Was der Klimawandel mit globaler Sicherheit zu tun hat

by 14 julian


Trockener Wasserfall in der Reserva Natural Miraflor nahe Estelí, Nicaragua

Nueva Guinea, 16.09.2015 - Ich stehe vor einer 35 Meter hohen Felswand. Darüber strahlend blauer Himmel und sengende Sonne. Soweit nichts besonderes sollte man meinen, wäre da nicht die Tatsache, dass es sich um eine Touristenattraktion handelt. Eigentlich sollte sich genau an dieser Stelle ein Fluss auf dem Weg ins Tal in die Tiefe stürzen. Doch da ist nichts, kein einziger Tropfen bahnt sich den Weg zu mir herunter. Und das Mitten in der Regenzeit. Ich befinde mich in der Reserva Miraflor nahe Estelí im Nordwesten Nicaraguas. Wo ist all das Wasser geblieben?

Neben der massiven Abholzung in den vergangenen Jahrzehnten, die die Speicherfähigkeit der Böden für Wasser deutlich beeinträchtigt, ist das Wetterphänomen El Niño für das Ausbleiben der saisonalen Regenfälle verantwortlich. Laut Vorhersagen der Weltorganisation für Meteorologie (OMM) soll es einer der stärksten El Niños der letzten 65 Jahre werden[1]. Und das bisschen Wasser, das der Fluss noch führt, leiten Bauern flussaufwärts ab, um ihre Felder zu bewässern. Sie klagen über trockenheitsbedingte Ernteausfälle, die ihre mühsame Arbeit der Feldbestellung zu Nichte macht. Viele Kleinbauern sehen sich mit existenziellen Ängsten konfrontiert. In einem Agrarland, wie Nicaragua, haben extreme Trockenphasen zudem auch ernst zu nehmende wirtschaftliche Auswirkungen[2&3].

Nun ist El Niño kein neues Phänomen, das dem Klimawandel zugeschrieben werden kann, dennoch werden extreme Wettersituationen, wie derart starke El Niños, häufiger. Die Lage vor Ort ist angespannt, aber es herrscht kein akuter Hunger. Auch ist die Regierung im Zweifelsfall in der Lage bei Extremsituationen helfend einzugreifen, wie es auch schon im vergangenen Jahr geschehen ist[4].

Doch was passiert, wenn anhaltende Dürren oder andere extreme Wetterphänomene (Flutkatastrophen, Stürme,...) Kleinbauern, die oft von Subsistenzlandwirtschaft leben, also Selbstversorgungslandwirte sind, ihre einzige Lebensgrundlage nimmt? Im besten Falle ist der jeweilige Staat Willens und in der Lage die betroffenen Bevölkerungsgruppen mit dem Nötigsten zu versorgen. Andernfalls bleibt diesen Menschen oft nur, ihren einzigen wesentlichen Besitz, ihr Land, zu verlassen und ihr Glück andernorts zu suchen. Nicht wenige treibt es in die Städte, die ihrerseits nicht auf den massenhaften Zuzug der Landbevölkerung vorbereitet sind. Es fehlt an Infrastruktur jeglicher Art (Schulen, Wasserversorgung, Müllentsorgung,...), verfügbarem Wohnraum, und vor allem an Arbeitsplätzen. So spitzt sich auch die soziale Situation in den Städten zu.

Wohlhabende, politisch stabile Staaten mit einer stabilen Zivilgesellschaft können derartige Krisen gut überwinden. Andernorts kann dieser zusätzliche Stressfaktor die ohnehin oft schon angeschlagene Handlungsfähigkeit der Regierung überstrapazieren. Eine umstrittene Studie der University of California[5&6], kommt zu dem Schluss, dass die von 2006 bis 2010 anhaltende Dürre in Syrien, als Folge des Klimawandels, das auslösende Moment für die derzeitig anhaltende Krise in der Region darstellt (siehe [7], wenn du Comics magst). Natürlich neben jahrzehntelangem Missmanagement der natürlicher Ressourcen, einem starken Bevölkerungswachstum, Unterdrückung und der Unfähigkeit des Assad-Regimes sich zu reformieren[8].

Jedoch sind Dürren in dieser Region keine Seltenheit und so lässt sich der Einfluss des Klimawandels in diesem speziellen Fall kaum genau beziffern. Sicher ist jedoch, dass Extrembedingungen, verursacht durch den Klimawandel, eine zusätzliche Belastung für die Stabilität vieler Staaten darstellt, und zwar zum Teil über deren jeweilige Belastungsgrenze hinaus. Unkontrollierbare Migrationsbewegungen können Nachbarstaaten ins Wanken bringen und so ganze Regionen in Chaos und Gewalt versinken lassen, was letztendlich ein globales Sicherheitsproblem darstellt und einen großen Teil der Weltbevölkerung betrifft[9].

Somit ist eine ambitionierte Klimapolitik nicht nur etwas für Gutmenschen, sondern Klimapolitik ist vor allen Dingen auch präventive Sicherheitspolitik! Der Klimawandel stellt ein enormes globales Sicherheitsrisiko dar. Nur mit ambitionierten Maßnahmen zur Minimierung der zu erwartenden Auswirkungen, sowie Anpassungs- und Stabilisierungsmaßnahmen in besonders verletzlichen Regionen, wird die weltpolitische Lage beherrschbar bleiben.

Aktuell offenbart sich die Überforderung Europas im Umgang mit dem Zustrom an Flüchtlingen. Es ist beschämend zu sehen, wie die Europäische Idee gegenseitiger Solidarität in nationalem Egoismus untergeht (oder wie es EU-Kommissionspräsident Junker formuliert hat: „Es fehlt an Europa, es fehlt an Union.“[10]). Und zwar in einer Zeit in der gemeinschaftliches Handeln dringend geboten ist. Denn die aktuelle Lage könnte ein Vorgeschmack davon sein, was uns zukünftig erwartet, wenn wir weiterhin zu wenig tun.

Quellen:

  1. "El Niño se torna más agresivo“, EFE, confidencial.com.ni, 01.09.2015 http://www.confidencial.com.ni/archivos/articulo/22846/quot-el-nino-quot-se-torna-mas-agresivo
  2. “Alertan por impacto de El Niño“, Cinthia Membreño, confidencial.com.ni, 25.06.2014 http://www.confidencial.com.ni/archivos/articulo/18115/ale
  3. „Funides alerta sobre impacto económico de 'El Niño'“, Iván Olivares, 09.07.2014 http://www.confidencial.com.ni/archivos/articulo/18372/funides-alerta-sobre-impacto-economico-de-039-el-nino-039
  4. „Thirsty in Nicaragua, the Country Where ‘Agua’ Is Part of Its Name“, José Adán Silva, ipsnews.net, 04.06.2015 http://www.ipsnews.net/2015/06/thirsty-in-nicaragua-the-country-where-agua-is-part-of-its-name/
  5. „Climate change in the Fertile Crescent and implications of the recent Syrian drought“, C. P. Kelley et al., PNAS, 112 , 11, 3241–3246, 2014 http://www.pnas.org/content/112/11/3241
  6. „Wie der syrische Bürgerkrieg mit dem Klimawandel zusammenhängt“, Daniel Lingehöhl, Spektrum der Wissenschaft, 02.03.2015 http://www.spektrum.de/news/wie-der-syrische-buergerkrieg-mit-dem-klimawandel-zusammenhaengt/1335050
  7. years of living dangerously, comic, Audrey Quinn http://yearsoflivingdangerously.tumblr.com/post/86898140738/this-comic-was-produced-in-partnership-by-years-of
  8. „The Role of Drought and Climate Change in the Syrian Uprising: Untangling the Triggers of the Revolution“, F. de Châtel, Middle Eastern Studies, 50, 4, 521-535, 2014 http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/00263206.2013.850076
  9. „Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel“, R. Schubert et al., Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), Hauptgutachten 2007, ISBN 978-3-540-73247-1 http://www.wbgu.de/fileadmin/templates/dateien/veroeffentlichungen/hauptgutachten/jg2007/wbgu_jg2007.pdf Zusammenfassung (ISBN 978-3-936191-19-6): http://www.wbgu.de/fileadmin/templates/dateien/veroeffentlichungen/hauptgutachten/jg2007/wbgu_jg2007_kurz.pdf
  10. „Es fehlt an Europa und es fehlt an Union", ZEIT ONLINE, dpa, AFP, sah, 09.09.2015 http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-09/jean-claude-juncker-eu-asylrecht-fluechtlinge-umverteilung
BlogNo:11

No feedback yet


Form is loading...