Bäume pflanzen zwischen Müllbergen

von 17 julia  


Einzigartig in San José: ein interurbaner biologischer Korridor und Aufforstungsprojekt

„Wieso kommen die Menschen hier nicht selbstständig auf die Idee Gemüse und Obst für sich anzubauen?“ Mit dieser Frage begleitet mich mein Mitfreiwilliger Simon in das „Barrio Mexico“, ein Armenviertel in San Jose, in dem ich seit einem Monat bei einem Aufforstungsprojekt mitarbeite.

Die Gemeinschaft dort hat vor circa drei Jahren angefangen an einem Hang am Fluss unter ihren Häusern einen Wald mit Nutzpflanzen anzulegen. Das Ziel ist ein funktionierender Agroforst, der irgendwann Erträge für die Bewohner des Viertels abwirft. Zudem gibt es oben am Hang eine große Fläche, auf der die Kinder des Viertels Autoreifen bemalt haben, die mit Kräutern und Heilpflanzen bepflanzt wurden. Das ganze Projekt wird von verschiedenen Organisationen und Initiativen unterstützt und gilt als der erste urbane biologische Korridor Costa Ricas.


Mit Kräutern bepflanzte Autoreifen


Neben einem neu gepflanzten Baum wird die Stoßstange eines Autos aus der Erde ausgegraben


Die Bäume stabilisieren den Hang und bieten Insekten und Vögeln Lebensraum.

Die bunten Autoreifen strahlen Lebensfreunde und Hoffnung zwischen den notdürftig zusammengeflickten Wellblechhütten aus. Die jungen Bäume unten am Fluss sind wie ein kleines, unaufhörlich wachsendes grünes Paradies in Mitten einer lauten und schmutzigen Großstadt. Ein kleines Stück Natur wird Stück für Stück zurückgewonnen und sinnvoll genutzt.

Die Kontraste in der kleinen Oase sind jedoch krass: Wir pflanzen dort neue Bäume und gleichzeitig werfen die Bewohner des Viertels ihren Müll (wie zum Beispiel die giftigen Farbreste der Malaktion mit den Kindern) in den Fluss und in die Natur, die wir versuchen zu schützen und nutzbar für die Menschen zu machen.

Irgendwie sehr absurd.

Aber Fakt ist: Wir haben den Luxus, dass unsere Existenznöte so gering sind, dass wir uns über Probleme wie Umweltverschmutzung Gedanken machen zu können und das in Deutschland aktiv Weiterbildung in dem Bereich betrieben wird.

Wir wissen, warum es so wichtig ist die Natur zu schützen und lernen von klein auf unseren Müll nicht auf die Straße zu werfen und ihn schön zu trennen. Wenn wir so einen Reichtum haben, dass wir uns dagegen entscheiden können Fleisch zu essen und Lebensmittel in Bioqualität zu kaufen, ist das ein großes Privileg.

Für mich entsteht hier ein neuer Blickwinkel auf die Situation, mit dem ich lernen muss umzugehen. Wenn es im Viertel keine vernünftige Müllentsorgung gibt, nutzt man den Fluss.
Wenn das Kind zuhause krank ist und kein Geld für Essen da ist, gibt es andere Prioritäten, als die Kräuter zu gießen.

Genau dieser Blickpunkt erklärt vielleicht die Frage, warum die Menschen nicht auf die Idee kommen eigenständig Gemüse anzupflanzen. Vielleicht haben sie nie etwas dazu gelernt und sich nicht mit dem Thema auseinandergesetzt, oder es gibt ganz einfach andere Themen, die im Vordergrund stehen.

Das wird auch für uns Freiwillige eine Herausforderung im nächsten Jahr werden. Wir müssen lernen durch die Augen der Einheimischen zu gucken und nicht voreilig zu urteilen und zu belehren, weil wir glauben es sei der einzig richtige Weg.

Für uns erscheint die Vorstellung, dass eine Gemeinde hier einen großen Garten hat, durch den sie sich selbstversorgen kann logisch und wichtig. Dafür braucht es jedoch Leute vor Ort, die aktiv hinter der Idee stehen und sie unterstützen.

Im „Corredor Biologico Interurbano“ prallen Kontraste aufeinander. Arm und Reich treffen sich und Umweltschutz kämpft gegen Umweltverschmutzung. Es muss sich gegenseitig an die Hand genommen und voneinander gelernt werden. Nur zusammen ist es möglich, diesem einmaligen Projekt eine lebenswerte Zukunft zu geben.

BlogNo:02

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