Welcome to the real world! Die Party ist vorbei Leute…

von 16 sabrina  

Vielleicht tut es weh, aber es muss gesagt werden. Wir leben in einem System, das darauf ausgelegt ist zu kollabieren. Wachstum hier, Wachstum da, Wachstum trallala. Klingelt da was? Es gibt wohl keine Rede eines Regierungsoberhauptes, in dem das Wort Wachstum im wirtschaftlichen Sinne nicht mindestens einmal fällt (für die Kowis unter euch: nein, hab das noch nicht inhaltsanalytisch nachweisen können, aber wäre doch eine Idee für 'ne Abschlussarbeit?). Es ist schon so selbstverständlich geworden, dass uns gar nicht mehr auffällt wie abartig das eigentlich ist.

Lasst mich das mal genauer erklären; es ist nämlich sowas von banal, dass jeder es verstehen kann. Sogar diejenigen, denen innerhalb eines 6-semestrigen Wirtschaftswissenschaftsbachelors eingebläut wurde, dass Gewinnmaximierung der einzig wahre Weg ist (haha ja, in den Abgrund nämlich).

Notwendige Bedingung: Unseren Kindern und Kindeskindern ein Leben auf der Erde ermöglichen.

Erste Erkenntnis: F**** the System. (Excuse my French). Es verhält sich so: Möchte ein Unternehmen eine rentable Investition tätigen, nimmt es in der Regel einen Kredit auf. Die Bank verleiht dieses im Übrigen virtuelle Geld unter einem gewissen Zinssatz. Alleine die Tatsache, dass das Unternehmen diesen Zins wieder ausgleichen muss, zwingt es Gewinne zu erwirtschaften und zu wachsen.

Zweite Erkenntnis: Globales Wirtschaftswachstum existiert in der Form wie wir es kennen erst seit Ende des zweiten Weltkrieges (Quelle: Wachstum was nun?, arte). Das ist wohl die längste, abartigste und größte Party aller Zeiten. Warum also denken wir, das sei der absolute Normalzustand? Wir lassen doch auch nicht jede Woche 'ne Project-X Party steigen?

Dritte Erkenntnis: Nun, wir leben auf einem Planeten, dessen Ressourcen endlich sind. Fossile Brennstoffe und Nutzflächen werden in perversem Ausmaß ausgebeutet.

Vierte Erkenntnis: Wir haben noch keine zweite Erde gefunden, geschweige denn eine Möglichkeit auf dem Mars zu leben. Und selbst wenn es so wäre, hätten wir womöglich nicht mal genug Treibstoff, um dorthin zu kommen, weil wir den nämlich schon verbraucht haben.

Und jetzt die fünfte und wichtigste Erkenntnis: Wir bewegen uns in einem System, das uns auf Kurz oder Lang selbst zerstört. Wir prassen mit natürlichen Ressourcen in der Gegend herum, als wären wir 50 Cent zu seinen besten Zeiten (vgl. dazu: "P.I.M.P"). Quod erat demonstrandum: System Error.

Ich weiß, das fühlt sich jetzt an wie ein Kater nach zu viel Alkohol, aber die bittere Wahrheit ist, dass jeder von uns da drinhängt. Wir haben langweilige Jobs in Firmen, die jährlich mindestens 3% wachsen wollen, wir konsumieren die Produkte dieser Unternehmen und nehmen dafür wiederum Kredite auf, weil wir denken der CLS 63 mit AMG-Felgen, die Louis Vuitton Monogram Canvas Speedy 25 und der Kurztrip nach Las Vegas (je nach Geldbeutel) wären die Erfüllung unseres menschlichen Daseins. Aha. Und was sagen wir unseren Kindern nachher mal? "Oops, tut mir leid, dass du dein Leben jetzt auf einem kontaminierten Planeten verbringen musst, aber ich sterbe ja bald und außerdem musste ich die Felgen einfach haben!" WTF?!

Befreit euch in diesem Sinne auch gleich von der Illusion: "Aber es gibt doch nachhaltiges Wachstum!" Nein, das gibt es nicht das sind nur lebenserhaltende Maßnahmen, die den Tod lediglich hinauszögern (siehe Erkenntnis 1-5).


Degrowth statt Growth

Da Gott aber gut ist, wurde die Menschheit mit Verstand ausgestattet. Einige haben ihn sogar schon genutzt und eine brillante Aspirin gegen unsere eigene Zerstörung entwickelt: die Postwachstumsgesellschaft zu englisch auch „Degrowth“. Das holistische Paradigma wird von der Degrowth Conference Budapest 2016 folgendermaßen umrahmt (Achtung jetzt kommt eine laaange und sehr wichtige Definition: “Generally degrowth challenges the hegemony of growth and calls for a democratically led redistributive downscaling of production and consumption in industrialised countries as a means to achieve environmental sustainability, social justice and well-being. Although integrating bioeconomics and ecological macroeconomics, degrowth is a noneconomic concept. On the one hand, degrowth is the reduction of energy and material throughput, needed in order to face the existing biophysical constraints (in terms of natural resources and ecosystem’s assimilative capacity). On the other, degrowth is an attempt to challenge the omnipresence of market-based relations in society and the growth-based roots of the social imaginary replacing them by the idea of frugal abundance. It is also a call for deeper democracy, applied to issues which lie outside the mainstream democratic domain, like technology. Finally, Degrowth implies an equitable redistribution of wealth within and across the Global North and South, as well as between present and future generations.”


Back to the roots.

Kurz zusammengefasst ist Degrowth eine Spielwiese, um all unsere gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Das Ganze hat allerdings einen Haken – wir müssen lernen, uns einzuschränken und zu verzichten. Für mich persönlich heißt das auch in die Vergangenheit unserer großelterlichen Generation einzutauchen, denn die wussten mit wenig umzugehen, weil es einfach nicht viel gab! Was uns das Leben heute schwer macht, ist, dass wir die Wahl haben zwischen Viel und Wenig. Ich weiß es ist absolut unvorstellbar, aber unsere Großeltern haben ihre Kleidung geflickt, wenn sie ein Loch hatten, sie haben sich ihr eigenes Gemüse angebaut, oft eigene Nutztiere gezogen und regionale Waren von Handwerkern gekauft (Quelle: Erzählungen meiner Oma). Natürlich können wir nicht zurück, aber wir können versuchen das, was für unsere Großelterngeneration selbstverständlich war, für unsere Zukunft anzuwenden.

Wir entscheiden darüber wie wir uns die Zukunft malen wollen. Womöglich keimt in einigen der Gedanke auf, dass doch alles die Schuld der Politik ist. Und ja, das ist es, weil wir nämlich nicht wählen gehen oder die „falsche“ Wahl treffen. Sie sind zwar schwer zu finden, trotzdem soll es sie tatsächlich geben, die Politiker à la Bernie Sander, die nicht gekauft sind von der Industrie. Das erfordert von unserer Seite allerdings einen wachen Verstand, Aufmerksamkeit und Interesse nach genau solchen Politikern Ausschau zu halten.

Zeit für eine System-(R)evolution! Wenn wir also unseren Konsum- und unser politisches Wahlverhalten darauf einstellen, dass wir nur eine Erde haben, dann haben wir die Möglichkeit zwar mit weniger (ohne Louis Vuitton und Superfood aus Südamerika), dafür aber glücklicher zu leben. Die logische Konsequenz aus weniger Konsum ist nämlich auch, dass wir keine Jobs mehr machen müssten, die wir zwar nicht mögen, aber viel Geld bringen. Stattdessen könnten wir dem nachgehen, was wir lieben. Das klingt doch nach der besten Party aller Zeiten, oder etwa nicht?

BlogNo:05

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