Holy shit! oder Die erstaunliche Exzellenz des Exkrements

von 16 antonia  

Scheiße, mierda, merde, shit - auch wenn das Wortfeld Fäkalien favorisiert zum Fluchen gebraucht wird, taugen Ausscheidungen normalerweise nicht als gutes Gesprächsthema. Es handelt sich schlichtweg um Angelegenheiten, die besser auf dem stillen Örtchen abgewickelt werden. Dass aber eben das, was wir oft als Abfall betrachten wörtlich und übertragenen Sinne Gold wert sein kann, entfällt uns häufig.

Man kann es nicht leugnen: unsere Arbeit auf der Finca de La Esperanzita hatte von Anfang an auch mit Fäkalien zu tun, präziser gesagt Schafscheiße, die einmal im Stall verteilt auch irgendwie wieder entfernt werden muss. Aber eines schönen Fincatages erweitern Laura, eine andere Freiwillige und ich unseren Arbeitsbereich diesbezüglich und holen Kuhmist als Basis für die Herstellung von Lombrihumus (=Wurmdünger).









Nachdem Laura den Bauern gegenüber mit einem freundlichen Grinsen und Fingerzeig auf den Kuhstall gefragt hat: „Podríamos robarnos un poco de su caca?„ (=„Könnten wir uns ein wenig von ihrer Kacke klauen?“) dürfen wir die Schubkarre füllen. Neben dem Schafstall stehen drei Betonkästen von denen einer mit Wellblech abgedeckt ist - das Reich der Roja Californiana (lat. esenia foetida) zu deutsch Kompostwürmer. Ein Kasten steht etwas abseits, dort schaufeln wir unsere Ausbeute hinein.

Erstmal muss der Mist fermentieren, bevor man die Würmern an die Arbeit gehen lässt. Durch die Fermentation oder Gährung stabilisieren sich pH-Wert, Temperatur und Feuchtigkeit, sodass die Masse wurmkompatibel wird. Das sollte nach circa 5 Tagen der Fall sein. Jetzt gilt es hungrige wenn auch zahnlose Wurmmäuler zu stopfen, man wirft ihnen also die fermentierten Fäkalien zum Fraß vor.

Der Roja Californiana frisst, verdaut und hinterlässt Lombrihumus. Um diesen zu „ernten“, öffnet man nach 15 Tagen den Deckel der Wurmkiste und lässt die Sonne darauf scheinen. Die Esenia flüchten vor der Wärme, verkriechen sich am Boden und der fertige Humus kann herausgesammelt werden.

Die Lombrikultur nahm ihren Anfang in den 1930er Jahren, als Dr. Thomas Barrett in Los Angeles eine steinige, unfruchtbare Parzelle mithilfe dieser Methode in ein ergiebiges Stück Land verwandelte. Allerdings wusste man schon im alten Ägypten um die vorteilhaften Effekte der Würmer auf den Boden und schützte sie. (1)

Leider werden die Feldfrüchte hier in Nicaragua oft in einem Chemiekaliencocktail gebadet, dass teilweise inflationär wie ein Billigparfüm versprüht wird. Früher oder später tötet das Würmer und andere essentielle (Mikro-)organismen, schlussendlich den Boden selbst. Umso wichtiger ist es die organischen Alternativen zu künstlichem Dünger zu suchen. Lombrihumus ist nur eine davon. Aber unterm Strich ist seine Herstellung vergleichsweise leicht zu realisieren und auch als Projekt für den eigenen Garten geeignet.

Tierra viva, lebende Erde, wie der Humus auch genannt wird, stellt einen der besten natürlichen Dünger der Welt dar. Der Boden kann bis zu fünf Jahre von seinen positiven Effekten profitieren und dadurch, dass es sich um verarbeitete Exkremente handelt, besteht keine Gefahr die Pflanzen durchs Düngen zu verbrennen. Der Boden behält seine Feuchtigkeit und wird sogar von chemischen Rückständen bereinigt. (2)

Shit happens klar aber die Frage ist ja, was man daraus macht.

Quelle: (1) La cría de lombrices de tierra-Tierra Viva, Roberto Vallecillo, 2004, S.5
(2) La cría de lombrices de tierra-Tierra Viva, Roberto Vallecillo, 2004, S.42 f.

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