Warum ich im Garten arbeite…

von 16 tim  


Meine Hände sind schwarz. Tief tauche ich ein in den Untergrund, grabe, werde eins mit dem dunklen Boden. Erfolgreich noch mehr Grünzeug entfernt. Und Weiter… Nein, warte, das nicht, das ist Koriander! In dem Permakulturgarten von Paulina kann man schon mal den Überblick verlieren, alles wächst drunter und drüber. Tomaten, Brokkoli, Blumen, Zwiebeln, Rote Beete, „Regenschirme für Arme“ und auch gaaaanz viel Unkraut. Vertieft kämpfe ich mic weiter, verliere mich im Arbeitsfluss. Und komme ganz tief verwurzelt mit der Erde wieder in mir selbst an. Wie ich es liebe im Garten zu arbeiten!

Das war längst nicht immer so. Früher war es sogar eher das Gegenteil. Gartenarbeit war etwas, was meine Mutter und meine Oma gemacht haben, aber mich hat es nie interessiert. Wozu auch? Was bekommt man davon mit steifen Rücken sich zu Bücken und Unkraut herauszupicken, was in einer Woche doch eh wieder dort wächst? Auch mein Vater hat einen großen Garten mit einem großen Teich und vielen Pflanzen. Doch nur wiederwillige half ich mit, falls es etwas getan werden musste. Was ich wollte? Nur spielen. Bewegung. Egal ob Fußball, Frisbee oder Ticker. Im Vergleich zum kindischen Spielen war die harte Gartenarbeit nur lästig. Dies deckt sich mit dem Bild, dass viele in Deutschland über Gartenarbeit haben. Etwas aus alter Zeit, als damals noch Gemüse selbst angebaut werden musste, was eine Arbeit! Heute gibt es ja alles im Überfluss im Supermarkt, also wozu noch selbst anbauen? Es reicht doch, wenn ich mir eine Plastikpflanze ins Zimmer stelle! Sieht fast genauso aus, dekoriert den Raum und ist viel pflegeleichter!

Anders zu denken fing ich an in meinem ersten Auslandsjahr nach der Schule 2012 in Neuseeland und Australien – mit Work and Travel Visa. Dort sah und verband ich mich nicht nur mit atemberaubender Natur, sondern arbeitete zwischen dem Reisen auf verschiedenen Farmen oder Landhäusern einheimischer Familien. WOOFing nennt sich das, da es über die Internetplattform WWOOF (World-Wide Opportunities on Organic Farms) organisiert wird. Dort lernte ich eine andere Welt kennen. Die Leute dort hatten nicht einen kleinen Vorstadtgarten, nein sie lebten in und möglichst im Einklang mit der Natur. Sie recycelten, bauten ihre Häuser selber, ernährten sich von ihrem eigenen Gemüse und produzierten ihren eigenen Strom. Anstatt Gärtnern als Hobby war es eher ein Lebensstil. Ein Lebensstil, der mir gefiel. Einfach, aktiv, selbstentscheidend, frei. Seitdem habe ich auf vielen Farmen gearbeitet, später auch in Holland und Belgien. Immer mal wieder als Pause um auszusteigen, zur Ruhe zu kommen und… ja was war eigentlich so interessant daran, im Garten zu arbeiten? Warum war es so anders als damals, wo ich Gärtnerei noch gehasst hatte? Diese Fragen stellte ich mir im Garten von Paulina. Warum bin ich so glücklich und froh, wenn ich im Garten arbeiten kann? Es kommt mir in den Sinn, dass es nicht nur ein Grund gibt, sondern einige. Viele. Im folgenden werde ich sie euch ein wenig näher bringen. Vielleicht könnt ihr einige nachvollziehen und andere nicht. Mein Ziel ist es, das Gärtnern mehr ganzheitlich betrachten zu können, denn es ist so viel mehr als „harte Arbeit, die getan werden muss“.






Seit meiner Zeit in Neuseeland liebe ich es in der Natur zu sein. Ich habe es auch schon früher geliebt… als Kind im Wald zu sein, auf der Wiese zu spielen…. Aber nach Neuseeland hat sich diese Liebe ganz bewusst in mir verwurzelt und sich in ein Bedürfnis verwandelt. In der Natur bin ich zuhause. So versuche ich in meiner Zeit so viel wie möglich draußen und in echter Natur zu sein. Wenn ich reise ist es einfacher, ich kann mir meine Ziele aussuchen und bin frei, dort zu sein, wo man der Natur nahe ist. Doch während eines normalen Alltags ist es schwieriger…Zwischen Supermarkt, Uni/Arbeit und Freunde in der Stadt treffen, wo gibt es noch Möglichkeiten, sich tief mit der Natur zu verbinden? Ganz genau, im Garten. Je länger ich im Garten bin und auch aktiv arbeite, desto mehr fühle ich mich wieder verbunden mit der äußeren und damit auch meiner inneren Natur. Die Hände in der Erde zu haben, mit Pflanzen zu arbeiten bringt mir ein Gefühl des Eins seins mit der Natur. Vor allem wenn es in einem Garten wie der Paulinas ist, der nach den Regeln der Permakultur sehr chaotisch wirkt, schon fast wie ein Wald, aber doch natürlich harmonisch. Ganz anders als viele rechteckig geordnete Kleingärten wie z.B. in Vororten Deutschlands.

Wenn ich im diesem Garten arbeite, lerne ich gleichzeitig jeden Tag etwas über die Gesetze der Natur. Alles wird wiederverwertet, alles ist ein Kreislauf, jeder Teil hat seine bestimmte Aufgabe und seinen Nutzen. Die Wiederverwertung von Abfällen wird in der Permakultur zur größten Kunst. Einen perfekten Komposthaufen herzustellen aus verschiedenen organischen Materialien ist die Königsdisziplin, an der auch Sabrina und ich uns versucht haben. Zu viel von einem Teil, sei es eine bestimmte Pflanzenart, zu viel Wasser oder Sonne, egal was, schadet dem ganzen System. Diese Gedanken sind nichts neues, jedoch ist es sehr tiefgreifend, wenn man diese Erkenntnisse immer wieder in der Natur widerspiegeln sieht. Mit seinen eigenen Augen. Spürt, was es bedeutet, Teil eines Ganzen zu sein. Wenn man dann diese Perspektive verinnerlicht hat, das alles seinen Wert hat und ein Kreislauf ist, wird man achtsamer mit allen Dingen. Plastik, Essensabfall, Kaufen von neuen Sachen. Es gibt einem einen neuen Blick auf die Dinge. In dieser Hinsicht hat das Arbeiten im Garten eine ganz wichtige Lehrrolle.

Außerdem habe ich immer die besten Ideen wenn ich im Garten arbeite. Inspiriert von der umliegenden Natur, kommen Gedanken wie sonst nirgendwo anders. Viel Sauerstoff strömt durch mein Gehirn durch das aktive Arbeiten. Dazu bin ich weiter weg von Technologien oder anderen Ablenkungen sondern kann mich ganz auf das Hier und jetzt konzentrieren. Ich bin aktiv, mache bewusst etwas, das gibt aktive Gedanken. Ich kann frei über mich und das Leben reflektieren, alle gesellschaftliche Moral wie man denken oder sich verhalten sollte ist hier nicht vorhanden.

Das aktiv sein tut auch meinen Körper gut. Draußen sich bewegen nach einem Tag nur drinnen vorm Computer wirkt wahre Wunder. Es ist ein perfekter Ausgleich für unserer immer passiver werdendes Arbeiten oder Vergnügen. Nach der Arbeit fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Physisch kaputt aber glücklich durch die geschaffte Arbeit und geistlich hellwach. Und die Natur gibt einem immer genug Energie.

Auch zusammen im Garten arbeiten hat seinen wunderbaren Qualitäten. Jeden Montag arbeiten Sabrina, die andere Freiwillige hier in San Antonio, und ich zusammen im Garten von Paulina. Dabei entstehen immer wunderbare „Gartengespräche“. Tief verbunden mit der Natur und einem selbst fällt es einem leicht über tiefes Inneres zu sprechen und auch den anderen empathisch zu verstehen. Zusammen im Gespräch, im Austausch kommen wir dann zusammen noch zu ganz anderen, tiefen Erkenntnissen über Situationen, uns selbst und dem Leben. Sehr dankbar über das Erlebte freuen wir uns immer auf den nächsten Montag, um uns wieder austauschen zu können.

Neben all diesen Geschenken, was einem die Arbeit im Garten gibt, zählt natürlich auch die physisch erbrachten Verbesserungen. Zum Kochen gibt es nichts schöneres als das eigene Gemüse zu ernten oder frische Kräuter aus dem eigenen Garten zu benutzen. So frisch und viel echter, einfach etwas ganz anderes als aus dem Supermarkt. Dazu gibt ein Garten auch einen schönen Anblick, bringt einen zur Ruhe oder schenkt einem Freude. Andere Materialien wie Holz können zu ganz unterschiedlichen Hilfsmitteln wie Möbeln etc. benutzt werden – das einzige Limit ist die eigene Kreativität. So spart man nicht nur Geld, sondern hat sich etwas Eigenes, Einzigartiges erschaffen, auf das man noch lange stolz sein kann. Ein viel aktiveres Leben als einfach einen 0815 Job auszuführen um dann mit dem erreichten Geld passiv sich alles zu kaufen was man benötigt.

Sicherlich heißt es nicht, dass ich aufhören möchte zu arbeiten und nur noch als Eremit alles selbstversorgen möchte. Nein, es geht darum den Mittelweg zu finden und das zu machen, was in der Situation Sinn ergibt. Etwas, das einem ein entspannteres, erfüllerendes Leben gibt und gleichzeitig nachhaltiger ist. Etwas, dass der Natur zurückgibt, was wir ihr entnehmen. Und der perfekte Ort um hiermit anzufangen ist der eigene Bereich außerhalb eines jeden Hauses.

BlogNo:02

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