Das Bäumepflanzen geht weiter

von martin_10  

Nach unserer ersten Baumpflanzaktion in unmittelbarer Nähe der Station in El Sur, richten sich die derzeitigen Aktivitäten auf die Länder rund um die Außenstation Cascarillo. Cascarillo befindet sich auf halbem Wege zwischen El Sur und der Bergspitze des Turrubares (und der dortigen Station Potenciana) und bildet die Mitte des Korridors.

Die rustikale Berghütte liegt idyllisch an einer Lichtung, von der aus man einen weiten Blick über das umliegende Gebiet des Carara Parks, den sich angrenzenden Pazifik und die bergige Küste der Peninsula de Nicoya hat. Hier fühlt man sich der gewaltigen Natur und der Wichtigkeit dieses Projekts einen Stück weit näher als in El Sur. Man realisiert welch große Ambitionen dem Ökologischen Korridor Carara innewohnen und welche Bedeutung dies für den hiesigen Lebensraum darstellt, der mit offenen, roten, erodierten Flächen seine Stabilität zu verlieren droht. Man braucht hier nur eine kurze Zeit zu verweilen und empfindet schon die Dankbarkeit einen Teil zu diesem Projekt beitragen zu dürfen.

Die meisten Baumpflanzungen werden dieses Jahr direkt an der Grenze zum Carara Nationalpark stattfinden. Die Aufforstung ist ein umfangreicher Prozess, bei der die Vorbereitung und nachträgliche Pflege der Bäume mehr Arbeit erfordern, als man sich zu Anfangs vorstellt. Allein unsere erste Woche oben auf der Station diente der Vorbereitung für die Pflanzungen, und dies bedeutete für uns 5 Tage lang von morgens bis abends das um sich greifende Monte (=Unkraut) mit der Machete zu bekämpfen und estacas (=Baumäste zur Markierung der kleinen Setzlinge) in den Boden zu stecken.

Zu den nicht geringen, körperlichen Leiden, die damit einhergehen, wird zu einem späteren Zeitpunkt berichtet. Zusammen mit Geovanni, seiner Familie und Johnny verbrachten wir die Woche zu neunt auf einer Wohnfläche, die vielleicht 1/8 der Station in El Sur darstellt, auf der wir normalerweise zu viert leben. Strom gibt es hier derzeit noch nicht, doch eines unserer Ziele ist es, das früher schon montierte Solar Panel wieder zum Funktionieren zu bringen. Ist dies einmal installiert, ließe es sich hier mit dem vorhandenen Internetempfang sehr gut arbeiten, auch wenn die Investition in eine angenehmere Bestuhlung angemessen wäre (so hat man immer eine Holzkante im Rücken stecken).

Die Station besteht aus einer kleinen Küche, einer Sitzecke zum Essen und dem Obergeschoss, das Platz für drei Hochbetten bietet - alles aus selbstgeschnittenen und (leider) ungehobelten Brettern gebaut . Der Balkon bietet einen Blick auf die fila (=Reihe) direkt bei der Station, wo Arbofilia Fruchtbäume und Heilpflanzen pflanzt, um einerseits seltene Fruchtbaumarten zu erhalten sowie eine möglichst umfangreiche Selbstversorgung der Station zu ermöglichen und die Transportlast zu verringern.

Die Geschäftigkeit der anwesenden Ticos verleiht der beschriebenen Idylle jedoch einen anderen Charakter. Denn um 4 Uhr morgens steht Noemi, die Frau von Geovanni, auf um das Frühstück vorzubereiten. Dies geht mit lautstarken Gesprächen durch die hölzernen Wände der Station einher, von denen man bisher gedacht hätte, dass sie die menschlichen Interaktionen auf das geringst Mögliche reduzieren würden. Doch spätestens um 5 Uhr ist der Geräuschpegel so angestiegen, dass man sich freiwillig nach unten an den Esstisch schleppt und das „Gallo Pinto“ auch bei nicht vorhandenem Hunger zu sich nimmt. Ohne Reis und Bohnen geht Geovanni nämlich nicht arbeiten.

Um 6 Uhr geht die Arbeit los und da man den Tag über sonst keinen anderweitigen Beschäftigungen nachgehen kann, wird nicht aufgehört zu arbeiten, außer der Regen oder die Dunkelheit verhindern dasselbige. Auch während der Arbeit wird ununterbrochen geredet und dies beinhaltet vor allem Scherze über unsere Erschöpfung oder Missgeschicke, die uns passiert sind, wie zum Beispiel die schmerzhafte Berührung eines Stachelastes (espina).

Selbst am Abend im Bett überwiegt der hier übliche Mitteilungsbedarf und nicht die Müdigkeit und so braucht es, bis die Stimmen von Geovanni, Noemi und Jonny allmählich an Lautstärke und Leidenschaft verlieren. Als ich dann eine Nacht allein auf der Station verbracht habe, war die Stille schon ein sehr fremder Zustand, der mir eine gewisse Umstellung abverlangte.

Bevor Geovanni und alle weiteren die Hütte verließen, verspürte er noch das Bedürfnis mir mitzuteilen, dass die hier umherstreifenden Jaguare es auf allein verweilende Menschen abgesehen haben und ich nachts alle Türen im oberen Stockwerk abschließen solle, um sicher zu sein. Obwohl die urwaldliche Geräuschkulisse in der Einsamkeit nochmals eine viel größere, eindringlichere Gestalt annimmt, fiel ich doch in einen recht tiefen Schlaf und verdaute die Betriebsamkeit der vergangenen Tage.

Nach einer kurzen Erholung in El Sur werden wir uns in den nächsten Tagen aufmachen die Bäume (ungefähr 5000) zu pflanzen.

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