Quadratur des Dreiecks – Herausforderungen in Triángulo Sur

by 14 julian

Nueva Guinea 30.07.2015 - Wieder bin ich am Packen. Viel zu packen gibt es allerdings nicht, denn beim Reisen in abgelegenen Gebieten ist man über jedes Gramm Gepäck weniger sehr froh. In einem früheren Blogbeitrag „Der Fischer im Agroforst“, habe ich von dem Besuch auf der Insel Rama Cay in der Bluefieldsbucht an der Atlantikküste Nicaraguas berichtet. Dort haben erfahrene Mitglieder Sano y Salvos (1) die indigenen Mitglieder der Vereinigung besucht und unter anderem in der Herstellung organischer Düngemittel und Pestizide beraten. Knapp zwei Monate später steht der Folgebesuch an. Ich kehre jedoch nicht zurück nach Rama Cay, sondern diesmal begleite ich Eulalio nach Triángulo Sur. Auch dort ist es der zweite Besuch.

Triángulo Sur befindet sich in der Pufferzone des Reservates Indio Maíz im Südosten Nicaraguas. Das Indio Maíz ist, neben dem Bosawas im Nordosten, eines der grossen Reservate in Nicaragua. In der Pufferzone ist landwirtschaftliche Nutzung gestattet, allerdings unter Beachtung spezieller Auflagen. Diese werden jedoch oft großzügig ignoriert. So ist auch hier Brandrodung allgegenwärtig.


Junge Agroforstparzelle von etwa 4 Jahren, gut sauber gehalten.


Ebenfalls eine junge Agroforstparzelle. Allerdings hat sich hier keiner die Mühe gemacht mit der Machete das "Unkraut" zu beseitigen.


Blick auf ein Feld mit jungen Mais- und Yukapflanzen. Die Spuren von Feuer sind noch klar ersichtlich.


Die Vielfalt einer gut gepflegten Agroforstparzelle.


Blick von oben auf eine Agroforstparzelle. Spätestens hier wird ersichtlich, was das Wort "forst" in dem Namen Agroforst zu suchen hat.

Am Nachmittag treffen wir uns am Mercado in Nueva Guinea und klettern auf die Ladefläche des IFA der uns nach La Fonseca bringt, wo wir die erste Nacht in einer Hospedaje, einer einfachen Unterkunft, verbringen. Der Fahrer des Transporters, mit dem wir am nächsten Morgen unsere Reise fortsetzen, vollbringt ein halbes Wunder, indem er bei strömendem Regen gekonnt sein Fahrzeug über die schlammig-rutschige Straße manövriert. Schließlich erreichen wir die Endstation, von wo aus die Weiterfahrt für jedes erdenklich Fahrzeug unmöglich wird. Zu Fuß ziehen wir weiter. Regenschauer, Sonne und drückende tropische Hitze sind unsere Begleiter auf dem fast fünfstündigen Marsch. Es geht über Weideland, vorbei an Mais- und Maniokfeldern, manchmal sogar durch kleine Inseln Wald. In einem Boot überqueren wir einen Fluss, der unseren Weg kreuzt. Viel Aufmerksamkeit können wir der Umgebung jedoch nicht widmen, denn der Blick geht zielstrebig gen Boden, um die Gummistiefel durch den Schlamm zu manövrieren und nicht in den über knietiefen Löchern zu versinken. Angekommen auf der Finca des don Tiburcio fallen wir schliesslich in die Hängematten.

Am nächsten Morgen beginnt die eigentliche Arbeit. Innerhalb von drei Tagen besuchen wir alle Mitglieder vor Ort. Dabei dient uns die zentral gelegene Finca von don Tiburcio als Ausgangspunkt. Es sollen die Fortschritte auf den jeweiligen Fincas dokumentiert werden und auch die beim letzten Besuch getroffenen Absprachen kontrolliert werden. Vor allen Dingen ist Eulalio aber vor Ort, um den Mitgliedern mit seiner Erfahrung beratend zur Seite zu stehen. So verbringen wir viel Zeit in den Agroforstparzellen, wo Eulalio je nach Bedarf den Baumschnitt erklärt, die Verarbeitung einzelner Produkte, oder Hinweise zur Beschattung gibt. Insbesondere außerhalb des Agroforst, wo Mais, Yuka und anderes angebaut wird, ist auch Schädlingsbekämpfung mit biologischen Mittel ein wichtiges Thema. Während die einen sehr interessiert und wissbegierig den Erläuterungen folgen und Fragen stellen, scheinen andere eher passiv. Obwohl unser Kommen angekündigt wurde, treffen wir nicht alle Sano y Salvo Mitglieder auf ihrer Finca an. Auch die Umsetzung der in der ersten Runde getroffenen Absprachen, insbesondere in Bezug auf die Herstellung von biologischen Düngemitteln und Pestiziden, wurde nicht von allen umgesetzt. So fällt das Fazit zum Teil durchwachsen aus.

Auch in anderen Untergruppen Sano y Salvos sind die Resultate ähnlich. Leider wurden einige Male Vereinbarungen nicht eingehalten, die Mitglieder nicht angetroffen oder die Agroforstparzellen waren zugewuchert. Viele Termin, sei es ein Gottesdienst, eine Aktivität des Baseballvereins oder ähnliches, scheinen wichtiger zu sein als unser Besuch. Es ist schade, dass nicht alle das Beratungsangebot zu schätzen wissen. Noch scheinen wir weit entfernt von dem Ziel die Produktion aller Fincas nennenswert in Qualität und Quantität zu steigern. Nur wenn die Kleinbauern erfolgreich mit nachhaltigen Methoden wirtschaften, lässt sich der Raubbau an der Natur langfristig zurückdrängen und eine dauerhafte Lebensgrundlage für die Menschen schaffen.

Die Langsamkeit der Entwicklung und auch praktischen Annahme des Biolandbaus wird durch vieles verursacht: einmal die traditionelle konventionelle Chemielandwirtschaft, die inzwischen als modern internalisiert wurde und durch viele externe Kooperationen, dem Agrarchemiehandel und auch der Regierung propagiert wird. Zudem ist die kulturell verankerte Mentalität des "cortoplazismo", dafür verantwortlich, dass kurzfristige Investitionen mit einer schnellen Rendite, ohne einer langfristigen Perspektive, weit verbreitet sind. Die zeigt sich beispielsweise in dem weit verbreiteten Anbau von Ananas, Malanga und Maniok, sowie der extensiven Rinderhaltung. Dies sind alles Aktivitäten, die nicht für die feuchten Tropen geeignet sind. Auch gibt es keine Bauerntradition der feuchten Tropen, sondern es wurden vorbehaltlos unangepasste Konzepte aus klimatisch anderen Gegenden übernommen. Und zu guter Letzt erschwert die Konfusion von Begriffen und der Zertifikatewirrwarr das Etablieren echter organischer Landwirtschaft. Stattdessen liest und hört man oft von "buenas prácticas agrícolas", "bird friendly", naturfreundlich, „aus nachhaltigem Anbau“, Integrated Pest Management, "produziert von Frauenhand" und allen voran die Zertifizierung durch Rainforest Alliance und UTZ - alles NICHT organisch.

Doch so einfach lassen wir uns nicht entmutigen. Die nächsten Besuche sind bereits in Planung. Ende September sollen diese stattfinden. Bis dahin bleibt Zeit, um auf Basis der gemachten Erfahrungen das Konzept anzupassen. Und nicht zuletzt gibt es ja auch viele, die an der engen Zusammenarbeit Interesse zeigen und motiviert das Beratungsangebot annehmen. Das gibt etwas Zuversicht für die Zukunft.


(1) Sano y Salvo, Safe and Sound, Primera Asociación Campesina e Indigena de Cultura y Producción Ecologicas en la Region Autonoma del Atlantico Sur, Nueva Guinea, RACS, Nicaragua

BlogNo:10

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