Was unser Kaffee mit den Indigenen zu tun hat…

von 15 marleen  



In Rio Sereno, einem kleinen Örtchen an der Grenze zu Panama, steigen wir aus. Mir fallen gleich die vielen indigenen Familien auf. Die Frauen in den bunten Kleidern sind nicht zu übersehen, in Begleitung ihrer Männer, die fast alle eine selbst gehäkelte Umhängetasche bei sich tragen. Ich habe das große Glück mit der costa ricanischen Anthropogin Anabelle zu reisen, die Wert darauf legt, dass ich die Realitäten des Landes abseits von den ausgetretenen Touristenwegen kennenlerne.

Ihre Geschichten und Kommentare ermöglichen mir einen Blick auf das Treiben um mich herum, der viel weiter reicht, als meine bloße Beobachtung.

So erfahre ich, dass die indigenen Familien, aus Panama stammen und dem Ngäbe und Buglé Volk angehören. Oft nehmen sie einen langen Weg durch die Berge auf sich genommen, um nach Costa Rica zu gelangen. Dort erhoffen sie sich auf den Kaffeeplantagen arbeiten zu können, die ganze Familie; teilweise auch die Kinder.

Anabelle geht mit offenen Augen durch die Welt und nimmt nie ein Blatt vor den Mund Ungerechtigkeiten an zusprechen, auf eine liebenswerte, indirekte aber freche Art. Voller Verwunderung stehe ich daneben, als sie sich bei den indigenen Familienvätern dafür bedankt, dass sie ihre Kinder und ihre Frau gut behandeln. Oder, als sie zu ihnen sagt, dass sie ihre Frau wohl im Lotto gewonnen hätten, da sie ein großes Glück mit so einer intelligenten und guten Frau haben.





Workshop mit Frauen, Sabalito Januar 2016
Workshop mit Frauen, Sabalito Januar 2016

Indigene aus Panama leben zeitweise & arbeiten in Costa Rica in der Hoffnung ihre Lebenssituation aufbessern zu können

Zu den Frauen sagt sie, dass sie schöne Kleider haben oder hübsche Kinder. Die Frauen antworten jedoch kaum. Manche lächeln sogar nicht mal, auf Anabelles lieb gemeinte Kommentare. Ich habe noch nie in meinem Leben so schüchterne Frauen gesehen. Irgendwie bestürzt mich das sehr. Ich merke gleich, dass es nicht an der Sprache liegen kann – manche sprechen kaum Spanisch-, denn Annabelle gibt gleich immer ein paar Worte Ngäbe zum Besten. Sie kommunizieren einfach kaum. Auf der Busfahrt hatte ich einer Frau unsere letzten Äpfel geschenkt, die diese einfach stumm ohne jeden Ausdruck entgegen nahm. Als wir dann ausstiegen drückte sie mir jedoch die Hand, was laut Anabelle schon echt viel Vertrauen bedeutet.

Sie erklärte mir, dass die indigenen Männer oft das Geld, welches die Familie auf den Plantagen verdient für Alkohol ausgeben, Alkoholprobleme haben und im Suff ihre Frauen und Kinder schlagen. Die Frauen werden also oft sehr schlecht behandelt, dazu noch von der restlichen nichtindigenen Bevölkerung diskriminiert. Dadurch haben sie teilweise kaum Selbstbewusstsein.

Surreale Momente in dem Grenzörtchen: Arabische Händler, die Chinaplastikware verkaufen, während amerikanische Charts im Hintergrund laufen, indigene Frauen in traditionellen Kleidern, die mit viel Stoff weibliche Kurve vertuschen, vorbeigehen und stark geschminkte Frauen in hautengen Hosen, die hinter den Ständen stehen…

Diesmal steigen wir in einen kleinen Minibus ein, wo wir das „Theater der Gesellschaft“, wie Anabelle es nennt, beobachten können. Ein Sherrif mit Cowboyhut und Silbersternkette, ein Sohn eines Kaffeplantagenbesitzers und Familien mit Kindern sitzen eng beieinander. Es wird geplaudert und die neu Zugestiegenen werden immer begrüßt.

Es steigt ein Mädchen mit indigenen Gesichtszügen ein, an ihrer Hand ein kleiner Junge. Dreck verschmiert und barfuß. Da es so eng ist im Bus, biete ich ihr an, den Kleinen auf den Schoß zu nehmen. Sie ist dankbar und er ziemlich ruhig. Ich versuche mit ihr ins Gespräch zu kommen, wenige Worte, aber nach und nach schaffe ich es Vertrauen aufzubauen und erfahre, dass sie 18 Jahre alt ist, ihr Sohn 3. (Leider keine Ausnahme hier!) Er ist krank und sie sind auf dem Rückweg vom Arzt. Sie betrachtet meine Armbänder und macht plötzlich ihr einziges ab und knotet es mir wortlos ums Handgelenk. Ganz erstaunt über diese freundschaftliche Geste, schenke ich ihr auch eins meiner Bänder. Zum Abschied sagt sie mir, dass sie mir ihre Nummer geben würde, wenn sie ein Handy hätte.

Als meine neue Freundin ausgestiegen ist, mitten im nirgendwo, betrachte ich die Kaffeeplantagenberge durchs Fenster. Plötzlich sehe ich eine Gruppe Kinder mit Eimern in der Hand zwischen den Pflanzenreihen. Doch bevor ich es realisiere ist unser Bus auch schon vorbei gerauscht.

Warum arbeiten die Indigenen, denn in Costa Rica und nehmen die Reise und den Grenzüberschreitungskram auf sich, wenn es hier in Panama auch Plantagen gibt?

Annabelle erklärt mir, dass die Arbeitsbedingungen in Costa Rica besser sind, sie mehr verdienen und die Kinder beim Grenzübertritt ohne Impfungen, diese geschenkt bekommen. Außerdem gibt es neuerdings „Casas de la Alegría“ (Häuser der Freude), wo Frauen mit ihren Babys und Kinder betreut werden, während der Rest der Familie arbeitet.

Später finde ich zu meinen Frage Informationen in einem Onlineartikel auf www.crhoy.com:
Insgesamt leben ungefähr 1.500 Indigene der Ngäbe und Buglé in menschenunwürdigen Zuständen in Costa Rica. Der Direktor der Stiftung Centro de Orientación Indígena Candelario Gómez, beschreibt ihre Situation als sehr kritisch: sie erleiden Ausbeutung, Diskriminierung und Fremdenhass.

“El mejor café de Costa Rica llega a Europa, pero nunca se dice cómo se obtuvo, estamos invisibilizados, no tenemos el apoyo de el gobierno tico ni panameño,” explicó Candelario Gómez.

„Der beste Kaffee aus Costa Rica kommt nach Europa, aber es wird nicht erwähnt, wie er gewonnen wird. Wir werden unsichtbar gemacht und bekommen keine Unterstützung, nicht von der costa ricanischen noch der panamenischen Regierung.“, erklärt Candelario Gómez.

Nach einer Studie unterstützt von der Universidad Estatal a Distancia (UNED), der Organización Internacional para las Migraciones (OIM) und Proyecto Los Santos leben 95 % der Ngäble und Buglé Bevölkerung im Raum Los Santos in Armut, während 83 % in extremer Armut leben.

Zu den Gründen für die Migration der Indigenen Bevölkerung aus Panama in diese Zone gehören die geringen Grenzkontrollen bei Los Santos, die Möglichkeit grundlegende Leistungen für Gesundheit und Bildung zu bekommen, die sie in Panama nicht erhalten und der vier bis fünfmal höhere Lohn auf den Plantagen.

Laut Angaben der Banco Central wurden zwischen 2011 und 2012 in Costa Rica 34.000 grenzüberschreitende Gastarbeiter zeitweise für die Kaffee-, Melonen- und Zuckerrohrernte eingestellt. Von den 30.000 Arbeitern, die Kaffee ernten sind 21.000 aus Panama, die Mehrzahl des indigenen Stammes Ngäbes.

Zum Weiterlesen:
Lady Rojas A. : En Costa Rica hay 1.500 indígenas de Panamá viviendo en condiciones infrahumanas, http://www.crhoy.com/en-costa-rica-hay-1-500-indigenas-de-panama-viviendo-en-condiciones-infrahumanas-w6l7x/, (29.02.2016)

BlogNo:19

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