Von Singapur nach Mittelamerika: Flucht für Freiheit

von 15 marleen  


Besucher

Der merkwürdige Mann aus Singapur schleicht schon seit Tagen im Hostel herum. Er passt einfach nicht in das typische Travellerbild und heute konnte ich endlich mehr über seine Geschichte erfahren. Eine Geschichte, die mich wundern lässt, dass er noch mit einem Lächeln vor mir steht. F. ist aus Singapur geflüchtet, da er nicht zum Militärdienst gehen wollte. Eine Pflicht, dessen Verweigerern eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren droht. Zwei seiner Bekannten hatten erfolgreich geschafft das Land zu verlassen. Einer lebt jetzt in Australien und der andere brach sich extra sein Bein, um in Hongkong eine Aufenthaltsgenehmigung als verletzter Flüchtling zu bekommen.

Er versuchte sein Glück in Mexico. Doch dort lehnte man seine Anfrage auf Asyl ab, da 3 Jahre Gefängnisstrafe zu wenig wären, um als Flüchtling akzeptiert zu werden. Also reiste er mit dem Bus durch Guatemala und Honduras, um nach Nicaragua zu gelangen.

Die Menschen in Nicaragua waren ihm freundlicher gesonnen. Ganz im Gegensatz zu den Mücken, die ihn aufs Übelste zerstachen. Sein Bein schwoll und es ging ihm so schlecht, dass er insgesamt 2 Monate dort bleiben musste. Er zeigte mir die braunen vernarbten Flecken, die die Stechviecher überall auf seinem Körper hinterlassen hatten. Nun war er durch die Krankheit länger als sein Visum es erlaubte in Nicaragua und musste deshalb auch noch eine Strafe bezahlen und unverzüglich ausreisen.

In Costa Rica angekommen wurde er an der Grenze ausgeraubt und fand sich dann ziemlich verloren ohne Geld im teuersten Land Mittelamerikas wieder. Doch wie ein Segen in seiner schwierigen Situation traf er auf Menschen, die ihm weiterhalfen und ins Hostel brachten.

Hier wird ihm der Auffenthalt bezahlt, bekommt Essen und außerdem hat er immer nette Menschen vom Hostel und Friedenszentrum um sich, die ihm versuchen zu helfen. Auch, wenn sich die Kommunikation als sehr schwierig gestaltet: er hat diese ganze Odyssee ohne Spanischkenntnisse durchgehalten!

Dafür hat er aber ziemlich viele andere Kenntnisse. Beim gemeinsamen Mittagessen zeigte er mir die Zertifikate seines Studiums: Cambridge. Englischlehrer, Geographie, Naturwissenschaften, Chinesisch, Ernährungswissenschaften. Jedoch ist es unglaublich schwierig für ihn einen Job in Costa Rica zu finden. Seine Familie hat also Geld geliehen, um ihm den Rückflug nach Singapur zu bezahlen. Dort erwarten ihn seine Lieben und 3 Jahre Gefängnis.

Ich fragte ihn, was er tun will, wenn er wieder frei kommt. “Eine Arbeit finden, um meiner Familie das Geld für das Rückflugticket zu bezahlen.”

“Willst du nicht protestieren? Etwas gegen die entwürdigenden Gesetze tun, die friedliche Menschen ihrer Freiheit berauben?”,frage ich naiv.

“Nein. Wir haben keine Meinungsfreiheit. Wenn ich protestiere, komme ich wieder ins Gefängnis.”

Erschreckt hat mich dann, was ich im Internet fand über die Militärfreundschaft zwischen Singapur und Deutschland. Laut Merkel ist Singapur “ein zentraler Standort für die deutsche Wirtschaft (1).” Klar, Singapur macht Großeinkäufe bei der deutschen Rüstungsindustrie. Der kleine Staat hat fast so viele “224 Leopard 2”-Kampfpanzer wie die Bundeswehr, obwohl Deutschland 50 Mal größer ist. Das reiche Singapur gehört zu den zehn größten Waffenimporteuren der Welt (2).

Merkel betonte “ein hohes Maß an Rechtssicherheit” und die “sehr innovative Ausrichtung der Politik” Singapurs. Das seien Gründe, dass “Deutschland und Singapur in Fragen der Forschung und Berufsausbildung eng zusammen arbeiten (1).”

Wie kann Merkel die Politik eines Landes, dass die Menschenrechte missachtet als “innovativ ausgerichtet” bezeichnen? Und was bedeutet diese “Zusammenarbeit in Forschung und Berufsausbildung”?

Quellen:

(1) Artikel der Bundesregierung: Premier von Singapur in Berlin – Partner bei Forschung und Wirtschaft (04.03.2016)

(2) Deutsche Welle: Noch engere Militär-Freundschaft mit Singapur (04.03.2016)

BlogNo:20

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...