echter Campesino setzt keinen Fuß vor die Tür wenn sie nicht als 20 Zoll Variante und in eine speckige Lederscheide gepackt an der Hüfte baumelt (Frauen tragen 18 Zoll, Kinder 16), und auch Freiwillige verlassen nur ungern ohne ihr persönliches Messer die Station. Zu groß wäre die Gefahr auf dem Weg ins Dorf einer Schlange zu begegnen, zu oft versperren Äste, Palmblätter oder Lianen den Weg. Ein beherzter Hieb schafft solcherlei Probleme schnell aus der Welt und wenn es doch mal zwei sein sollten, ist das auch nicht weiter schlimm. Das große Gewicht dieser Messer verleiht einem mit ihm ausgeführtem Schlag zusätzliche Kraft und lässt im richtigen Winkel (45°) angewand auch Gehölz von bis zu 10cm Durchmesser zu Kleinholz verkommen. Der Schwerpunkt des Hahnenschwanzes liegt bei zwei Drittel seiner Länge und damit genau bei dem Teil der Klinge der in dicke Hölzer getrieben wird, um diese zu zerteilen. Auch kleinere Bäume fallen nach wenigen Hieben. Wer aber auf die Idee kommt mit der "Cola" Gräsern zu begegnen, sollte besser ein Unterarmtraining hinter sich haben. Das Abbremsen der sausenden Klinge wird schnell anstrengend und hat Erzählungen ehemaliger Freiwilliger die mittelfristige Lähmung einiger Finger zu Folge. Als Outdoor und Überlebensmesser ist sie dennoch das zu bevorzugende Werkzeug.

Seltener aber nicht minder nützlicher Bestandteil unserer Sammlung ist ein aus Honduras stammendes Spezialmesser. Dessen kurze Klinge (16") wurde aus einem Ölfass geschnitten und nur im vorderen Bereich flach geschmiedet. Der nach oben weisende Griff verrät den bodennahen Gebrauch. Das leichte, stark gekrümmte Blatt wird rund herum aber nur von der Oberseite her angeschliffen und behält somit länger seine Schärfe, auch beim Kontakt mit Lehm, Sand und Steinen. Das Werkzeug wird eher über die Erde geschoben als wirklich geschwungen und bereitet so den bodennahen Unkräutern ein jähes Ende. Wer kleine Bäumchen und deren direktes Umfeld von Mitbewerbern um Sonne und Nährstoffe befreien will, hat hiermit ein sehr präzises Werkzeug zur Hand und reduziert die Gefahr an Stelle des Krautes das Bäumchen zu lebloser Biomasse werden zu lassen.

Wer in Hektar denkt, greift zur "Rula" was sich am ehsten mit Lineal übersetzen lässt. Entweder in 26 oder 28 Zoll kann ein Schlag dieses Messers etwa einen Quadratmeter von dessen Bewuchs befreien. So lassen sich Flächen für die bevorstehende Bepflanzung öffnen. Die schmale Klinge soll Gewicht sparen, welches jedoch aufgrund der Länge wieder rein kommt. Der besonders flache und sorgfältige Schliff ist als Reaktion auf den hohen Fasergehalt mannshoher Schneidegräser zu verstehen und auch holzige Unkräuter weichen der beherzt geschwungenen Rula, sodass es oft schwieriger ist, etwas stehen zu lassen als etwas abzuschlagen. Und genau darin liegt die Schwierigket.

Denn längst nicht alles, was der Tico als "monte" bezeichnet, hat den Namen Unkraut auch wirklich verdient. Die allgegenwärtigen Mitglieder der Melastomaceae-Familie zum Beispiel lockern mit ihren Wurzeln das Erdreich auf und produzieren mit ihrem Laub nitratreiche Biomasse. Auch die weitverbreiteten Leguminosen fixieren Stickstoff aus der Luft und tragen somit zum Aufbau einer unschätzbar wichtigen, nährstoffreichen Bodenschicht bei. Viele andere Pflanzen, deren Nutzen nicht direkt ersichtlich ist bieten Tieren Nahrung, Unterschlupf oder Schutz und stellen somit die Grundlage eines funktionierenden Ökosystems dar. Andere Pflanzen spenden Schatten und schützen somit den Boden vor Hitze und Sonnenlicht und unterdrücken das Wachstum weniger hilfreicher Arten.

Unkraut ist deswegen ein so delikates Thema, weil die Art seiner Bekämpfung über den weiteren Zustand der Fläche entscheiden. Fatal ist das Ausbringen von Herbiziden, die zwar mit geringem Aufwand und teilweise sogar selektiv vernichten, was stört, jedoch sind alle gängigen Präperate nicht biologisch abbaubar und verbleiben deshalb entweder im Boden, landen im Nahrungskreislauf oder gelangen dem Wasser folgend in Flüsse und ziemlich bald ins nahe Meer. Zwar ist es in Costa Rica durchaus nicht unüblich der Natur mit Chemie zu begegnen, jedoch ließe sich diese Methode nur schwer mit den Idealen einer Umweltschutzorganisation vereinbaren. Nicht minder schädlich dennoch durchaus gängig ist das Verbrennen des störenden Bewuchses. Nach einer kurzen Phase starken Wachstums hinterlässt diese Methode verkargte und verhärtete Böden, die nur unter großen Anstrengungen wieder fruchtbar gemacht werden können. Viele unserer Flächen wurden in einem auf diese Weise verkümmerten Zustand erworben und es vergingen Jahre bis der Boden wieder als Grundlage für die Aufforstung dienen konnte. Auch falsch, und dass bekommen wir auf zwei unserer Fincas zu spüren ist das Chappen nach Cowboy art.

Wer große Messer schwingt und sauber als Synonym für kahl benutzt, kann sich in Regionen in denen Wachstum allgegenwärtig ist heute schon die Probleme von Morgen schaffen. Denn unter dem ständigen Selektionsdruck der Macheten setzen sich vor allem jene Arten durch, die besonders hartnäckig und schnell wieder ans Licht dringen, bei uns konkret: Farne und an Schilf erinnernde Mitglieder der Cyperaceac-Familie. Umso häufiger man alles umhaut, was zu leben scheint, umso stärker konzentrieren sich diese sonnenliebenden Arten und umso kürzer werden die Perioden ohne Bewuchs, umso geringer die Diversität, während gleichzeitig die Qualität des Bodens abnimmt. Ein derartiges Farndickicht kann erstaunlich hartnäckig sein und alle Versuche der Aufforstung, Nutzung oder Aufwertung unter bräunlich gelblichem Grün ersticken.

Ein Kampf der schnell endlos und ausweglos zu werden droht, wenn man nicht noch zwei Asse im Ärmel hätte:

Schatten und Diversität

"Wir müssen lernen die Kräfte der Natur zu nutzen" sagt Miguél "nur so können wir wiederherstellen, wie das Leben das Leben erhält" und konkret heißt das, den Selektionsdruck umkehren. Anstatt alles zu bereinigen, knöpfen wir uns nur die besonders penetranten Unkräuter vor, während wir anderen Arten die Chance lassen sich zu erholen und tödlichen Schatten auf die Keimlinge der sonnenliebenden Schädlinge zu werfen. Zwar reicht es nicht aus, sich die Farne nur einmal vorzuknöpfen, doch nach einigen ermüdend anstrengenden Durchläufen etabliert sich wieder ein diverser Bewuchs der die Grundlage für jede weitere Bepflanzung darstellen kann. Dann nämlich reicht es in kleinen Kreisen die frischgepflanzten Bäumchen freizuhalten bis diese groß genug sind um der Konkurenz von unten aus eigenem Antrieb zu trotzen und mit zunehmendem Schattenwurf die Phasen zwischen den kraftraubenden Reinigungsaktionen zu verlängern.

Das Problem hierbei ist das große Macheten ihren eigenen Willen haben. Nur ungern lassen sie stehn was in ihren Radius kommt und es gerät zum mentalen Härtetest wirklich nur das zu treffen, was auch geschnitten gehört. Deshalb heißt es langsam aber sicher und nur nichts kaputt machen.

Um Unkraut loszuwerden reicht es oftmals aus, es schlicht als Kraut zu definieren. Eine Vorsilbe macht den Unterschied zwischen einem Feind und einem Helfer.

BlogNo:03

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