Weihnachten in Costa Rica

von 14 philipp

Weihnachten in Costa Rica verbringen. Das war schon komisch darüber nachzudenken, bevor das Freiwilligenjahr überhaupt begonnen hat und bereits im November fing es an: Läden und Häuser wurden mit dem kitschigsten Weihnachtsdekor geschmückt und man konnte sich vor blinkenden Weihnachtsmännern, pinken Plastikbäumen und spanischen Versionen von Jingle Bells kaum retten.


Strand von Samara

Auch Weihnachtsstimmung kommt nicht wirklich auf, wenn man jeden Tag bei 35 Grad arbeitet und man nicht in einer Familie wohnt. Als dann Heiligabend vor der Tür stand war die Frage für mich: Was machst du heute im Tropenparadies ohne Sauerbraten und Bescherung? Ich entschied mich an den nächstgelegenen, wunderschönen Strand in Samara zu fahren, dort mal mit der Familie zu skypen und der Rest wird sich schon ergeben.

Nachdem ich nach 2 Monaten dann mal wieder meine Verwandten gehört und gesehen hab, hab ich mich selbst beschenkt und bin mit einem Freund zum ersten Mal in meinem Leben surfen gegangen. Nach ein paar Instruktionen und einigen Versuchen, in denen man sich mehr schlecht als recht auf dem Brett hält, hat es dann auch geklappt eine schöne Welle zu reiten. Glücklich über den kleinen Erfolg fuhr ich dann abends zurück nach Nicoya um mitzuerleben, wie eine Weihnachtsmesse hier abläuft und wie die Geburt Christi in den Tropen gefeiert wird.

Ich habe ein großes Fest erwartet, denn durch die Kolonialisierung Süd- und Mittelamerikas durch die Spanier zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wurde ein großer Teil der Einheimischen, ohne vor brutalen Methoden zurückzuschrecken, christianisiert. Durch diesen Einfluss ist heutzutage fast die gesamte Bevölkerung Costa Ricas der römisch-katholischen Kirche angehörig und vor allem in den ländlichen Teilen des Landes wird der Glaube sehr intensiv gelebt.

In Nicoya um sechs Uhr abends angekommen, fragte ich dann die Leute, um wieviel Uhr die Messe der Kirche beginnt. Da mir gesagt wurde, dass diese erst um 9 anfängt und ein Freund vom Fußball mir empfohlen hat, zu den Portales zu gehen (Portales sind groß geschmückte Krippen die Familien am Hauseingang Besuchern präsentieren und dabei immer was Süßes und was zu Trinken anbieten) bin ich, den genauen Wegbeschreibungen folgend (250 Meter östlich des Kiosks und 100 Meter nördlich vom Fußballplatz Santa Maria) zu einem Portales-Haus gegangen.

Im Haus wurde ich feierlich von der Besitzerin empfangen und mich blendete ein Lichterfest und Glitzer in allen erdenklichen Formen und Farben mit denen die Krippe geschmückt worden war. Für mich wieder eher Kitsch als schön, aber die Familie war total freundlich und hat mich direkt eingeladen, bei ihnen zu bleiben. Ich wurde nach hinten geführt, wo der Mann und sein Bruder, sowie ein Freund aus Deutschland mich empfingen. Wir saßen also da, haben getrunken und uns über alle möglichen Regionen, Kulturunterschiede und Brot unterhalten als Francisco, der Herr des Hauses, plötzlich seine deutsche Musik angemacht hat. Zu der Weihnachtsstimmung lief dann laut wummernd: Blau blüht der Enzian, ich glaube von Roberto Blanco und ich musste erstmal lachen, als ich darüber nachgedacht habe, dass ich gerade in Costa Rica bei einer unbekannten Familie an Weihnachten bin und deutschen Schlager höre.

Als Kartoffelsalatersatz wurde mir dann selbstgemachtes Ceviche (roher Fisch der durch Limonensaft denaturiert) serviert, welches wirklich total lecker war. Während dem Essen kamen dann auch die ersten Besucher, da ich, nicht wissend, das erste Haus in dem es geleuchtet hat und die Tür offen war, angesteuert hab, obwohl die anderen Besuchergruppen in einem anderen Haus weiter vorne waren.


Weihnachtsmusikanten

Es wurden reichlich Kekse, Muffins und Horchata (Reismilch mit Zimt) angeboten, als auf einmal Musiker mit Trommeln, Trompeten und Posaunen durch die Tür kamen und anfingen zu spielen. Dadurch kam sofort eine super Stimmung auf und die jungen Musikanten, die zwar schon ziemlich ausgelaugt durch stundenlanges musizieren waren, blieben noch eine Weile, um mit uns allen zu trinken und den Abend zu genießen.

Später unterhielt ich mich noch mit dem 70 jährigen Deutschen namens Reiner, der schon über die Hälfte seines Lebens glücklich in Mittelamerika mit seiner Frau lebt. Uns beide verbindet die Sehnsucht nach guten deutschen Schwarzbrot, denn hier in Costa Rica wird in den Bäckereien zwar Brot verkauft, doch das sind bloß Baguettes aus Weizenmehl. Ein richtiges Brot aus Sauerteig mit Mehl aus Getreiden wie Roggen, gibt es hier eigentlich nicht zu kaufen. Darum hat Reiner mich überrascht, als er ein richtiges Schwarzbrot aus der Küche geholt hat und wir uns eine leckere Scheibe gönnten. Ein schönes Weihnachtsgeschenk. Auf meine Frage hin, woher er denn die Zutaten bekommen hat, erzählte er, dass er aus seinem letzten Besuch in Deutschland 10 Kilo Roggenmehl im Koffer mitgeschleppt hatte und ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen, bei der Vorstellung, wie solch eine Sicherheitskontrolle am Flughafen wohl ausgesehen hat.

Als es dann 9 Uhr wurde und die ersten Leute zur Kirche pendelten (Nicht wie bei uns, wo sich die ersten Leute bereits zwei Stunden vor Beginn der Messe die besten Plätze sichern), verabschiedete ich mich von der Familie, dich mich so herzlich aufgenommen hatte und machte mich auf dem Weg zur Kirche. Der Gottesdienst war vom Aufbau und von den Lesungen her ziemlich ähnlich zu dem in Deutschland. Es wurden einige Predigten zum Ursprung des Weihnachtsfestes gehalten und darüber gesprochen, wieso diese Zeit so besonders ist. Zwischendurch wurde gebetet und Lieder gesungen, von denen ich sogar zwei kannte. Gleich zu Beginn ein Lied auf Latein: „Gloria in excelsis deo“ und zum Schluss das spanische Pendant zu: „stille Nacht“. Die Messe ansich war nett doch für mich war es etwas seltsam, dass es während der Pfarrer gerade etwas über den Frieden und die Liebe erzählte, immer wieder laut knallte. Erst später habe ich dann mitbekommen, dass jeden Tag, bis Silvester, große, laute Böller im Stadtinneren gezündet werden.

Auch ein wenig ungewohnt war es, als alle Personen sich aufrichteten und sich eine Schlange zum Pfarrer hin gebildet hat. Ich dachte, dass dies wohl die Hostie sei, und stellte mich mit in die Reihe. Kurz bevor ich dran war, merkte ich, dass es gar keine Hostien sind, die der Pfarrer verteilt, sondern, dass er eine kleine Jesuspuppe aus Plastik in der Hand hält, die jeder entweder berührt und dann kurz betet, oder abknutscht. Ich entschied mich, nachdem die Frau vor mir dem kleinen Jesus einen dicken Schmatzer auf die Wange drückte, für die passive Variante, berührte die Puppe und ging wieder zum Platz zurück. Nach guten 2 Stunden war die Christmette vorbei, ich schlenderte langsam nach Hause und freute mich auf das Paket von meiner Familie, dass ich noch auspacken konnte.

Alles in allem, war ich am Abend total froh darüber, dass ich Weihnachten nicht alleine verbracht habe, sondern viele herzliche Leute kennengelernt habe und, obwohl weit weg von Zuhause, ich ein schönes Fest hatte. Was mir besonders aufgefallen ist, dass die Familien hier nicht, wie bei uns, von allen anderen Familien getrennt feiern, sondern man sich gegenseitig ins Haus einlädt, um eine schöne Zeit gemeinsam zu verbringen und ich denke, das ist eine der wichtigsten Botschaften die man aus dem Weihnachtsfest mitnehmen kann.

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