Plastikmonster

von 14 marit  

Einer der ersten Arbeitstage der neuen Freiwilligen im Korridor bestand darin, ein vor einigen Jahren geschaffenes "Plastikmonster" zu besiegen. Auf dem Weg von der Estación zur Vivero (Baumschule), hier im Korridor, liegt ein kleiner, mit vereinzelten Bäumen, vielen Hölzern, Stöcken und Blättern übersäter Hang. Beim genaueren Hinschauen werden jedoch dunkle, mit Matsch verschmierte, schwarze Plastiktüten sichtbar.


Dicht an dicht aufgereiht, aber durch Gestrüpp und Blätter verdeckt, sind sie kaum sichtbar. Diese Plastiktüten werden zur Aufzucht kleiner Pflänzchen genutzt. Hierzu werden Erde, Streu und Dünger vermischt, anschließend in die Tüten gefüllt und es wird dann ein Baumsamen mit hineingesteckt. In der Baumschule wächst dann aus dem Samen ein kleines Bäumchen heran. Ausgepflanzt an seinem Bestimmungsort wird es dann zu Beginn der nächsten Regenzeit, sodass die Pflänzchen ca. sechs Monate Zeit haben um zu wachsen. Eine Alternative zu diesen Einpflanztüten gibt es nicht, solange man nicht auf ein industrielles Aufzuchtsystem einsteigt.

Auch die Plastiktüten, die wir vor uns auf dem Hang sehen, wurden vor einigen Jahren mal befüllt und teilweise bepflanzt, mit dem Ziel sie nach besagter Zeit auszupflanzen und so Teil des Waldes werden zu lassen. Die Jahre gingen ins Land und die schön aufgereihten, mit viel Arbeit befüllten und bepflanzten Tüten, wurden vergessen oder nicht gebraucht. Es fehlte an Zeit und Arbeitskraft im passenden Moment diese Arbeit zu vollenden. Letztendlich wusste keiner mehr so genau, wie lange die Plastiktüten da nun schon standen und vom Gestrüpp überwuchert wurden.

So war eine der ersten Aufgaben, der neuen Freiwilligen, den Hügel von seiner Plastikplage zu befreien. Keine leichte Aufgabe, denn die Tüten waren voll von nasser schmieriger Erde. Teilweise tief vergraben und von starken Wurzeln durchwachsen.

Kunststoffe zersetzen sich nicht. Es braucht Millionen Jahre, um Plastikpartikel wieder in ihre molekularen Bestandteile zu zersetzen. Zurück bleibt nach längerer Zersetzung das besagte Mikroplastik oder einfach Plastikmüll, der beispielsweise in riesigen Strudeln in unseren Ozeanen treibt.

Auch "unsere" Plastiktüten - die nach wie vor zum Bepflanzen genutzt werden - zersetzen sich nicht. Mit den Jahren in der Erde wurden sie jedoch weich und zerrissen, sobald wir versuchten, sie aus der Erde zu ziehen. Es war eine sehr schweißtreibende, anstrengende Arbeit die Tüten zu entfernen und es machte uns wütend und traurig zu sehen, dass so viel Arbeit in etwas eigentlich Sinnvolles gesteckt wurde, was jedoch nicht zu Ende gearbeitet wurde und sich so in etwas total Sinnloses verwandelte. Sowohl in das Befüllen damals, als auch in das Entfernen der Tüten durch uns heute wurde viel Energie gesteckt. Schnell wurde uns bewusst, dass Arbeiten aus Zeitmangel manchmal einfach auf der Strecke bleiben oder es niemanden gibt, der etwas vollendet oder eine bestimmte Aufgabe weiterführt.


Ich hoffe sehr, dass die - von uns neu befüllten (und noch nicht bepflanzten) Plastiktüten - in einem halben Jahr tatsächlich in die Erde gepflanzt werden und so Teil des Korridors werden, so wie es auch mit den anderen einmal geplant war. Wir haben am eigenen Leib erfahren, wie wichtig es ist, Aufgaben zu Ende zu denken und zu überlegen, WER und OB jemand da ist, der die Aufgabe vollenden kann und davon auch weiß. Etwas ohne Ziel anzufangen kann viel Frustration schaffen. Eine Weitergabe an Informationen, Erfahrungsberichten und Geschehnissen ist immer unerlässlich.


Wir waren unendlich erleichtert, als wir die letzten Plastiktüten aus der Erde zogen. Der Hang ist nun komplett umgepflügt und das Plastikmonster an dieser Stelle besiegt. Zum Opfer gefallen, waren ihm lediglich viel Schweiß und zwei bis drei Arbeitsgeräte, die im Eifer des Gefechtes abgebrochen waren, mittlerweile aber schon wieder repariert sind. Resultat: mehrere Säcke voll zerrissener Plastiktüten. Es war eine passende Aufgabe für viele Leute. Zu zweit hätte es zwanzigmal so viel Zeit benötigt und so hatten wir alle das Gefühl schon einen sinnvollen Beitrag im Korridor geleistet zu haben.

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