10 Gründe warum Staudämme keine "grüne" und "saubere" Energie erzeugen

von 15 marleen  

Wasserkraft wird von Regierungen und Industrie als umweltfreundliche, erneuerbare Energie gepriesen – doch der Bau von Staudämmen ist fast immer ein schwerwiegender Eingriff in die Natur und die Lebensgrundlage der Bevölkerung.

1. Freisetzung von Treibhausgasen
Der brasilianische Klimaforscher Philip Fearnside fand heraus, dass Wasserkraftwerke Methan ausstoßen – ein Gas, das 25-mal stärker zur Erderwärmung beiträgt als CO2. Das Gas entsteht durch die gefluteten Waldflächen, die langsam unter Wasser verwesen. Außerdem hat das Wasser, das über die Turbinen und Wasserüberfälle läuft, einen besonders hohen Methangehalt (1). Im Fall des Belo Monte-Staudamms werden durch die sich zersetzende Biomasse in den ersten 10 Jahren ebenso viel klimawirksame Gase freigesetzt wie die 20-Millionen-Metropole São Paulo im selben Zeitraum ausstößt (2).

Nach einer Studie, beträgt das Methan aus den Stauseen mehr als 4% aller Menschen verursachten Gründe für den Klimawandel - vergleichbar mit der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs (3). In einigen Fällen stoßen Wasserkraftprojekte höhere Emissionen als Kohlekraftwerke aus, die die gleiche Menge Strom erzeugen (4).

Somit ist die Nutzung von Wasserkraft zur Energieerzeugung häufig keine klimaschonende Alternative zur Verbrennung von Kohle oder Erdöl.


Belo Monte Baustelle

2. Beeinträchtigung der kohlenstroffsenkenden Funktion der Flüsse
Flüsse nehmen etwa 200 Millionen Tonnen Kohlenstoff jedes Jahr aus der Atmosphäre auf (5). Darüber hinaus speist der Schlick , den die Flüssen wie der Amazonas, Kongo, Ganges und Mekong ins Meer spühlen, das Plankton, welches große Mengen an Kohlenstoff absorbiert. Wasserkraft-Projekte und Dämme beeinträchtigen die wichtige Rolle der Flüsse als globale Kohlenstoffsenken, indem sie den Transport von Schlamm und Nährstoffen stören.

3. Gefährdung der Stromversogungssicherheit
Staudämme gefährden Wasser- und Energiesysteme, da diese durch den Klimawandel verletzbar sind. Überschwemmungen bedrohen die Sicherheit der Dämme: Allein in den USA haben seit 2010 Überschwemmungen mehr als 100 Dämme zerstört (6). Zugleich steigen die wirtschaftlichen Risiken mit der zunehmenden Häufigkeit von extremen Dürren, welche besonders Länder in Afrika und Brasilien betrafen, dessen größter Teil der Elektrizität von Wasserkraft abhängt.

4. Zerstörung der Ökosysteme
Im Gegensatz zu den meisten Wind-, Solar- und Mikrowasserkraftprojekte, verursachen Dämme schwere und oft irreversible Schäden in Ökosystemen. Die Bauarbeiten zerstören Flora und Fauna. Am Coosa River in Alabama beispielsweise sind durch den Bau von sieben Staudämmen fast 40 Fischarten ausgestorben. Für die zwei Staudämme des Belo Monte-Komplexes in Brasilien musste mehr Erde bewegt werden als für den Bau des Panamakanals! Bauarbeiten im Regenwald sind zudem auch immer Eingangstore für illegale Holzfäller, Viehzüchter und Wilderer (2).

Beim Bau von Staudämmen muss große Flächen Regenwald geflutet werden, während andere Flussteile – oftmals lebenswichtige Wasserwege für die lokale Bevölkerung - teils komplett austrocknen. Ganze Ökosysteme leiden unter dem massiven Eingriff.

Anders als Wind und Sonne ist Wasser eine immer knapper werdende Ressource, mit der wir sparsam umgehen sollten. So müssen auch Flüsse als wichtige und wertvolle Naturräume geschützt werden. Für große Kraftwerke aber wird durch die Stauung von enormen Wassermengen der natürliche Lauf der Flüsse erheblich verändert.

Mehr Dämme zu bauen um die Ökosysteme vor dem Klimawandel zu schützen bedeutet, die Arterien des Planeten zu opfern, um seine Lungen zu schützen (7).

5. Schwerwiegende Folgen für die lokale Bevölkerung und Menschenrechtsverletzungen
Weltweit leben Millionen von Menschen an Flüssen, die sie für Nahrung und Trinkwasser, zum Waschen und für den Transport von Waren aller Art nutzen. Wird ihr Fluss umgeleitet oder gestaut, verlieren die Menschen einen wichtigen Teil ihrer Lebensquelle. Große Wasserkraftprojekte haben demnach schwerwiegende Auswirkungen auf die lokalen Bewohner und verletzen oft die Rechte der indigenen Völker auf ihr Land, geschützte Territorien und Ressourcen.


vom Bau Betroffene sind häufig Indigene Völker

Häufig wird bei Großprojekten dieser Art sogar gegen eine ganze Reihe von nationalen und internationalen Gesetzen verstoßen. In Bezug auf die betroffene indigene Bevölkerung bildet die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation wohl die wichtigste rechtliche Grundlage. Die „Konvention über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ verpflichtet Regierungen und andere staatliche Einrichtungen, Ureinwohner an Projekten, die sie direkt betreffen, vorab zu befragen. Sie müssen zudem an der Entscheidungsfindung und Ausgestaltung beteiligt sein. Das bedeutet im Fall von Staudämmen auch, dass die betroffenen indigenen Gruppen über die Baudetails in ihrer eigenen Sprache und auf verständliche Weise informiert und um ihre Zustimmung gebeten werden müssen (2). Weltweit gibt es aber zahlreiche Beispiele, bei denen die Firmen diese Verpflichtungen vollkommen ignoriert haben: Das Staudammprojekt Agua Zarcas in Honduras ist eins davon.

Staudämme vertrieben mindestens 40-80 Millionen Menschen (8) und wirken sich negativ auf schätzungsweise 472 Millionen Menschen (9) aus, die stromabwärts leben. Die angebotenen Alternativen sind meist von deutlich geringerem Wert, Entschädigungen gibt es kaum.

Der Widerstand der Gemeinden, die von negativen Folgen der Staudämmen betroffenen sind, wird oft brutal verfolgt und impliziert ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen. Wie zum Beispiel beim Widerstand des indigenen Lencavolkes aus Honduras, dessen Sprecher sogar ermordet wurden.


Belo Monte Baustelle

6. Bergbau- und Industrieprojekten profitieren anstatt die arme Bevölkerung
Große Wasserkraft-Projekte sind nicht immer ein wirksames Instrument, um den Energiezugang für arme Menschen zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Wind-, Solar- und Mikrowasserkraft, hängen große Staudämme von den zentralen Stromnetzen ab. Diese sind weder kostengünstig noch effektiv von der Landbevölkerung erreichbar (10). Große Wasserkraftprojekte werden oft gebaut, um die Anforderungen von Bergbau- und Industrieprojekte gerecht zu werden. Trotzdem behaupten die verantwortlichen Politiker und Baufirmen, dass die Energie für die Armen bestimmt sei.

7. nicht kosten- und zeiteffektiv
Selbst wenn sie eine gute Lösung wären um die Klimakrise zu begegnen, sind große Wasserkraft-Projekte ein teurer und zeitraubender Weg. Im Durchschnitt weisen die Erbauungen von Staudämmen Kostenüberschreitungen von 96% und Zeitüberschreitungen von 44% auf (11). Im Vergleich dazu können Wind- und Solarprojekte schneller gebaut werden und erleben durchschnittlichen Kostenüberschreitungen von weniger als 10% (12).


Baustelle

8. kaum innovativ
Im Gegensatz zu Wind- und Solarenergie, ist Wasserkraft nicht mehr eine innovative Technologie und hat keinen größeren technischen Durchbruch in den letzten Jahrzehnten gesehen. Anders als bei der Solarenergie, fördern Klimafinanzierungen für große Wasserkraftprojekte keine Übertragungen neuer Technologien auf südliche Ländern, sondern bringen nicht mehr als weitere Skaleneffekte.

9. nicht wettbewerbsfähig
Wind und Solarenergie sind bereits verfügbar und finanziell wettbewerbsfähig (13). Sie haben Wasserkraft beim Hinzufügen neuer Kapazität überholt. Während die Stromnetzte besser werden und die Kosten der Batteriespeicher sinken, werden neue Wasserkraft-Projekte nicht mehr als erneuerbare Energiequelle erforderlich sein.

10. Bremse für reale Klimalösungen
Wasserkraft-Projekte profitieren stark von finanziellen Klimaschutzmaßnahmen, wie Emissionsgutschriften im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM), Kredite von der Weltbank Climate Investment Funds und besonderen finanziellen Bedingungen von Exportkreditagenturen und grünen Anleihen. Die Dammindustrie setzt sich für große Wasserkraftprojekte ein, die durch diesen Green Climate Fund finanziert werden. Viele Regierungen lassen Dämme bauen als Antwort auf den Klimawandel (2).

Sie bilden derzeit 26% aller Projekte, die mit dem Clean Development Mechanism (CDM) registriert wurden. Dieser "flexibele Mechanismus" entstand im Rahmen des UN -Kyoto Protokolls (14).

Während Wasserkraftprojekte erhebliche Unterstützung aus Klimainitiativen erhalten, verdrängen sie Unterstützung für echte Lösungen wie Wind-, Solar- und Mikrowasserkraft und schaffen die Illusion, sie wären klimafreundlich. Wasserkraft als eine Klimainitiative zu preisen ist falsch und lenkt von der Notwendigkeit ab zusätzliche reale Klimalösungen zu finden (2)!


Was kann ich tun?
Informiere Dich bei Deinem Stromanbieter, woher die verkaufte Energie genau kommt. Denn Wasserkraft stellt mit rund 16 Prozent weltweit die drittwichtigste Stromquelle (nach Kohle und Erdgas) dar (http://wdi.worldbank.org/table/3.7). Natürlich ist nicht jedes Kraftwerk so schädlich wie ein Riesenstaudamm am Mekong, aber jeder Anbieter sollte genauere Informationen über seine Quellen herausgeben können. Hier eine Auflistung der bundesweiten Ökostromanbieter: https://www.test.de/Strom-Der-Wechsel-lohnt-1132700-0/

Mache Druck bei den europäischen Unternehmen wie Siemens, das durch das Joint Venture Voith Hydro Turbinen für Megadämme wie Belo Monte in Brasilien und Agua Zarca in Honduras liefert und unterschreibe die Petition: https://www.oxfam.de/mitmachen/aktionen/siemens-staudamm-stoppen?op_re=5QV8krhC7vVC3i2S


























Quellen:
(1) FEARNSIDE, Philip M.: O Novo EIA-RIMA da Hidrelétrica de Belo Monte: Justificativas Goela Abaixo. In: ACSELRAD, Henri et al. (2009): Painel de especialistas. Análise Crítica do Estudo de Impacto Ambiental do Aproveitamento Hidrelétrico de Belo Monte. Belém, Brasilien.

(2) Retten den Regenwald e.V: "Wasserkraft / Staudämme",(05.04.2016)

(3) Ivan B. T. Lima, Fernando M. Ramos, Luis A. W. Bambace, Reinaldo R. Rosa: "Methane Emissions from Large Dams as Renewable Energy Resources: A Developing Nation Perspective", (05.04.2016)

(4) International Rivers: "Dirty Hydro: Dams and Greenhouse Gas Emissions", (05.04.2016)

(5) Woods Hole Oceanographic Institution: "How rivers regulate global carbon cycle.", ScienceDaily. ScienceDaily, 13 May 2015 (05.04.2016)

(6) Ron Nixon: "Human Cost Rises as Old Bridges, Dams and Roads Go Unrepaired", (05.04.2016)

(7) International Rivers: "10 Reasons Why Climate Initiatives Should Not Include Large Hydropower Projects", (05.04.2016)

(8) DAMS AND DEVELOPMENT, A NEW FRAMEWORK FOR DECISION-MAKING, THE REPORT OF THE WORLD COMMISSION ON DAMS, Earthscan Publications Ltd, London and Sterling, VA (05.04.2016)

(9) Richter, B.D.;Postel, S.; Revenga, C.;Scudder, T.; Lehner, B.;Churchill, A. and Chow, M. 2010. "Lost in development’s shadow: The downstream human consequences of dams, Water Alternatives", (05.04.2016) (10)International Rivers: "Infrastructure for Whom?", (05.04.2016)

(11) Ansar, Atif and Flyvbjerg, Bent and Budzier, Alexander and Lunn, Daniel: "Should We Build More Large Dams? The Actual Costs of Hydropower Megaproject Development", (March 10, 2014). Energy Policy, March 2014, pp.1-14, (05.04.2016)

(12) Benjamin K. Sovacool, Alex Gilbert, Daniel Nugent: "An international comparative assessment of construction cost overruns for electricity infrastructure", (05.04.2016)

(13) International Rivers: "Designing Low Carbon Electricity Futures for African and Other Developing Countries", (05.04.2016)

(14) The Guardian: , "What is the Clean Development Mechanism (CDM)?, (05.04.2016)

Bilder: Lalo de Almeida/Folhapress

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