Matapalo

von 16 tabea  

Eine neue Aktivität von Fedeagua in einer der Comunidades, lasse ich mir selbstverständlich auch diesmal nicht entgehen! Die regelmäßigen Besuche dieser Orte sind eines der spannendsten Dinge an denen man hier teilhaben kann. Nicht nur, weil die Gegenden erkundet werden, sondern besonders der Leute wegen die man kennenlernt.

Diesmal führt unser Weg nach Matapalo, zu einer hundertköpfigen Comunidad, die sich vor mehr als zehn Jahren illegal an diesem Ort angesiedelt haben. Fedeagua hat dort bereits einiges bewirkt, es gibt ein kleines Versammlungszentrum, provisorisch aus einem Gestell aus Stämmen und LKW-Plane zusammengebaut, außerdem entstanden hier vor einigen Jahren zwei kleine Agroforstsysteme, aus denen die Leuteeiniges an Kräutern und Früchten beziehen können. Die Menschen sind noch ärmer als die in Costa Pájaro, ein Geruch aus einer Mischung aus Müll und Abwasser liegt in der Luft. William leiht mir sein Mückenspray, in dieser Gegend gibt es eine hohe Gefahr, dass man sich das tödliche Denguefieber oder den Zikavirus einfängt.

Als wir ankommen, bringt man uns direkt Frühstück auf Plastikgeschirr: Es gibt Platanos, gesüßten Kaffe und Rührei mit Speck. Eigentlich habe ich schon gefrühstückt, aber Jaqueline, die Vorsitzende der Comunidad, besteht darauf. Und eigentlich bin ich Vegetarierin aber aus Höflichkeit verzehre ich trotzdem alles und trinke auch den Kaffe (für mich normalerweise auch keine Option, schon gar nicht mit Zucker).





Es ist wie schon das letzte Mal, eine ewige Warterei bis alle Teilnehmer, etwa 10 Frauen und 4 Kinder da sind. Wir stellen Stühle und Bänke auf und unterhalten uns solange mit einigen der Frauen. Mir fällt zum wiederholten Male auf, wie sehr die costarikanischen Frauen auf ihr Äußeres achten. Da gibt es eine kleine Versammlung mit einem der Hauptakteure von Fedeagua und es wird extra eine hübsche Bluse angezogen, die Fingernägel sind lackiert und auch die Frisur sitzt so perfekt wie nur möglich. Irgendwie schon sehr sympathisch, stelle ich fest und muss grinsen als eine der Frauen sogar auf hohen Schuhen erscheint. Hier, mitten im nirgendwo, wo es steinig und holprig ist.

Als alle da sind, nehmen wir uns an den Händen und eine der Frauen, Lydia, hält ein kurzes Begrüßungsgebet. Das Thema der Versammlung ist „Unser Territorium“. Wir unterhalten uns darüber, wie das Territorium definiert ist, welche Ressourcen wir daraus beziehen können, wie und wo man hier Arbeit findet, kurz: Was gibt uns unsere Umgebung und was fehlt.

Die Comundiad in Matapalo hat viele Flächen, auf denen noch keine Finca steht, die zum Beispiel genutzt werden könnten um Dinge anzupflanzen. William sammelt Vorschläge und es werden die Probleme angesprochen, die es schwer machen, sich in dieser Gemeinschaft zu organisieren.

Die Frauen und auch Männer arbeiten viel und haben wohl nur wenig Zeit sich darum zu kümmern, gemeinsame Aktivitäten voranzutreiben. Jeder ist für sich und kämpft mit seinem eigenen Alltag. Das Ziel ist, dass sich das ändert und sie es schaffen, etwas zu bewirken, das einen Nutzen für alle hat.

Bei Aktivitäten wie diesen, bekommt man ein Bild davon, wie wichtig die Arbeit ist, die Fedeagua leistet. Zum einen sind es die kleinen Projekte die angestoßen werden, wie die beiden Agroforstsysteme, zum Anderen ist es die Hoffnung die gemacht wird und der Impuls, sich zusammenzutun, gemeinsam etwas zu ändern um gemeinsam besser zu leben. Fedeagua inspiriert, initiiert und profititert nicht einmal direkt von der Hilfe die es leistet. William steckt seinen Lohn, so wie viele andere Mitglieder, wieder in die Projekte und auch die teilweise weiten Busfahrten zu Gemeinschaften wie dieser, bezahlt er aus eigener Tasche.

Die Frauen beteiligen sich dankbar an den angeregten Diskussionen, sie hören zu und nicken, sie machen sich Notizen und stellen viele Fragen. Man merkt, hier wird etwas bewegt.

Obwohl das Thema ein ernstes ist, sind die Frauen ausgelassen und munter, man spürt, dass sie vom Zusammenhalt nicht weit entfernt sind, denn alle kennen und vertrauen sich, jetzt muss man nur noch zusammen etwas verwirklichen, erreichen, was notwendig ist und wovon alle profitieren. Nach etwa 3 Stunden ist die Versammlung beendet und alle gehen.

Jaqueline lädt uns noch zu sich ein. Von außen habe ich diese Art provisorische Hütten schon gesehen, von Innen ist das aber nochmal etwas ganz anderes. Das Haus besteht aus Brettern und Wellblech, der Raum ist durch Vorhänge und Gardinen, in Wohnzimmer mit Küche und Arbeitszimmer, sowie Schlafzimmer aufgeteilt.

Ich bin mir nicht sicher wie viele Menschen in dieser Hütte leben, es scheinen fünf zu sein. Das Wohnzimmer besteht aus zwei alten Sofas und einem Sessel, weiter hinten gibt es ein Waschbecken, einen Spiegel und einen Tisch, am Ende des Raumes befindet sich die Küche in die ich nur wenig Einblick habe.  Es ist keinesfalls ungemütlich, nur unglaublich alt und abgenutzt, Armut eben.

Das Einzige, das aus dem Rahmen fällt, ist der riesige glänzende Flachbildschirmfernseher der ununterbrochen läuft, irgendeine amerikanische Serie über die neusten Sportwagen.  So suspekt, es ist ein Anblick bei dem man den Impuls hat, die Augen wieder zu schließen.

Da ist auch ein kleines Mädchen, das sofort vom Sofa verschwindet als wir ankommen und ein alter Mann. Er ist sehr groß und unfassbar dünn, außerdem scheint er eine Hautkrankheit zu haben, die die rechte Hälfte seines Gesichts mit schwarzen Flecken bedeckt.

Kaum das wir sitzen, bringt uns Jaqueline Mittagessen. Es gibt Cola, Reis mit Hühnchen, Gemüse und Platanos. Ich habe keinen Hunger mehr, aber sie sieht wahnsinnig stolz aus, als sie uns das Essen serviert. Ich lächele dankbar, gleichzeitig ist mir irgendwie zum heulen zumute. Die anderen haben selbst noch nichts gegessen, sie sehen uns nur dabei zu, dabei sieht der Mann aus, als hätte er es dringend nötig. Am liebsten würde ich ihr und dem Mann meinen Teller geben, aber ich weiß, es ist okay so. Es ist so erwünscht, es ist ihnen eine Ehre und ich tue allen einen Gefallen, wenn ich einfach nur esse. Und doch wünsche ich mir in diesem Moment nichts mehr, als auch die Möglichkeit zuhaben, eines Tages Jaqueline und ihre Familie zum Essen einladen zu können, ich möchte so gerne etwas zurückgeben und nehme mir vor das auch zu tun, irgendwie irgendwann.

Als wir gehen, umarmt Jaqueline uns fest und sagt, dass sie sich freut uns kennengelernt zu haben und dass es sie freuen würde, wenn wir sie nochmal besuchen kämen.

Das Mädchen steht am Zaun und beobachtet und während wir die matschige Straße zurückgehen. Ich winke ihr bis wir uns nicht mehr sehen.

BlogNo:06

1 Kommentar

Kommentar von: Christian Förster [Besucher]

Liebe Tabea,

Danke für diesen spannenden Einblick. Ich konnte sehr mit dir mitfühlen :) Viel Kraft dir für die nächste Zeit und die restlichen Monate. Carpe Diem,

Chris


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