Machismo 1.0

von 16 tabea  

Kürzlich habe ich zum ersten Mal ein Bild davon bekommen, was man von deutschen weiblichen Freiwilligen denken kann. Langsam setzt sich alles zusammen; was für ein Mensch bin ich für (vielleicht) einen Großteil der Organisation und wahrscheinlich auch den Rest von Guanacaste.

An dem Tag kam der Chef der Chefs, wenn man so will, eines Gesprächs mit William (unser Koordinator) wegen. Esteban, Alex und ich waren grade dabei, alte Zeitungen (alle, seit ungefähr 2000!) in Estebans Auto zu laden. Natürlich kam er nicht umher auch uns zu begrüßen, wobei, was heißt uns, eigentlich hauptsächlich Alex, könnte man sagen. An mich wandte er sich tatsächlich auch, mit der anteilnahmslosen Frage, wie ich mich denn fühle, ob ich denn schon Heimweh hätte.

Das dem nicht so sei, wird mit einem gekonnt misstrauischen Blick erwidert. „Ach nein?“ scheint er zu fragen, „wird wohl nicht mehr lange dauern“.

In meinem Kopf setzt sich ein Bild zusammen, durchaus nachvollziehbar, durch mich nicht verurteilbar, ein Bild von mir, einem kleinen, zierlichen Mädchen, das sich naiverweise gedacht hat, die Welt zu retten, helfen, ja, „arbeiten“ zu wollen. Deutsch, weinerlich, ein Mädchen eben.

Für einen kurzen Augenblick, habe ich Einblick in die Verachtung dieses Wortes „Mädchen“. In die Bedeutung dieses Wortes. Suggeriert mit Schwäche, Wehleidigkeit, Abhängigkeit, vielleicht sogar Nutzlosigkeit, an einem Ort wie diesem.

Sein Blick ist gespielt freundlich, aber seine Augen sind mehr als deutlich. Wir brauchen dich nicht, Mädchen, geh nach Hause und spiel mit deinen Puppen, mach dich lieber nicht schmutzig.

Ist es nicht das, was mich so interessiert hat, war ich nicht so gespannt darauf, wie sich der Machismo äußert? Und jetzt stehe ich da und merke wie es sich anfühlt. Wie es sich anfühlen kann Mädchen zu sein. Es ist ein sehr negatives und besitzergreifendes Gefühl, ich merke, wenn ich es ließe, könnte es sich in mich fressen, sehr tief und auf sehr unangenehme Weise.

Aber ich lasse es nicht. Es war meine Entscheidung hier her zu kommen, und ich bereue sie nicht. Bereue nichts, und schon gar nicht, Frau zu sein.

Ich lasse mir nichts anmerken, von dem was sich in meinem Kopf abspielt, jetzt bloß keine Schwäche zeigen. Ich plaudere kurz noch weiter, dann drehe ich mich um und nehme einen weiteren Stapel Zeitungen, einen sehr großen, größer noch als die, die Alex oder Esteban tragen und lade ihn, so leichtfertig es eben geht, in den Kofferraum des Autos. Und dann noch einen Stapel und noch einen, ich höre nicht auf zu arbeiten, immer bemüht mindestens genauso viel wie alle anderen zu tragen, was mir erstaunlich leicht fällt.

Ich setze ein unübersehbares Statement: Ich habe keine Zeit zu plaudern, ich bin hier um zu arbeiten. Ich bin eine ganze Arbeitskraft. Ich bin nützlich, so wie jeder andere hier. Und ich bin stark, nicht obwohl, sondern weil ich eine Frau bin.

Ich hoffe, das etwas von all dem hängen geblieben ist, das irgendetwas, wie klein es noch sei, bewegt wurde im Kopf, besser noch Herzen des Chefs der Chefs. Ich werde nicht aufhören, denn ich weiß was es bedeutet respektiert zu werden und ich bin nicht hier um das aufzugeben.
Ich weiß, dass ich es kann: in kleinen Schritten, kleinen Gesten, das Weltbild der Menschen zum Guten verändern. Und das ist mein Ziel, meine Motivation und Herausforderung. Es ist wie der Samen der Bäume die wir sähen. Ich pflanze ihn, bringe ihn womöglich zum keimen.

Ich bin froh, all das zu erleben, Positives wie Negatives, denn alle Erfahrungen die ich sammele, spiegeln das Leben, das meine und das der anderen und ich wachse daran, wie auch die anderen.

Es ist die gemeinsame Schnittstelle unserer Leben, in der sich Dinge vollziehen, die eine bestimmte Wirkung haben auf uns. Unterschiedliche Wirkung mit unterschiedlicher Folge, und ich werde alles dafür tun, dass es eine gute ist.

BlogNo:04

1 Kommentar

Kommentar von: Luisa [Besucher]

Liebe Tabea,

Einen Samen zu pflanzen in den Menschen, war auch immer meine Idee, meine Reaktion auf die Ohnmächtigkeit, die man manchmal verspürt angesichts der Realität. Etwas zu bewegen, einfach Leute zum denken zu bringen. Ich finde es schön, dass du dasselbe denkst wie ich und vor allem dasselbe Bild verwendest.

Doch der Machismus (in Nicaragua,meinem Einsatzort) hat Spuren hinterlassen an mir und Spuren, die ich nicht mehr wegwischen kann. Es sollte nicht dazukommen, dass wir uns als Mädchen so fühlen wie du es beschreibst und doch passiert es.( Auch in Deutschland) Deine Reaktion ist ein Weg damit umzugehen und das finde ich gut. Am schönsten finde ich den Satz, dass du weisst wie es sich anfühlt respektiert zu werden.

Alles Liebe und Danke für deine Worte,
Luisa


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