Nicaragua: Besuch im Krankenhaus

von 15 klara  


Die Krankenhausanlage, eingegrenzt von Stacheldraht. Am Eingang weht links die Flagge der Sandinisten und rechts die Flagge Nicaraguas.

Ich gehe die Straße hinunter, vorbei an dem mit Stacheldraht eingegrenzten Gelände, zum Eingang des Krankenhauses neben dem nicht zu übersehen die große schwarz-rote Flagge der Regierungspartei weht. Auf der anderen Seite des Eingangs sind mehrere Verkaufsstände und ein Kiosk aufgebaut, die Essen und Softdrinks verkaufen. Ich passiere mehrere Motorräder im Innenhof und reihe mich in die Schlange der Wartenden an der Rezeption ein.

Wer hier zum Arzt geht, braucht wie in Deutschland vor allem eines: Zeit! Nach einer Dreiviertelstunde, es sind nur noch 2 Leute vor mir, nimmt sich die Empfangsdame die Zeit den Informationstisch abzustauben. Naja warten ist man ja auch in Deutschland beim Arzt gewöhnt. Ich nutze die Gelegenheit und spähe über den Empfangstresen. Eine junge Ärztin steht inmitten riesiger Stapel vergilbter Akten und tippt auf ihrem Smartphone, das fast größer als ihre Hand ist rum. Die Empfangsdame watschelt hinter den Tresen zurück: „Ja bitte?“ Ich schildere ihr mein Problem und sie schreibt sich mein Alter, meinen Wohnort und meinen Namen auf einen Zettel. Zumindest versucht sie meinen Namen aufzuschreiben, scheitert dann aber bereits an der ersten Silbe meines Nachnamens „Bram..? Cómo?!“ Ich schreibe ihr den Namen auf.

Schwungvoll wirft die Frau ihre mit zahlreichen Ringen geschmückte Hand nach rechts. „Sie warten dann vor dem Zimmer Patientes febriles“. Okay das war’s schon? Ich mache mich auf den Weg. Das Krankenhaus besteht aus mehreren, einstöckigen Gebäuden, die aneinandergereiht sind. Die etwas maroden Wände sind in rot gestrichen. „Ganz nett“, denke ich, „ Mal was anderes als dieses langweilige weiß in den meisten deutschen Arztpraxen. Nur was sollen diese braun-schwarzen Streifen unterhalb an der Wand?“ Ich sehe nach links und wo die schwarz-rote Fahne der Regierungspartei im Wind flattert und plötzlich dämmert es mir was es mit der Farbgebung auf sich hat…

Als ich um die Ecke biege, sehe ich einen Haufen Menschen unter einer Überdachung, teils auf Holzbänken lungernd, warten: alte Frauen, Hochschwangere, Frauen mit fiebrigen Kleinkindern auf dem Schoß… es sind kaum Männer zu sehen. Ich komme mir mit meiner kleinen Verletzung plötzlich ganz blöd vor. Ich suche die Tür, zu der muss. Puhh.. Glück gehabt, nur zwei Patienten stehen davor. Ich lese das Schild, welches an die Tür geklebt ist: „Patientes febriles“. Moment… heißt das nicht Patienten mit Fieber?

Die Tür öffnet sich. Gibt es Notfälle mit Fieber? Der wird sonst vorgeschoben! Nein, okay, der nächste Bitte. Dieses Konzept scheint auch an der anderen Tür angewandt. „Schwangere bitte vorlassen!“ Ein Arzt kommt aus dem Zimmer und deutet auf die dicken Babybäuche einiger wartender Frauen. Als er aus Versehen auch auf den Bauch einer etwas übergewichtigen alten Dame zeigt, erntet er schallendes Gelächter.

Obwohl nur zwei Patienten vor mir im Zimmer sind, muss ich zwei Stunden warten. Aus der Blutabnahme neben mir kommt hysterisches Kindergeschrei. Ich starre die löchrige Tür vor mir an, als ob sie sich dadurch schneller öffnen würde. Auch an der Tür klebt ein Plakat mit Sprüchen der Regierungspartei. Kann man eigentlich noch unauffälliger Propaganda machen? Mein Blick fällt auf weitere bunte Plakate neben der Tür, die aussehen, als hätte sie eine Klasse Grundschüler gebastelt: Der Rand ist mit Kreppband und Papierblumen verziert. Unter Fotos stehen mit schiefer Handschrift Stichpunkte. Ich lese: „Die richtige Ernährung für ihr Baby; Bekämpfung von Mücken zum Schutz vor der Übertragung von Krankheiten; So erkennen sie Geschlechtskrankheiten…“

Der junge Arzt berät mich fachlich und wirkt kompetent. Er schickt mich zum Bluttest, der zum Glück schnell geht. Zum Abbinden des Arms reicht ein geknoteter Gummihandschuh. Desinfizieren ist anscheinend überflüssig. Spritze rein, Spritze raus, der nächste Bitte. Der Mann ruft mir noch hinterher, dass ich um 11 das Ergebnis abholen kann.


hinteres Bild wörtlich: „In diesem Fürsorgezentrum fördern wir die mütterliche Brust. Stillen zuerst. Nein zur Flasche.“ Das vordere Schild klärt über ein Erneuerungsprogramm des Krankenhauses auf, dass von der Bezirksregierung finanziert wurde und dieses Jahr ausläuft.

Aus der Erfahrung, dass man sich hier auf Uhrzeiten nicht verlassen kann, komme ich erst um 10 nach 11 zum Krankenhaus. Vor der Tür warten schon einige andere. Ich gehe hinein. Niemand da. Es kommen mehr und mehr Frauen, gehen rein, fragen nach, klopfen an die Tür. Irgendwann kommt eine genervte Laborassistentin raus und verkündet, dass die Ergebnisse um 1 bis halb 1 fertig sein werden. Na gut.

Ich setzte mich zu den anderen Frauen auf die Bank. Man lästert über das Gesundheitssystem, tauscht sich über seine Ehemänner und Kinder aus und irgendjemanden fällt immer noch eine neue Horrorstory zu den schlechten Ärzten im Krankenhaus ein. Die Nicas scheinen nicht sehr überzeugt von ihrem Gesundheitswesen. Die Dienstleistungen und Medikamente im Krankenhaus in Nueva Guinea sind kostenlos. Allerdings müssen viele Leute aus dem Umland umständlich anreisen: Eine Bäuerin erzählte mir, sie musste für die Geburt ihres Kindes mehr als drei Stunden wandern, um ins Krankenhaus zu gelangen. Die Verkehrswege sind nicht gut ausgebaut, weshalb sich die Menschen selbst um ihren Transport ins Krankhaus kümmern müssen.

Schon ist es 1 Uhr. Immer mehr Frauen kommen. Bald sind ca. 30 Leute vor dem Zimmer versammelt. Das muntere Geplapper von vorhin ist verstummt. Stumm wartet die Menschenmasse auf ihre Ergebnisse. Es ist heiß. Schon ist es 2 Uhr. Ich biete einer schwangeren meinen Sitzplatz an. Die Menschen starren gelangweilt vor sich hin. Kleine Kinder quengeln. Mir ist langweilig. Es ist halb 3. Schon wieder ist eine Stunde vorbei. Ich gebe die Hoffnung auf mein Testergebnis schon fast auf, als sich um halb 4 die Türe öffnet. Die Menschen strömen zur Türöffnung hinüber. Ein Arzt, steht im Türrahmen und verteilt die Zettel mit dem Testergebnis. Dazu verkündet er laut den Namen der jeweiligen Person. Viele Personen sind nicht anwesend. Ein bisschen erinnert mich die Situation an die Zeugnisausgabe in der Schule…meine Gedanken schweifen ab, da tippt mich die Frau neben mir hilfsbereit an. „Warst du nicht Klara? Dein Testergebnis…“ Sie deutet auf den Zettel, den der Arzt, nach der betreffenden Person ausschauhaltend in die Luft hält. „Danke!“ Ich schnappe mir den Zettel und bin erleichtert endlich heimgehen zu können…

BlogNo:03

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