Huracan Otto

von 16 lennard_g  


Palme im Wind

Es begab sich aber zu der Zeit, als der elfte Monat des Jahres 2016 fast verstrichen ward und die Fundación "Sano y Salvo" erneut seine tapferen Recken ensandte, um den ökologisch gesindten Mitstreitern in allen Herren Gegenden des nicaraguanischen Landes mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Auch meiner Wenigkeit wurde diese Ehre zuteil und so begab ich mich zusammen mit drei Weggefährten der Fundación von Nueva Guinea aus in Richtung Bluefields an der Ostküste, um dann von dort aus mit Abelardo, Präsident der Comunidad Wiringki der indigenen Rama & Kriol und seinem Bötchen weiter durch die Lagune von Bluefields zur kleinen Insel Rama Cay zu fahren, welche nach seinen Angaben gut und gerne 1000 Seelen beheimatet.


Idyllische Insel, eigentlich ..

Für 7 Tage wohnte ich dann also, zusammen mit meinen drei besagten Weggefährten, allesamt selber Campesinos/Bauern, bei Abelardo und seiner Familie im Haus auf der Veranda in meiner Hängematte. Die Insel diente uns als Ausgangsort für die täglichen Besuche in die umliegenden Gebiete, welche uns über malerische Flüsse, mal mitten durch den Dschungel, mal entlang an kleineren Plantagen, hin zu allerlei entlegenden Dörfchen und Fincas der Indigenen führten.

Um die durchweg malerischen Eindrücke die ich dabei sammeln durfte, soll es hier jedoch weniger gehen.

Das Wetter gleich zu Beginn verhieß schon nichts besonders Gutes. Kaum auf der Insel angekommen, fing es glatt an zu pieseln. Auch der Wind war ständiger Begleiter, welcher mir bei den Bootsfahrten die ein oder andere Welle ins Gesicht schwappte. Nun gut, es war zwar schon am Ende der Regenzeit, jedoch immer noch Regenzeit, also verschwendete ich keinen weiteren Gedanken daran und erfreute mich an anderen Dingen. Ab dem zweiten Tag dann tauchte im tagtäglichen Gespräch und auch ab und zu im Radio, welchem ich meist eher halbherzig lauschte, vermehrt ein seltsamer Ausdruck auf, den ich nicht genau zuordnen konnte. Erst meinte ich, es handele sich um "URACCAN". Lustig, dachte ich, so heißt die eine Universität bei uns in der Stadt, vielleicht hat die ja auch einen Ableger irgendwo in Bluefields.

Als ich dann irgendwann gefragt wurde, ob ich mir denn Sorgen machen würde wegen der URACCAN, wurde ich doch etwas stutzig. Als dann Abends der Fernseher angeschaltet wurde, und ich, in meiner Hängematte liegend, mit einem Ohr mitbekam, dass auch dort komischerweise jeder von der Uni faselte, wurde ich doch etwas neugierig und erspähte auch sogleich das Wort, nach dem ich gesucht hatte: "Huracán". Doch keine Uni, nur ein Tropensturm der Kategorie 1, welcher gerade an Panamas Küste wütete und dessen berechneter Kurs direkt auf uns zuführte. Wie beruhigend.

Nun gut, ich hatte noch nie einen Hurricane/Huracán erlebt, ein weiteres Abenteuer dachte ich, wird schon nichts passieren. Otto hatte man ihn getauft, wie ulkig. Die Ruhe blieb auch den nächsten Tag über weitestgehend erhalten, wir machten unsere Ausfahrt, kamen Nachmittags wieder, es gab Fisch zu essen, alles beim Alten. Nur Abelardo wurde langsam unruhig. Wann es denn den letzten großen Huracán hier gab, fragte ich ihn. Ende der Siebziger. Ob denn damals etwas Schlimmeres passiert sei, fragt ich weiter. Jaja, viele Tote und die gesamte Insel kaputt, musste alles wieder neu aufgebaut werden. Ahja ...

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Das Zentrum des Sturms bewegt sich auf uns zu.

Das Radio, was nun unentwegt lief und es fabelhaft vollbrachte alle in Unruhe zu versetzen, machte es auch nicht besser. Am Abend kam dann eine Ansprache des Präsidenten, welcher nochmals die Bevölkerung warnte, den prognostizierten Kurs verlaß (der sich zum Glück etwas gedreht hatte und nun südlich von uns entlangführen sollte) und den Plan für die Evakuierung einiger Ortschaften vorstellte. Ob sich die liebe Mutter zuhause wohl Sorgen macht? Nach Internetverbindung konnte man lange suchen auf Rama Cay und auch das Telefonnetz spielte nicht mit.

In der Nacht begann dann der Regen, welcher auch fast den gesamten nächsten Tag anhalten sollte. Keine Ausfahrt heute, hieß es am Morgen. Wo denn die ganzen Frauen seien, erkundigte ich mich. Ach, die wurden heute Nacht nach Bluefields auf das Festland evakuiert. Und wir? Wir halten die Stellung. Interessant.

Falls es schlimmer wird, gehen wir hoch in das Gemeindehaus, das hat ein festes Dach.

So verbrachte ich also, meist lesend, den Tag bei Abelardo im Haus. Es regnete und regnete, stürmte mal stärker, mal weniger stark. Mein bester Freund das Radio verkündete, dass Otto nun an der Grenze zwischen Nicaragua und Costa Rica sein Unwesen trieb.

Irgendwann gegen spät Nachmittag wurde es dann ruhiger und man konnte das Haus verlassen ohne klitschnass zu werden. Auf einer Klippe traf ich dann einige Rama-Männer, die ebenfalls auf der Insel geblieben waren und sich den Wellengang anschauten. Ich lauschte ein wenig den Böen und ging dann wieder heim. Wir kochten die Reste im Haus und gingen früh zu Bett. Am nächsten Tag war dann alles vorbei, Normalität kehrte ein. Die Frauen kamen zurück aus Bluefields, es gab wieder Fisch zum Essen und es regnete nur noch ab und zu. "Gracias a Dios" hieß es dann unentwegt. Gottseidank hat es nur die Ticos im Süden erwischt und nicht uns. Das nenn' ich Nachbarschaftsliebe.

So bescherte mir also der liebe Otto ein paar spannende Tage. Andere kamen nicht so glimpflich davon. 8 Tote in Panama, 10 in Costa Rica und 4 in Nicaragua, so wie einige Vermisste (Stand 26. November 2016). Von den Schäden und zerstörten Häusern und Heimen in einigen Gebieten ganz zu schweigen ...

Bei der Fischsuppe am Abend ließ ich nochmal alles Revue passieren. Glück gehabt!

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