Ein Anfang, der auch ein Ende ist

von 16 alex  

„Ein Ende das auch ein Anfang ist“ mit diesen Worten wurden wir vor mehr als drei Monaten, nach dreizehn Jahren, von der Schule verabschiedet. Unweigerlich erinnert fühlte ich mich an diese Worte, als wir nach den ersten zwei Wochen im Korridor zu unseren Projekten aufbrachen. Wieder ging etwas zu Ende, was gleichzeitig der Beginn von etwas Neuem war.

Endlich würden wir unsere Projekte kennen lernen, wissen in was wir ein Jahr lang all unsere Engerie stecken und etwas haben womit wir uns identifizieren können. Ich realisierte, dass die Zeit, wie wir sie im Korridor zusammen mit allen verbracht hatten, zu Ende ging. Zwar würde ich auch in meinem Projekt nicht allein sein, aber es ist doch ein großer Unterschied ob man zu zweit oder zu fünf-zehnt ist.

Um acht Uhr wurden wir nach Tarcoles zur Bushaltestelle gebracht, um auf den Bus nach San José zu warteten. Denn obwohl unsere Einsatzstelle in Guanacaste und damit nordwestlich von dort lag, mussten wir den Umweg über San José machen.

Als nach etwa einer halbe Stunde die Abfahrtszeit erreicht war, wurden wir schon ein bisschen nervös bei jedem Bus der an uns vorbei fuhr. Noch etwa fünfzehn Minuten später fragten wir dann nebenstehende Costaricaner, die uns sagten, dass der Bus bereits vorbei gefahren sei und wohl nicht gehalten hätte weil er überfüllt gewesen sei. Kein Problem, in 20 Minuten fährt der nächste! Und tatsächlich nach ca. zwei Stunden Fahrt erreichten wir die Hauptstadt, wo wir nach kurzer Rast dann wiederum in Richtung Guanacaste aufbrachen.

Erst im dunkeln, nach etwa vier Stunden Fahrt, erreichten wir unser Ziel direkt am Highway. Der Busfahrer kannte, zu unserem Glück, die Organisation und so wurden wir direkt vor dem Schild mit der Inschrift „FEDEAGUA“ in die Dunkelheit entlassen. Müde erhielten wir gleich darauf eine Einführung in die Arbeit der Organisation. Sehr schwer konnten wir der Erzählung, die in einem rasanten, spanischen Fluss auf uns einging, folgen. Doch ich verstand erstaunlicherweise viel mehr als ich erwartet hatte, nur Fragen konnte ich keine stellen. 

In der Küche und neben den Zimmern waren mehre Zitate an die Wand gemalt, wie auch deren Verfasser. Bei einem blieb ich beeindruckt stehen „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht“. Einige Jahre hatte dieses Zitat von Berthold Brecht unser Klassenzimmer geschmückt, und jetzt komme ich ausgerechnet in die Einsatzstelle, in der genau dieses Zitat an der Flurwand steht. Was für ein Zufall! Ich hatte ja schon gehört, dass die Organisation etwas sozialistisch sein soll, aber damit hatte ich nicht gerechnet. 

Stück für Stück begannen wir Zimmer und Küche für uns zu entdecken. Das hieß vor allem Aufräumen und Putzen, denn in den Wochen zuvor hatte hier wohl niemand gewohnt und die sich im Haus aufhaltenden Fledermäuse hatten sich hier ungestört einrichten können. Was wiederum bedeutete, dass wir erst einmal damit beschäftigt waren Fledermauskot aus unseren Zimmern zu entfernen. Danach kam die Toilette an die Reihe, man hatte uns schon vor der „dreckigsten Toilette ganz Costa Ricas“ gewarnt! Aber ganz so schlimm war es dann doch nicht (für costaricanische Verhältnisse wohl eher moderat), ungeputzt wollten wir sie dann aber auch nicht lassen. Denn direkt neben dieser Toilette befand sich unsere Dusche, in der wir die Bekanntschaft mit den hiesigen Geißelspinnen machten.

Also gingen wir erst mal Einkaufen, Putzmittel und natürlich etwas zu Essen, das wir uns durch den Umstand, dass wir Selbstversorger sind, glücklicherweise selbst aussuchen können, es also nicht unbedingt jeden Tag Reis mit Bohnen geben muss. Dazu nahmen wir den Bus nach Nicoya, der tatsächlich nach bestimmten Fahrzeiten fuhr, nur war das nirgends ersichtlich, aber „Fedeagua“ war ja auch keine „offizielle“ Bushaltestelle.  

In Nicoya, einer nicht weit entfernten ehemaligen Kolonialstadt mit ca. 25 000 Einwohnern, kämpften wir uns mit zwei Reiserucksäcken durch die lokale Gemüsetheke. Die Leute meinten wohl wir würden uns auf einen bevorstehenden Krieg vorbereiten, dabei gibt es in Costa Rica ja nicht einmal ein Militär.

Zufrieden darüber, wieder zurück gefunden zu haben, breiteten wir unsere Einkäufe in der Küche aus, denn der Schrank war viel zu dreckig um irgendetwas darin aufzubewahren. Also ließen wir die Sachen auf dem Tisch stehen, die nicht unbedingt in den Kühlschrank mussten. Keine gute Idee, denn am nächsten Morgen waren die Toast-Tüten angefressen. Auch das mussten wir lernen, einfach nichts herumstehen zu lassen. Kein Essen, egal wie viel Plastik darum herum ist, kein Bioabfall. Einfach gar keine Möglichkeit bieten, für Tiere etwas Essbares zu finden.


Guckt doch nicht so - die Mantelbrüllaffen.

Der gemeine Schwarzleguan.

Neben Fledermäusen gibt es hier auch Ameisen, Geckos, Moskitos und Küchenschaben. Und natürlich die Ratten die man nachts immer rumpeln und quietschen hört. In den Tagen danach kamen dann noch ein seltsames Geräusch dazu, was wir überhaupt nicht kannten, die lokale Gruppe von Mantelbrüllaffen (Alouatta palliata) stattete uns, und seither regelmäßig, einen Besuch ab. Auch einige Bunthörnchen (Sciurus variegatoides) tollen fast immer irgendwo ums Haus herum. Und schließlich war da noch das knarrende, fast schon kratzende Geräusch auf dem Dach der Küche, dessen Ursache ich erst nach einiger Zeit verifizieren konnte; als ich eines Tages etwas großes in einem ca. 2 m hohen Busch bewegte. Ich traute meinen Augen kaum: eine ca. 50 cm lange Echse, saß dort und stopfte grüne Blätter in sich hinein. Sie ließ sich auch nicht stören als noch etwa 10 m von ihr entfernt war. Erst als ich mit der Kamera ankam, huschte sie zum nächsten Baum, typisch dachte ich. Doch dort gelangen mit einige gute Bilder mit denen ich das Tier als den Gemeinen Schwarzleguan (Ctenosaura similis) identifizieren konnte.

An dieses Zusammenleben muss man sich erst gewöhnen, zu Beginn kommt einem alles fremd vor, jedes Geräusch, jedes rumpeln. Sogar die Gewitter wirken etwas gefährlicher, sind lauter und heftiger. Man nimmt jeden noch so kleinen Unterschied deutlich wahr, sodass man kaum hinterher kommt, die Eindrücke auch zu verarbeiten. Aber mit der Zeit, und die beginnt schon mit dem zweiten Mal, gewöhnt man sich auch immer mehr an die neue Umgebung. Das Gewöhnen und Vertrautmachen kommt einem zu Beginn wie ein unendlich langer und schwieriger Prozess vor, verläuft dann aber unheimlich schnell, so schnell das man es wiederum kaum fassen kann.

Ich fühle mich an die Worte meiner Großmutter erinnert: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“.

BlogNo:02

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