Verurteilte Vorurteile

von 16 tabea  

Alex und ich kommen grade von unserem Einkauf aus diesem Monstrum von Supermarkt in Nicoya und befinden uns auf dem Rückweg nach Fedeagua. Wir betreten den Bus, zahlen und finden, wie so oft keinen Sitzplatz. Dann eben stehen. Der Einkauf wiegt schwer auf unseren Schultern, nicht alles hat in die Rucksäcke gepasst.

Da stehen wir also im Gang, als eine Gruppe Jugendlicher neben uns in den Sitzreihen zu tuscheln beginnt. Sie übersehen die Möglichkeit, dass wir sie verstehen könnten (und das tue ich) und machen sich ziemlich laut über uns lustig.

Hauptsächlich geht es um Alex, der nicht nur schulterlange Haare hat, sondern diese auch noch in einen Zopf zusammengebunden hat. Sie erklären ihn prompt für schwul - ganz logisch. Ich muss innerlich lachen, aber irgendwie versetzt es mir auch einen Stich. Die Situation kommt mir zu absurd vor um sie wirklich ernst zu nehmen. Ich verstehe nicht viel, aber es werden so einige Klischees herausgeholt, die es über Deutsche gibt. Nicht zuletzt legen sie zwei Finger über die Oberlippe und erzählen etwas von Sieg Heil. Irgendwie kann ich gar nicht fassen was hier passiert. Alex und ich schauen uns nur immer wieder ungläubig an.

Ich realisiere, dass wir wirklich fremd sind. Denken alle Menschen hier so von uns? Ich glaube es nicht und ich beschließe es niemandem übel zu nehmen. Letztendlich können diese Menschen nichts dafür, wer weiß was für Erfahrungen sie gemacht haben und ertappt man sich nicht manchmal selbst dabei, Vorurteile über eine bestimmte Person zu haben? Und wieso diesen Menschen nicht den Spaß gönnen.

Als der Bus an der Pforte zu Fedeagua hält und klar wird, dass wir hier aussteigen, geht das Gekicher von Neuem los. Irgendwie verletzt es mich nicht, ganz im Gegenteil, ich sehe es als Herausforderung, Menschen hier kennen zu lernen und ihnen das Gegenteil zu beweisen und ich habe noch einmal mehr Motivation dieses Land kennenzulernen, Teil davon zu werden, nicht mehr fremd zu sein.

Kurz bevor ich den Bus verlasse drehe ich mich noch einmal um und schenke der Gruppe mein ehrlichstes und schönstes Lächeln. Ich verabschiede mich und wünsche ihnen noch einen schönen Tag. Sie verstummen, schauen ein wenig betroffen.
Wir steigen aus und jetzt kichere auch ich.

BlogNo:03

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