Plastik

von 14 selina

An meinem Geburtstag besuchten Matilde, Don Edwin, Caro und ich den Strand von Puntarenas – neben einer aus dem Sperrmüll gefischten Schreibmaschine eines der schönsten Geburtstagsgeschenke, die mir je gemacht wurden. Nie hätte ich mir gedacht, dass ich an meinem Geburtstag einmal im Meer von Wellen umgeworfen werde. Wir haben uns alles sehr amüsiert. Aber als wir auf einer Fähre auf die Abfahrt warteten, um über den Golf von Nicoya die gleichnamigen Halbinsel im Nordwesten des Lands zu erreichen, sah ich eine Schildkröte. Es war die erste Meeresschildkröte die ich in freier Wildbahn gesehen habe, anfangs realisierte ich gar nicht, dass es eine Schildkröte war, die zum Luftholen an die Wasseroberfläche gekommen war.

Erst als sie wieder abtauchte, war die Information in meinem Hirn angekommen und verarbeitet worden und dann war ich für zehn Sekunden glücklich – bis ich die erste Plastiktüte vorbei schwimmen sah. Meeresschildkröten verwechseln Plastiktüten welche im Wasser treiben mit einer ihrer Lieblingsspeisen: Quallen. Wenn sie die Plastiktüten fressen, verstopfen diese ihren Verdauungstrakt und sie sterben.

Vielleicht hatte diese Schildkröte schon eine Plastiktüte gefressen als sie auf Tauchstation war oder sie würde noch eine fressen – ich sah immer mehr Plastikmüll im Wasser treiben.


Plastik am Strand

Da fiel mir wieder ein, wie wir am Südstrand von Puntarenas entlang gelaufen sind. Den östliche Teil dieses Strandes, der weiter vom Paseo de los Turistas entfernt ist, bedeckte ein buntes Plastikmosaik. Tüten, Flaschen, Deckel, Schnüre und Undefinierbares – alles vom Meer angespült. Würde der Strand vorm Paseo nicht gesäubert werden, würde sich dort wohl niemand in den Sand legen. So sieht es inzwischen an vielen Stränden aus, die Meere sind so voll mit Plastik, dass ihre Strömungen es an die Strände spülen. Auch unbewohnte Inseln, wie zum Beispiel die Nordseeinsel Mellum, die ohne die Aufräumarbeiten von Ehrenamtlichen und Naturschutz- und Forschungsgemeinschaften wohl schon längst zugemüllt wäre, sind von der Verschmutzung betroffen.

Plastikmüll ist nicht nur ein ästhetischer Schandfleck. Sicher hat jeder schon von den „Plastik Islands“ gehört, die gigantischen Inseln aus Plastikmüll und Kleinstpartikeln, welche in unseren Meeren umher treiben. Die bekannteste ist der sogenannte „Great Pacific Garbage Patch“ (= der große pazifische Müllfleck), welcher inzwischen die Größe von Europa erreicht hat und mit jedem Jahr weiter anwächst. Viele Meeresbewohner und Meeresvögel verheddern sich in Plastikschnüren und herrenlosen Fischernetzen, so genannte Geisternetze, die auch nachdem sie im Meer zurückgelassen wurden immer noch weiter fangen oder sie verwechseln das Plastik mit Nahrung und verenden, wie die bereits genannten Schildkröten, an einer Verstopfung des Verdauungssystems und verhungern mit einem Magen voller Plastik. So wurde an der Küste Schottlands ein verendeten Zwergwal angespült, der 800 Kilogramm Plastik im Magen hatte.

Über die Nahrungskette gelangen die Plastikpartikel auch in unserem Verdauungssystem, zwar sind es keine ganzen Plastikverschlüsse, dafür aber Weichmacher, Flammschutzmittel und kleinste Plastikpartikel – vom Plankton, über den Fisch in den Menschen. Genügend untersucht sind die Auswirkungen auf den Menschen noch nicht, fest steht aber, dass sich diese Stoffe mittlerweile im Blut fast jeden Menschen finden lassen und dass sie mit Krebserkrankungen und Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht werden.

Die Meeresschutzorganisation Oceana schätzt, dass pro Stunde 675 Tonnen von Müll direkt im Meer landen, die Hälfe dieses Mülls ist Plastik. Es hat sich mittlerweile überall auf der Welt verbreitet. Da sind nicht nur die Plastikinseln, sie sind wortwörtlich nur der Gipfel des Müllberges, denn 70% des im Meer geendeten Plastiks lagert sich auf dem Meeresboden ab. Dieses Plastik ist ein globales Problem, aber ironischer Weise fühlt sich niemand dafür verantwortlich, da die Meere als internationaler Raum gelten. So genannte „Fishing for Litter“ (= nach Müll fischen) Initiativen wollen etwas dagegen unternehmen. Fischer haben in ihren Netzen zwischen 10 und 30% Plastik als Beifang. Vielerorts sieht es noch so aus, dass sie dafür zahlen müssen, um den Müll zu entsorgen – klar, dass man ihn da lieber wieder ins Meer wirft. Die Fishing for Litter Initiativen wollen eine Müllprämie einführen oder zumindest das Abgeben des Mülls kostenfrei machen, damit die Fischer einen Anreiz haben, denn Müll wieder zurück an Land zu bringen.

Woher kommt das ganze Plastik?
In den 50-er Jahren wurden pro Jahr ca. 1,5 Millionen Tonnen Plastik im Jahr produziert, heutzutage sind es 300 Millionen Tonnen und viel zu viel von diesem Plastik wird nach einmaligem Benutzen zu Müll. Hier in Platanar ist mir das Problem mit der Müllentsorgung zum ersten Mal aufgefallen. Gegenüber unseres Hauses erstreckt sich ein Zuckerrohrfeld und vor diesem Zuckerrohrfeld ist ein Straßengraben und in diesem Straßengraben sammelt sich immer wieder Müll an, hauptsächlich Verpackungen und Plastikflaschen, als ich Matilde dabei half den Grabenabschnitt vor unserem Haus sauberzumachen fanden wir auch einen Regenschirm und Feuerzeuge. Zum Glück kommt in Platanar die Müllabfuhr vorbei, was leider längst nicht in allen Dörfern der Fall ist, darum konnten wir das Gesammelte in die provisorische Mülltonne, im Prinzip kann man sie sich wie einen überdimensionalen öffentlichen Mülleimer vorstellen, wie wir ihn aus der Stadt kennen, tun. Matilde hatte noch einen anderen Beweggrund, als einen müllfreien Blick auf das Zuckerrohrfeld, in und auf den Verpackungen sammelt sich Wasser und in dieses Wasser legen die Steckmücken ihre Eier ab, da Platanar in einem Gebiet von leichtem Malariarisiko liegt, beugen wir mit dem Aufräumen gleichzeitig auch dieser Krankheit ein wenig vor.

Aber leider spürte ich auch hier in unserem Projekt die costaricanische Müllmentalität. Während unserer Arbeiten im Garten haben Carolin und ich immer wieder Plastikmüll gefunden – wir beschlossen ihn einzusammeln. Dabei kamen nach zwei Stunden Schuhsohlen, aufgerollte Kabel, Tunfischdosen, eine Schere und jede Menge des üblichen Mülls, sprich Verpackungen und Deckel, zusammen. Außerdem faden wir drei Stellen, an denen zuvor Plastik verbrannt worden war, auch diese verschmorten Klumpen packten wir ein und schaufelten auch die verkohlte Erde weg. Aber auch beim nächsten Unkrautrupfen fanden wir wieder eine Menge Müll und mehr Asche. Wir mussten ihn beim unserer ersten Sammelaktion übersehen haben, teilweise ist er auch schon mit Erde bedeckt und vergraben. Die Pflanzen wachsen auf dem Plastik und ihre Wurzeln haben sich so um den Müll geschlungen, dass ich öfters statt der angepeilten Plastiktüte auch eine Ñampi Pflanze aus dem Boden zog.


Up-Cycling: Pflanzbehälter aus alten Plastikflaschen.

Aber nicht alles wird einfach weggeworfen, aus alten Plastikflaschen und Milchkanistern machen wir Blumentöpfe, um darin Pflanzen zu ziehen – Pfand gibt es hier keines.









Hier im ForestGuardians Blog wurden schon einige lesenswerte Berichte über das Thema Müll von anderen Freiwilligen geschrieben:
Die Vielfalt Costa Ricas entdecken – Müll
Müll
Ich habe Feuer gemacht!
Ein bisschen weniger Müll
Gemeinsam gegen Müll

Quellen:
http://reset.org/knowledge/plastic-ocean-plastikinseln-im-meer
http://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/unsere-ozeane-versinken-im-plastikmuell/
https://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/werkstoffe/kunststoff/plastik_im_meer.jsp
http://www.nabu.de/themen/meere/plastik/muellkippemeer.html

BlogNo:05

1 Kommentar

Kommentar von: Karla [Besucher]

Hey :)
erstmal: alles alles alles Gute und Liebe nachträglich zum Geburtstag!!
Ja, der Plastikmüll ist leider ein Problem vor dem fast jeder die Augen verschließt…
Aber echt ne coole Idee, aus Plastikflaschen Mülleimer zu machen… deine Gastmutter scheint sehr kreativ zu sein ;)
Liebe Grüße,
Karla


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