Neu in Guinea

von 16 antonia  



Vor gut drei Wochen bin ich angekommen in Nueva Guinea und damit auch ein wenig in einer neuen Welt. Schon auf dem Weg von Managua machte ich Bekanntschaft mit einem Phänomen, das sehr typisch für Nicaragua ist: dem Straßenverkauf.

An jeder Haltestelle hastete kurz eine Gruppe von HändlerInnen herein, die Wasser, Obst, Hühnchen, Chips und Reisezahnbürsten, aber auch dubiose Medikamente verkauften. Sie überboten sich gegenseitig darin, ihre Produkte so schnell und laut wie möglich anzupreisen. Auch in der Stadt sieht man fast täglich jemanden, der Essen aus einer Schüssel auf dem Kopf verkaufend, durch die Straßen zieht und so sein Geld verdient.

Aber zurück zu Nueva Guinea, wo anfangs so viele Sachen neu waren und einige es auch noch sind. Natürlich die Menschen, die dort leben und von denen ich bis jetzt auch nur einen kleinen Bruchteil kenne. Für viele werde ich einfach fremd bleiben, auch nach einem Jahr. Die Fremdheit werde ich nicht ganz abschütteln können. Sie steht mir zuweilen rot auf weiß mit Sonnenbrand ins Gesicht geschrieben, hängt in den helleren Haaren. Oder sie offenbart sich in der völligen Unfähigkeit seinem Gegenüber zum dritten Mal mit etwas anderen als einem entschuldigenden Blick und „Otra vez por favor?“ zu antworten. Ich frage mich, inwieweit sich das Fremdsein nach einer längeren Zeitspanne hier verliert.



Der Arbeitsweg zur Finca de la Esperanzita führt über steile steinige Straßen, die einen auf dem Fahrrad nach allen Regeln der Kunst durchrütteln. Den ersten Arbeitstag im Agroforst der Esperanzita haben wir damit verbracht Pejibayes zu ernten. Pejibayes sind kleine Früchte, die wegen ihrer glänzenden grün bis hellorangen Schale aussehen, als wären sie Teil der Sammlung eines passionierten Plastikobstsammlers. Keine ganz einfache Angelegenheit sie zu ernten, der Lennard (inzwischen ein aufstrebender Pejibayeernter) deshalb einen Blogbeitrag gewidmet hat.

Es gibt viel zu lernen, viele Bezeichnungen für Pflanzen, Orte oder andere Dinge. Pejibaye, biriba, pithaya, guayaba oder guanábana; chile, chilote, achiote, ayote, chayote; polí und palí auseinanderzuhalten, ohne sich dabei die ohnehin schon sprachüberforderte Zunge zu verknoten, ist nicht immer einfach.

An manchen Ecken bildet die Nueva Guinea mit seinen staubigen Straßen und grauen Betonbauten einen krassen Gegensatz zur Ruhe im Wald zwischen den Schatten und etwas Kühle spendenden Bäumen. In der Stadt findet man kleine hüttenartige Häuser aus Brettern und Wellblech, aber auch Bauten, deren verzierte Säulen aussehen, als würden sie aus der gleichen bunten Zuckermasse bestehen wie die Torten hier. Straßennamen gibt es nicht wirklich. Adressen werden mit dem nahsten markanten Gebäude und dessen Entfernung vom eigenen Haus angegeben, beispielsweise „zwei Blocks von der Kirche nach Norden“.

Müll sammelt sich wie Strandgut neben milchig-weißen Rinnsalen aus Waschwasser an den Straßenrändern. Pferde werden so selbstverständlich als Fortbewegungsmittel genutzt wie Fahrräder. Taxis übertreffen bei weitem die Anzahl der normalen Autos hier und übernehmen gleichzeitig die Funktion von innerstädtischen Bussen. Busse gibt es auch, meistens ausrangierte Schulbusse aus „Gringolandia“, den USA.

Pick-ups kurven mit auf die Ladefläche geschnallten Lautsprechern durch die Straßen und verkünden nach einem „Attentción, mucha attención!“ wahlweise Todes- oder Werbeanzeigen.



Immer wieder sieht man auch Wahlplakate, die bis auf ihren Inhalt auch einen Bollywood-Film bewerben könnten. Die Regierung nutzt alle Farben, sodass man zumindest optisch gesehen gar nicht gegen sie sein kann. Im Park in der Stadtmitte hat man passend zur kommenden Wahl sogar die Palmen bunt angestrichen.

Von Anfang an wurden wir oft von Leuten auf der Straße gegrüßt, inzwischen kenne ich auch manchmal einige von ihnen. Ich bin vielleicht schon etwas weniger fremd und nicht mehr ganz neu, in Guinea.

BlogNo:01

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