Der geheimnisvolle Baum der Vögel

von 16 anna  



Gegenüber von Giovannis Haus, wo wir jeden Morgen in der Dämmerung frühstücken, steht ein kleiner Baum, der sich in die Reihe der sonst größeren Bäume und Büsche an dem Weg unauffällig einreiht. In einer Sache unterscheidet er sich aber von den anderen: Er bebt vor Leben.

Denn in den frühen Morgenstunden versammeln sich darin unzählige Vögel in allen Farben und Formen aus allen möglichen Lebensräumen. Im ganzen Baum, wo man hinschaut, fliegt und flattert es wild umher, die Äste und Blätter wackeln und rascheln. Hier ein Tukan, dort ein Papagei. Und man sieht sie nicht nur; ein buntes Durcheinander an Vögelgezwitscher begrüßt uns dort jeden Morgen. Die etwa kichererbsengroßen weiß bis roten Beeren dieses Baumes scheinen Vögel magisch anzuziehen.


Beeren des Higuerón

Bischofstangare

Feuerschnabel-Arassari

Ficus Aurea

Goldkopftangare

Schwarzkopftrogon

Schwefeltyrann

Die im Regenwald von Costa Rica und Panama lebende Goldkopftangare (Tangara larvata) und den halboffene Wälder bevorzugenden bunten Schwarzkopftrogon (Trogon melanocephalus) ebenso wie den in Costa Rica und Westpanama endemischen Feuerschnabel-Arassari (Pteroglossus frantzii). Und natürlich auch vom hier allgegenwärtigen Schwefeltyrannen (Pitangus sulphuratus) flattern viele Exemplare zwischen den Blättern umher oder der große und schwere Pava grenadia, wie sie die… hier nennen, der mit seinem Gewicht die Äste weit nach unten drückt, und noch viele weitere Vogelarten, die man gar nicht alle aufzählen kann.

Ich wollte wissen, was das für ein Baum ist, den die Vögel so lieben. Giovanni konnte mir aber nur einen Namen nennen, den Google nicht findet, und weiß selbst nicht viel über den geheimnisvollen Baum. Nach langem Suchen und Hilfe von Giovannis Vater fand ich einen Baum, um den es sich hier handeln könnte: Higuera estranguladora de Florida, higuera dorada, higuerón oder lateinisch Ficus aurea. Es handelt sich um eine Würgefeige der Familie Moraceae.

Der Higuerón ist offensichtlich verbreitet von Florida durch Mittelamerika bis nach Südpanama. Würgefeigen, die hier umgangssprachlich auch Matapalo genannt werden, keimen in Wirtsbäumen, auf denen sie zunächst als Epiphyt leben und die sie in der Regel erwürgen, sobald ihre Wurzeln den Boden berühren. Ficus aurea gehört aber zu den weniger agressiven Higuerotes.

Bei Menschen ist diese Baumart aus verschiedenen Gründen beliebt: Die Früchte des Higuerón sind essbar, das Latex, das er produiert, wird zur Herstellung von Kaugummis verwendet und die Wurzeln für Seile, Pfeile, Sehnen von Bögen und für Angelschnüre. Aus den Früchten wird außerdem ein rosa Farbstoff gewonnen und früher wurde F. Aurea in der traditionellen Medizin in Florida und den Bahamas verwendet. Auch als Zierbaum oder Bonsai erfreut sich die Würgefeige an Beliebtheit.

Neben diesen vielen Nutzungsmöglichkeiten für den Menschen ist der Ficus aurea eine Schlüsselart für viele Tiere, die sich teilweise oder ausschließlich von seinen Früchten ernähren. (Bis zu 20 Individuen ernähren sich von den Beeren eines Baumes). Für viele Epiphyten wie die Bromelien beispielsweise übernimmt er außerdem die Rolle des Wirtsbaumes. Mit Pegoscapus mexicanus, einer Feigenwespenart, geht der Higuerón eine interessante Symbiose ein: Der Baum kann nur von dieser speziellen Wespe bestäubt werden, die Wespe dagegen, kann sich nur in den Blüten des Higueróns fortpflanzen. Aber auch andere Wespenarten nutzen seine Blüten zur Fortpflanzung.

So bietet der Higuerón eine wichtige Nahrungsquelle und Lebensraum für viele verschiedene Lebewesen und trägt dadurch zum Erhalt der Artenvielfalt bei.

Wir haben ein paar Zweige abgeschnitten und in der Baumschule eingepflanzt, damit wir vielleicht eines Tages selber Ficus aurea zur Aufforstung auspflanzen können.





















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