Das Leben in Platanar - oder: Was ich bisher darüber weiß.

von 14 selina

Carolin und ich leben jetzt seit fünf Tagen in unserer Gastfamilie, alle sind furchtbar nett und wir fühlen uns hier richtig wohl. Wir wohnen zusammen in einem Zimmer, zu dem noch ein kleiner Raum mit Dusche und Toilette gehört. Das ist so zu sagen unser kleines Reich und wir haben genügend Privatsphäre. Aber wie immer gibt es diese kleinen, feinen Unterschiede zum Leben zu Hause.

Dann zähle ich mal auf, was mir so alles aufgefallen ist:


Mein neues Zuhause

Das Aufstehen:
Hier in Costa Rica steht die Sonne schon sehr früh am Himmel, bereits um fünf Uhr kann man gut sehen. Ich habe mich dem Rhythmus der hiesigen Sonnenlaufbahn schon perfekt angepasst und wache immer zwischen halb fünf und fünf Uhr auf. Zum großen Leidwesen von Carolin.

In unserer ersten Woche hier mussten wir nicht oft früh aufstehen und hätten eigentlich ausschlafen können. Da freut man sich doch über die Mitbewohnerin, die um sechs Uhr anfängt mit dem Rucksack zu rascheln und das Bad zu benutzen.

Zum Glück ist Carolin eine sehr gelassene Person und wir haben uns darauf geeinigt, dass an freien Tagen ab sieben Uhr geduscht werden darf.


Waschmaschine, Modell Tico

Das Wäschewaschen:
Nach unserer wunderbaren Zeit im Korridor, die wir nie vergessen werden, sehnten wir uns nur noch nach einem: trockener Wäsche! Zu unserer großen Freude steht neben unserer kleinen Hütte eine Waschmaschine, sobald wir Zeit hatten baten wir um Waschmittel und warfen einfach alles was wir hatten in die Trommel. Aber so geht das hier nicht.

Als wir Matilde um Hilfe baten, weil wir nicht wussten, wie wir Wasser in die Trommel bekommen sollten, betrachtete sie unser Werk nur kopfschüttelnd und nahm zwei Drittel der Wäsche wieder heraus. Das sei viel zu viel für eine Trommel und natürlich hatte sie Recht.

Neben der Waschmaschine steht ein Waschbecken, an dessen Hahn wir einen Schlauch angebracht haben und das andere Ende hängen wir in die Trommel. Nach dem die Wäsche eingeseift ist, tragen wir sie ein paar Meter weiter, zur nächsten Waschmaschine. Bei unserer ist der Schleudermechanismus kaputt und bei dieser die Waschtrommel, aber sie ergänzen sich perfekt. Nachdem das meiste des seifigen Wassers raus geschleudert ist, kommt es noch Mal mit klarem Wasser in die Waschtrommel … und dann wieder in die Schleuder.

Nach einem Mal schleudern haben die Klamotten einen Grad von Trockenheit erlangen, für den sie im Regenwald zwei Tage brauchen und dann auch nicht wirklich darüber hinaus kommen. Zählt man das heiße, windige Wetter von hier noch dazu, ist die Wäsche in nur einem Tag wieder trocken.

¡Upe!
Vor ein paar Tagen sind wir mit Estefani, Matildes ältester Tochter, die Häuser unserer Straße abgelaufen und haben gefragt, ob sie Interesse daran hätten, ihre Kinder zu einem von uns organisierten Englischunterricht zu schicken.

Den Grundstein dieser Idee hat unsere Vorgängerin gelegt und wir freuen uns, die Idee weiter zu führen. Die Resonanz war durchgehend positiv. Bei jedem Haus, bei dem wir gefragt haben, hat man uns zugestimmt. Die Kinder haben in der Schule Englischunterricht, wir werden ihnen lediglich bei Grammatikfragen und Schwierigkeiten bei der Aussprache helfen. Mit den Jüngeren wollen wir Lieder singen und ihnen ein paar Sätze beibringen, damit sie für später schon ein paar Grundkenntnisse haben.

Während wir mit Estefani von Haus zu Haus gingen, benutzen wir kein einziges Mal eine Klingel. Hier ruft man einfach ¡Upe! und es kommt jemand an die Tür. Außerdem hat hier fast jedes Haus einen Hund. Estefani meinte, hier hat man den Gedanken, dass der Hund das Haus beschützt. Nur würden die meisten Hunde hier auf Grund ihrer geringen Größe an dieser Aufgabe scheitern.

Kirche:
Heute waren Carolin und ich zusammen mit Matildes Familie in der Kirche. Ich bin keine sonderliche Kirchgängerin. Um ehrlich zu sein, bin ich letztes Jahr aus der Kirche ausgetreten. Aber ich werde mein Bestes geben und das, woran ich mich noch erinnern kann, mit heute zu vergleichen. Die Kirchen die ich in Deutschland besucht habe, waren immer dunkel und kühl. Nur durch die Buntglasfenster kam ein wenig Licht. Hier fühlt es sich nicht ein Mal so an, als wäre man in einem Gebäude. Überall sind die Fenster geöffnet und frische Luft weht herein.

Gesangsbücher liegen keine aus, die Leute hier kennen die Lieder auswendig. Ich fand das ein wenig schade, ich finde es immer schön in Gruppen zu singen (vor allem, weil man mich dann nicht so gut hört), aber so konnten Carolin und ich nur stumm in der Bank sitzen. Die Musik war auch sehr schön, es gab einen Gitarristen und nicht wie bei uns eine Orgel. Ich hab es nicht so mit den Orgeln, was ich bisher von ihnen gehört habe, erinnert mehr an die letzten verzerrten Klageschrei eines qualvoll verendenden Tieres, als an Musik – aber das ist nur mein Geschmack.

Vor Ende des Gottesdienstes wurde ein Konzert des Jugendorchesters von Platanar und Puntarenas angesagt. Es fand direkt in der Sporthalle gegenüber statt. Es wurde nicht nur klassische Musik, sondern auch für Costa Rica typische Stücke gespielt.

Für den dramatischen Effekt, begann mit dem Konzert auch ein ordentlicher Wolkenbruch. Matilde bemerkte spaßend, dass jetzt zwei Konzerte stattfinden – eines vom Orchester und eines von der Natur. Nur übertönte das Naturkonzert das Orchester anfangs, so dass wir alle etwas weiter nach vorn rutschten, um der Musik lauschen zu können.

Ich muss zugeben, dass ich nicht viel von Orchestern oder klassischer Musik verstehe, aber um sie zu genießen muss ich das auch gar nicht. Und genossen habe ich sie auf alle mal!

Das war's dann für's Erste mit meiner kleinen Beschreibung von Platanar. Wenn ich etwas mehr Zeit hier verbracht habe und mich besser auskenne, wird es eine weitere Ausgabe von „das Leben in Platanar“ geben.

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