Wie man einen Baum operiert

von 14 lennart

Natürlicherweise ist die Variation unter den Bäumen und ihren Früchten auf einer ökologischen Plantage groß: Es gibt Bäume mit vielen und wenigen Früchten, mit großen und kleinen Früchten, süßen und sauren, manche lassen sich gut schälen, andere nicht oder sind mehr oder weniger resistent gegen Pilzinfektionen. In unserem Fall geht es vor allem um Kakao- und Mamón Chino-Bäume. Nicht alle Bäume bringen Früchte in Verkaufsqualität hervor; manche tragen nur sehr wenig bis gar nicht. Andere Bäume dagegen sitzen brechend voll mit makelloser Ernte - echte Prachtexemplare.

Natürlich könnte man einfach die besten der geernteten Früchte nehmen und sie wieder einpflanzen, um (mit Glück) einen Baum mit den Eigenschaften des Baumes zu erhalten, auf dem der Samen herangewachsen ist. Doch das würde viele Jahre Zuchtprozess erfordern. Es gibt einen einfacheren Weg.

Mit der sogenannten 'Grafting'-Technik (deutscher Begriff: Veredelung) lässt sich die genetische Information unseres Prachtexemplars mehr oder weniger einfach unendlich vervielfältigen, indem wir seine Knospen einfach an andere Bäume (die sogenannten 'Rootstocks') verpflanzen. Gleichzeitig können wir aus unproduktiven Bäumen doch noch reichlich tragende machen. Noch besser: Manche Bäume besitzen starkes Wurzelwerk und/oder sind besonders resistent gegenüber Schädlingen und Pilzbefall, sind aber was die Ernte betrifft nicht besonders ertragreich. Warum kombinieren wir nicht einfach die Vorteile eines starken Rootstocks mit dem reichen Ertrag unseres Prachtexemplars?


Die Arbeitsschritte

Der effektivste Weg beginnt mit einem kleinen Zweig eines Baumes, der Früchte in der gewünschten Qualität trägt. Die in regelmäßigen Abständen stehenden Triebe bzw. Knospen schneiden wir nun mit einem speziellen Messer aus. Das Messer besitzt nur auf einer Seite einen geschliffenen Winkel und ist auf der anderen Seite völlig plan. Mit dieser geraden Seite kann der Trieb am Wachstumsgewebe (Kambium) vom Zweig abgetrennt werden und somit wird sein Wachstumspotential beibehalten. Damit der Trieb am gewünschten Rootstock wieder anwachsen kann, muss an einer freien Stellen an einem möglichst frischen Trieb eine Öffnung in die Rinde geschnitten werden, an der ebenfalls das Wachstumsgewebe freiliegt und die möglichst genau so groß ist wie der bereits ausgeschnittene Trieb.

Jetzt wird unser Qualitätstrieb genau in die freigelegte Stelle eingesetzt und zwar so rum, wie wir ihn dem alten Zweig auch entnommen haben. Zwar hält der Trieb jetzt schon, da von beiden Seiten ein klebriges, wundverschließendes Sekrekt abgesondert wird, im Moment ist die verletzte Stelle aber eine willkommene Angriffsfläche für Pilze. Daher umwickeln wir sie mehrschichtig eng mit einem Plastikstreifen und verknoten alles sicher. Zu guter letzt schneiden wir dem Trieb, dem wir die neue Knospe eingepflanzt haben, noch die oberste Spitze, also den Wachstumstrieb ab, damit er seine ganze Enegie auf den neuen Seitentrieb konzentriert. Nun bekommt er etwa 2 Wochen Zeit um in Ruhe anzuwachsen, bis die Plastikfolie wieder entfernt wird. Ist der Trieb noch grün - wunderbar, alles hat geklappt! Er wird bald anfangen auszutreiben und den unproduktiven Rootstock durch seine zahlreichen und leckeren Früchte bereichern.


Einsatz bei Kakaobäumen

Es gibt auch andere Möglichkeiten des Graftings, indem man z.B. einen ganzen Zweig an der Stelle einsetzt, an der man vorher einen Zweig des Rootstocks entfernt hat. Oder aber man pflanzt dem Rootstock einfach einen ganzen neuen Zweig an den Stamm. Beide Methoden haben bei uns auch funktioniert. Am effektivsten ist aber die oben beschriebene Methode (zu deutsch: Okulation). Mit ihr besitzt jede Knospe das Potential zu einem ganzen Ast voller Früchte zu werden und schon ein kleiner Zweig des gewünschten Mutterbaums genügt, um etliche der Knospen zu erhalten.


Nach 2 Wochen - Erfolg und Misserfolg

Allerdings ist sie gar nicht so einfach umzusetzen und die Fehlermöglichkeiten sind groß. Man muss ziemlich präzise arbeiten, um an beiden Bäumen weder zu tief, noch zu flach zu schneiden. Auf die offenen Stellen dürfen dann keine Verunreinigungen gelangen und alles muss genau aufeinander passen. Am Ende muss auch der Plastikstreifen fest und ohne eine Lücke um die 'operierte' Stelle gewickelt sein. Entsprechend hoch waren unsere Ausfallquoten zu Beginn, doch durch viel Übung haben wir uns langsam an eine ordentliche Erfolgsquote herangearbeitet. Wenn meine Gastorganisation die finanziellen Mittel auftreiben kann, besuchen wir bald einen Workshop zum Thema Grafting, um theoretische und praktische Kenntnisse noch einmal zu vertiefen.

Durch das Grafting erzeugt man sozusagen einen Klon des Ursprungsbaums. Das kann viele Vorteile haben und ist durch den natürlichen Weg der Bestäubung nicht möglich, da hier immer auch der Zufall eine Rolle spielt: Selbst bei Saatgut von den allerbesten Pflanzen wird es immer eine Variation geben, die man bei Verkaufsgut natürlich gerne vermeiden möchte. Den Zeitvorteil habe ich schon erwähnt: Er spielt besonders dann eine Rolle, wenn bereits geeignete Rootstocks vorhanden sind. Es kann aber z.B. auch genutzt werden, um die Gene eines besonders guten Baumes zu konservieren, falls dieser umgefallen ist oder von einer Krankheit befallen wurde. Es ist auf diese Weise auch möglich, an einem Baum verschiedene Sorten von Früchten heranzuziehen. Im konventionellen Obstanbau ist die Technik gängig und verbreitet, aber es lohnt sich auch in kleinerem Maßstab, sich damit zu beschäftigen.

BlogNo:04

1 Kommentar

Kommentar von: Karla [Besucher]

verschiedene Früchte an einem Baum?? Halleluja, das klingt erschreckend….
aber interessanter blog, wusste gar nicht was man mit veredelung alles machen kann. wieder was gelernt ;)

ich hoffe du kannst zu diesem workshop gehen ;)


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