Auf der Suche nach der Kultur Costa Ricas

von 16 tim  


Ochs-Karren

Aus vielen Gründen wollte ich meinen Freiwilligendienst unbedingt in Lateinamerika verbringen: Ich wollte Spanisch lernen, die Natur dort erleben und die reichhaltigen Kulturen kennen lernen. Ich interessiere mich sehr über die verschiedenen Sichtweisen der Menschen über die Natur und glaubte viel von den Kulturen Lateinamerikas lernen zu können. Wie die Leute mit der Natur in Verbindung stehen, welchen Wert sie hat und wie man mit der Natur umgeht. Vor allem die Einflüsse der Indigenen Völker, die sich noch nicht getrennt von der Natur sehen, finde ich sehr spannend. Als dann die Entscheidung klar war, dass ich nach Costa Rica gehen werde, war ich einerseits sehr glücklich und andererseits auch sehr skeptisch.

Auf der positiven Seite ist Costa Rica ein sehr interessantes Land für mich, da es immer wieder als sehr nachhaltig beschrieben wird und vor allem in Bereich Lateinamerika herausragt (1). Auch ist es z.B. auf Platz 1 des Happy Planet Index, der Umwelt- mit Wohlstandsindikatoren kombiniert (2). Warum genau ist Costa Rica so nachhaltig? Eine Frage, deren Antwort ich mir während des Jahres zu finden erhoffe.

Auf der anderen Seite habe ich bereits vor meiner Reise gehört, dass eine eigene Kultur Costa Ricas nicht sehr stark vertreten sein soll. Ein Studienfreund aus Rumänien, dessen Freundin und Mutter seines Sohnes Costa-Ricanerin ist, erzählte mir, dass ihm der große Einfluss der amerikanischen Kultur in Costa Rica sehr störe. Amerikanisiert sollte die Kultur sein. Dazu kam noch, dass uns Hermann während des Zwischenseminares über die Lage der Indigenen in Costa Rica erzählt hatte bzw. die Sichtweise der Campesinos auf die Natur. Nur etwa 2% der Bevölkerung sind Indigene, der geringste Anteil in ganz Lateinamerika (Vergleich Bolivien: 62%). Sie würden abgelegen in Reservaten leben und ihre Situation sehr kritisch sein, während ihr Einfluss auf die Kultur sehr gering sei. Die Campesinos hingegen hätten wenig Verbindung zur Natur und würden sie hauptsächlich als Ware sehen, als Einkommensquelle. Dies lies meine Erwartungen in Hinsicht auf eine interessante, naturverbundene Kultur stark sinken. Aber warum wird trotzdem in Costa Rica gleichzeitig so viel Wert auf Naturschutz gelegt?

Angekommen in Costa Rica wird Hermanns Sichtweise vom spirituellen Miguel, Chef des Korridors, bestätigt, der die umliegenden Campesinos kritisierte und ihnen nahelegte, sie hätten keine Kultur und keine Verbindung zur Natur. Auch in der Hauptstadt San Jose bin ich geschockt. Vieles erinnert eher an eine amerikanische als eine lateinamerikanische Großstadt: Überall große Werbetafeln, Fast-Food Restaurants und amerikanische Autos. Angekommen in der Realität.


Ochs-Karren auf den heute niemand mehr Kaffeesäcke transportiert.

Schon klar, wer hier der Boss ist.

Regionale Küche.

Doch es gibt sie noch, die Kultur Costa Ricas, und ich habe das Glück, in einem Viertel zu wohnen, dass diese noch bewahrt hat. Hier in San Antonio, Escazu (San Jose) werden alte Traditionen weiterhin praktiziert. Allen voran werden von einigen Familien immer noch die berühmten Ochs-Karren benutzt, welche quasi das nationale Kultursymbol Costa Ricas sind. Dies ist nicht mehr die Normalität. In den meisten Teilen des Landes dienen sie nur noch als Dekorationen außer- und innerhalb der Wohnhäuser. Doch in San Antonio sind sie ein wichtiger Bestandteil. Dazu findet in San Antonio jedes Jahr am zweiten Sonntag im März die „Día del Boyero Nacional“ Parade statt, welches im ganzen Land bekannt ist. Der Boyero lenkt den Ochskarren und hat damit eine besondere Aufgabe.

Einen weiteren Geschmack der regionalen Kultur bekomme ich in meinen eigenen 4 Wänden. Meine Gastmutter ist Köchin und kocht nur regionale Küche. Das bedeutet natürlich viel Reis und Bohnen aber auch spezielle Gerichte wie Olla de carne (eine Suppe mit viel Gemüse und Rindfleisch), Enyucados (Yuka fritiert) oder Chorreadas (süße Maistortillas). Eines Tages während eines Events meiner Organisation CODECE darf ich sogar selber diese leckeren Tortillas zubereiten.

CODECE setzt sich für den Schutz des Naturschutzgebietes in der Region ein und wird ausschließlich finanziert durch eigene Tourismus Events. Wie jener Sonntag, wo das Haus von CODECE ihre Türen öffnet und sich in ein Restaurant verwandelt. Während ich also die Chorreadas umdrehe und mit den anderen Mitarbeitern, die alle Nachbarn sind, Späße mache, kommt endlich ein Gefühl von Zugehörigkeit auf. Von echter Kultur, tief verwurzelt in der Region und den Menschen.

Dies wird verstärkt durch die Marimba Musik, die ohne Pause aus den Boxen dringt (Hört hier ein Beispiel Stück, um ein Gefühl zu bekommen: https://www.youtube.com/watch?v=Dn6mUzF9Cf4) und die mir auch nach dem Event noch in meinen Kopf festhängen blieb. Passend dazu fängt eine Köchin spontan an zur Musik zu tanzen. Nach all den verblendeten Einflüssen der oberflächlichen Kultur Amerikas endlich ein Stück Ursprung. Sie ist also doch da, die Kultur Costa Rica, abseits von Strand, Sonne und Pura Vida. In meiner restlichen Zeit in Costa Rica werde ich mich weiterhin auf die Suche nach ihr machen.

Quellen:

(1) http://www.alternet.org/environment/12-ecologically-sustainable-countries-and-why-they-should-be-admired
(2) http://www.wiwo.de/technologie/green/living/alternativer-wohlstandsindex-umweltschutz-und-glueck-sind-kein-widerspruch/14455930.html

BlogNo:01

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...