Fremd sein.

von 15 louisa  

„Als ich in München am Bahnhof stehe, kommt gerade ein Zug mit Flüchtlingen an. Bald werde ich wie sie, zwar kein Flüchtling, aber trotzdem ein Fremder in einem neuen Land sein.“ Mit diesem Satz fing mein erster Blog an.

Jetzt sitze ich nach einigen Wochen in Costa Rica und bin vielleicht doch mehr ein Flüchtling, als ich dachte.
Ein Flüchtling vor deutschen Konvetionen, der Leistungsgesellschaft und meinem Alltag, auf der Suche nach neuen Abenteuern, mit der Hoffnung, die Welt zu verbessern. So sitze ich nun hier und frage mich was es bedeutet Fremd zu sein.
Diese Frage ist so komplex und vielschichtig, dass es mir schwer faellt, sie klar zu beantworten.

Fremd sein bedeutet am Abendessentisch zu sitzen und nichts zu verstehen. Nicht zu wissen wie man sich zu verhalten hat. Wer zuerst nimmt. Wann man beginntzu essen. Ob gebetet wird davor und wann man wieder aufstehen darf.
Fremd sein ist wenn man das Waschmittel anders riecht und sich die Klamotten ploetzlich anders, nicht mehr wie die eigenen anfuehlen.
Fremd sein bedeutet auf der Strasse zu laufen und gemustert zu werden, da man hier als blonde Europaeerin so auffaellt, wie sonst vielleicht im Herzen Afrikas.
Fremd sein bedeutet, die ersten Tage in der neuen Stadt sich nur zu verlaufen, da die meisten Strassen und Haeuser noch gleich ausschauen.
Aber Fremd sein bedeutet nicht nur diese offensichtlichen Dinge.
Fremd sein ist viel mehr ein Gefuehl, das ganz tief in der Brust sitzt.
Fremd ist man wenn sich zuhause noch nicht wie daheim anfuehlt, sondern daheim tausende Kilometer weit weg ist.
Fremd sein kann sich alleine anfuehlen und nach Isolation.
Und Fremd sein kann ziemlich beaengstigend sein.
Aber gleichzeitig oeffnet Fremd sein, viele Tueren.
Fremd sein bedeutet auffallen.
Fremd sein weckt das Interesse der Leute in deinem Umfeld, denn du bist anders und interessant. Fremd eben.
Und nach einer Weile merkst du, dass sich Fremd sein gar nicht mehr so Fremd anfuehlt.
Du faengst an, die Leute zu verstehen, ihre Kultur, ihre Art, ihre Sprache ist ploetzlich nicht mehr so fremd, sondern vertraut und normal.
Und du selber bist auch nicht mehr fremd.
Du verstehst was sie sagen.
Du weisst wann du essen bekommst.
Du wirst nicht mehr angestarrt, da die Leute dich kennen.
Du weisst wo den Haus steht und wo die Strassen hinfuehren.
Du faengst an die Kultur zu verstehen.
Und du fuehlst dich endlich zu Hause.
Du bist angekommen.
Denn irgendwann bist du nicht mehr fremd.

BlogNo:05

1 Kommentar

Kommentar von: Luisa [Besucher]

Liebe Louisa, Wie schoen dieser Text geworden ist. Du hast es geschafft das einzufangen, was uns alle gerade beschaeftigt aber auf eine sehr poetische Weise. Mir gefaellt dieser Text gut, weil man sich in ihm wiederfindet und ich bin froh,dass wir alle diese Erfahrung teilen koennen.
Schreib weiter so!
Luisa


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