Lebensweisheit No. 1: Zweifel nicht am Seil

von 15 amelia  

10:23 Ortszeit, Alajuela. Wir sitzen am Busbahnhof und warten auf den Bus. Er kommt nicht. Also, klar kommt er irgendwann, aber wir sind hier nicht in Deutschland wo der Bus peinlich genau auf die Minute fährt (außer man fährt mit der deutschen Bahn). Die costaricanischen Uhren ticken eben ein bisschen anders, das merke ich schon in den ersten Stunden hier. Nachdem wir mehr als eine Stunde gewartet haben ereilt uns die frohe Botschaft: „Der Bus kommt nicht mehr. Der nächste fährt erst um 1.“ Bitte was? In Deutschland unvorstellbar, in Costa Rica anscheinend normal wie Brezen in Bayern.


Die Krokodile sind gar nicht so leicht zu sehen

Einige Stunden später stehen wir auf einer Brücke. Rechts von uns Trockenwald, links tropischer Regenwald, unter uns Krokodile. Unglaublich aber wahr: So einen Ort wie diesen, wo ich – Amelia – gerade stehe, gibt es weltweit nur 3 Mal! Das weiß ich von Miguel, dem Leiter von Arbofilia, Partnerorganisation von Pro REGENWALD. Er hat uns vom Bus abgeholt und fährt uns jetzt in den Korridor, das Hauptprojekt von Arbofilia. Miguel ist bestimmt der weiseste Mensch, den ich mit meinen 18 Jahren kennenlernen durfte. Er ist für costa-ricanische Verhältnisse ungewöhnlich groß, ist von Costa Rica nach Kolumbien gelaufen (gelaufen!), bezeichnet sich selbst als Geist und behandelt Ohrenschmerzen, indem er eine Hibiskusblüte mit Kaktussaft füllt und das ganze ins Ohr steckt. Er weiß ungefähr fast alles über das Pflanzenreich. Er sagt, bis ans Ende seines Lebens kennt er vielleicht ‚nur‘ 1300 Pflanzenarten – äh, ich kenne … 29 oder so? Wenn es hoch kommt.


Der besagte Jeep

Nachdem wir einen Zwischenstopp auf der Krokodilbrücke gemacht haben, geht es weiter: wir fahren in einem Jeep, wir sitzen hinten im Laderaum, ohne Anschnallgurte oder Sitzheizung. Wir wundern uns: „Wieso hängt da ein Seil von der Decke?“. Wir kommen nicht dahinter, also lassen wir das Seil Seil sein. Eine Stunde später wissen wir ganz genau, wieso es da hängt – zum Festhalten. Es holpert und poltert was das Zeug hält, denn wir fahren längst nicht mehr auf geteerten Straßen. Es ist hier nicht unüblich, auf einfachen Sandstraßen zu fahren. Anders als in Deutschland, wo die A1 auf 6 Streifen ausgebaut wird. Klar kommt man da nicht so schnell von A nach B, aber mir gefällt er Gedanke, dass hier manche Dinge ein bisschen langsamer laufen, beziehungsweise fahren.

Dieses chronische Gestresstsein der Deutschen zeugt ja vielleicht genau daher, dass bei uns alles so schnell passieren kann – von A nach B kommen, Emails schicken, eine 5 Minutenterrine machen (der man dann meistens noch nicht mal 5 Minuten zum Ziehen gibt). Und wenn dann mal nicht etwas so schnell wie möglich passiert, dann bricht die große Panik aus. Hier gibt man den Dingen einfach mehr Zeit, weil sie mehr Zeit beanspruchen, und somit auch sich selbst. Wir sagen immer, dass wir keine Zeit haben, aber das stimmt nicht; Zeit hat jeder gleich viel, die Frage ist nur, was wir damit anstellen. So gesehen war es gar nicht schlimm, dass der Bus zu spät kam, so konnte ich noch eine Runde aud den gemütlichen Plastikstühlen am Busbahnhof schlafen und hatte danach sogar fast keine Nackenschmerzen.

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