Camouflaje femenino

von 14 lennart

Faulende Früchte gibt es am Waldboden häufig. Vor allem dann, wenn der Mensch in der Nähe ist, denn dort werden jede Menge Fruchtbäume gepflanzt. An manchen Stellen unserer Plantage ist der Boden nahezu vollständig bedeckt von herabgefallenen 'Mamón chinos' und Kakaofrüchten, bzw. dem, was die Affen (‘Mono carablanca’) davon übrig gelassen haben. Stapft man durch diesen vor sich hin gärenden Fruchtkompost, steht man bei jedem Schritt für einen Moment lang in einer Wolke von Fruchtfliegen. Und wo die Fliegen sind, sind natürlich ihre Jäger nicht weit.

Staphyniliden (Kurzflügler) scheinen hier in Costa Rica noch häufiger als in Mitteleuropa als Verfolger von Fliegen und Fliegenlarven spezialisiert zu sein. Lässt man eine Frucht einige Tage liegen, so finden sich darunter bald zahlreiche Staphynilidae ein (z.B. Vertreter der Gattung Nordus). Der mit mehr als 2 cm Länge und markanten Fangzähnen beeindruckenste unter ihnen ist Leistotrophus versicolor. Die einzige Art der Gattung (lediglich noch ein weiterer fossiler Vertreter) ist hier recht häufig zu finden, sobald sich ein größerer Anziehungspunkt für Fliegen ergibt. Beim ersten Antreffen dieser Art dachte ich sofort an den in Mitteleuropa seltenen Emus hirtus. Und so unähnlich sind sich beide Käfer in ihrer Ökologie garnicht und wurden vor langer Zeit sogar zur gleichen Gattung gezählt.


Männchen von Leistotrophus versicolor


Dominantes Männchen, Kopfdetail - sichelförmige Mandibel eignen sich ausgezeichnte um Fliegen zu ergreifen.


Schnell ist klar, wer hier das Sagen hat: L. versicolor auf fauliger Frucht des Brotbaumes Artocarpus altilis.
Neben faulenden Früchten, findet sich Leistotrophus versicolor häufig auch in der Umgebung von Rinderdung (dem bevorzugten Habitat von E. hirtus). Auf unserer und den benachbarten Rinderweiden, sind 5 und mehr Tiere zeitgleich an einem Kuhfladen keine Seltenheit. Die Hauptsache ist die Anwesenheit möglichst vieler Fliegen, die von den Käfern mit ihren langen und spitzen Mandibeln als Imago erbeutet werden. Da die Plätze, an denen sich Fliegen sammeln, in der Regel recht schnell vergänglich sind, hat sich eine Art Haremsbildung an wichtigen Ressourcepunkten ausgeprägt: Die dominanten Männchen bewachen besonders gute Plätze, um Fliegen zu fangen, gegenüber anderen Männchen und zu ihnen gesellen sich die Weibchen, um davon zu profitieren. Kommt ein anderes Männchen in die Nähe, wird es aggressiv vertrieben.

Kurios ist allerdings, dass sich innerhalb der von Mexiko bis Argentinien verbreiteten Art eine zweite Evolutionslinie der Männchen herausgebildet hat. Grundlage dafür ist der bei L. versicolor ausgeprägte Sexualdimorphismus. Einige Männchen haben das Aussehen der Weibchen angenommen: Sie sind deutlich kleiner, mit einem schmaleren Kopf und kürzeren Mandibeln. Als Weibchen getarnt, suchen sie die Harems der dominanten Männchen auf und versuchen ungesehen sich mit einem der Weibchen fortzupflanzen. Kopulationsversuche der dominanten Männchen lassen sie klaglos über sich ergehen, um nicht erkannt zu werden – eine Strategie die zu funktionieren scheint. Im Englischen lautet der Trivialname der Art wegen diesem Verhalten auch ‘Transvestite rove beetle’.

Diese beiden verschiedenen Fortpflanzungsstrategien bewirken einen divergierenden Evolutionsdruck, sodass Zwischenformen (also Männchen die nicht ganz so kräftig, einem Weibchem aber unähnlich sind) nach und nach verschwinden. Eine solche Entwicklung ist im Tierreich an vielen Stellen konvergent (also unabhängig voneinander) entstanden und es gibt ähnliche Entwicklungen z.B. bei einigen Dungkäfer-, Fisch- und Froscharten.

Dass die Nahrungsversorgung für die Käfer nicht immer gewährleistet zu sein scheint, zeigt eine weitere Verhaltensweise. Leistotrophus ist in der Lage an der Spitze des Abdomens eine faulig riechende Flüssigkeit abzusondern. Dieses Sekret wird auf eine geeignete Oberfläche (z.B. ein Blatt) gesprüht. Dann wartet der Käfer lauernd, bis sich eine angelockte Fliege nähert, um diese in aller Ruhe zu erbeuten.





BlogNo:07

1 Kommentar

Kommentar von: Tabea [Besucher]

Ist ja der Wahnsinn, was es alles gibt! Sehr interessanter Artikel, der an einigen Stellen auch zum Schmunzeln anregt ;-)


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