The Streets of San José

by 14 marit  

Seit guten acht Monaten wohne ich nun schon in Chepe und meine Zeit hier geht dem Ende zu. Zeit für ein Resúme über die Stadt. Immer wieder blickte ich in erstaunte Gesichter, wenn ich jemandem neu Kennengelerntem erzähle, dass ich hier wohne und zwar nicht in einem Hostel, auf Durchreise, sondern so richtig.

Naja, eben so richtig übergangsweise. Keiner kann es sich vorstellen, wie es ist, im hässlichen San José zu wohnen. Ich konnte es mir auch nicht so richtig vorstellen und war sehr gespannt, wie ich mich in die Stadt einlebe. Es ist laut und hektisch. Aber wir Menschen sind ja bekanntermaßen sehr anpassungsfähig und irgendwie findet man immer sein Fleckchen. Auch hier gibt ein paar Dinge, die ich sehr mit der Stadt verbinde, sowohl positive als auch negative und die ich wohl immer in Verbindung mit meiner Zeit in San José bringen werde. Darüber jetzt gleich mehr.

Palmen und große starke Bäume, die das Straßenpflaster aufreißen oder bunt blühende Bäume zieren die Straßen und Parks. Gerade um diese Jahreszeit blühen die Bäume in kräftigem violett, gelb oder rot. Die abgefallenen Blüten sehen aus wie mit Absicht verteilte Plastikblüten. Es wäre nicht verwunderlich, denn tatsächlich gibt es hier eine Vielzahl an Plastikbäumen, die zur Zierde aufgestellt werden, manchmal auch zwischen echten Bäumen und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Ganz charakteristisch sind hier auch die Löcher in den Straßen. Manchmal fehlt einfach ein Gullydeckel oder hinter der Bordsteinkante ist erst ein metergroßes Loch bevor die Straße weitergeht. Man muss ständig auf der Hut sein wo man hinläuft. Betrunken durch die Straße taumeln kann dementsprechend sehr gefährlich werden, wobei man auch nicht unbedingt betrunken sein muss um in ein solches Loch zu stürzen.


Hier schläft einer im Hauseingang

Auffallend sind hier auch die vielen Obdachlose. Sie durchwühlen die Müllsäcke nach verwertbaren Überresten oder liegen regungslos auf der Straße. Passanten laufen vorbei, steigen einfach über sie drüber. Erschreckend, wie sehr sie das Stadtbild prägen und fast unsichtbar sind, wenn sie schlafend auf der Straße liegen.

Straßenverkäufer, die alle möglichen chunges (Zeugs) auf der Avenida Central verticken. Ausgebreitet auf einer Decke oder Plastikplane. Jederzeit bereit, die Decke einzuklappen und wegzulaufen. Da sind wir schon beim nächsten Punkt: die Polizei auf zwei Rädern, immer im Zweierteam unterwegs wachen sie entweder vom Wachturm aus oder jederzeit Abfahrt bereit auf ihren Fahrrädern über die Innenstadt und halten somit die Illegalen Straßenverkäufer auf Trab.

Schöne Häuser und viele kleine Details fallen einem hier immer wieder ins Auge. Sei es das mit Efeu bewachsene Haus in meiner Straße oder die alten Häuser in der hektischen Innenstadt, die es irgendwie geschafft haben, den Neubauten standzuhalten. Auch der tutende Zug gehört zum Stadtbild, Busse, die schwarze Abgase ausstoßen und Taxifahrer, die einen beim Vorbeifahren ständig anhupen.

Graffiti und Straßenkunst gibt es hier ohne Ende zu bestaunen. Manchmal mehr schlecht als recht aber dennoch lassen sich auch immer wieder kleine Schätze entdecken. Sprüche und Sätze, über die man auch mal länger nachdenken muss oder die Gedankengänge der Gesellschaft aufmerksam machen. Nicht zu oft kann man auf einer Wand "Fuera Nicas" lesen, was in Costa Rica ein sehr weitverbreitetes Denken ist.


Jairo vive

Oft finden sich noch politische Sätze, die auf die gegenwärtige Situation oder Problematiken aufmerksam machen. So wie beispielsweise auf dem Foto abgebildet ein Bild zum Gedenken an den Umweltschützer Jairo, der Mitte letzten Jahres brutal ermordet wurde (siehe Blog von Fania: Jairo vive).

Am auffallendsten ist hier jedoch, dass hier alles und jedes Haus vergittert ist. Immer muss mindestens ein Tor durchquert werden, bevor man zur eigentlichen Eingangstür gelangt. Fenster sind vergittert und man würde hier auch nie auf die Idee kommen, mal die Tür offen stehen zu lassen, falls man zwei Minuten vor die Tür muss. Für mich ist das immer noch sehr gewöhnungsbedürftig. Unlängst war ich in einem, für meine Verhältnisse, sehr schicken Hotel (jedoch nicht in San José). Ein abgegrenzter Ort mit Grünflächen und Fluss hinterm Zimmer. Nach Beziehen der Zimmer unterhielt ich mich kurz mit einem Tico, der mir lachend erzählte, dass er mit einem Deutschen im Zimmer sei, der in wohl allen Ernstes gefragt hatte, ob sie die Tür nicht einfach offen stehen lassen könnten, weil sie nur einen Schlüssel hätten.


sin rejas, ohne Gitter

Da musste ich schmunzeln, denn nur zehn Minuten vorher hatte ich das selbe meine Zimmermädels gefragt. Als Antwort bekam ich von ihnen einen sehr entsetzten Blick. Das reicht wohl schon um zu zeigen, das es hier einfach kein Vertrauen gibt und es häufig zu Überfällen kommt. Kaum vorzustellen. Auch San José ist eher unsicher. Chepe ohne Gitter ("sin rejas"), so wie es früher einmal war, ist kaum mehr vorstellbar. Der Aufdruck "Imaginate San José sin rejas" ist in der ganzen Stadt zu finden.

Mal abgesehen von den ständigen Anmachsprüchen auf der Straße lässt es sich hier recht gut leben. Es gibt viel zu tun und viel zu entdecken. Auch wenn ich immer froh bin aus San José wegzukommen, freue ich mich jedes Mal, wenn ich wieder ankomme und sofort weiß, in welche Straße ich laufen muss oder wie ich zur nächsten Bushaltestelle komme. Das verwirrende Stadtbild, dass die meisten am Anfang haben, verfliegt recht schnell. Chepe ist klein und übersichtlich. Dass man hier zufällig Leute trifft, die man kennt, ist sehr wahrscheinlich und irgendwie ist es hier doch ganz nett. Aber da wären wir auch schon wieder bei der starken Anpassungsfähigkeit die wir Menschen haben. Auch wenn man sich an manche Dinge nie gewöhnen kann, die Stadt hier gehört nicht dazu, was vielleicht aber auch daran liegt, dass ich weiß hier nur übergangsweise zu sein.

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