Machismo 2.0

von 16 tabea  

Ich erinnere mich noch, wie William bei unserem allerersten Gespräch gesagt hat „wir in Fedeagua sind keine Machisten“. Zugegebenermaßen haben sie mich davon im ersten Monat sehr gut überzeugen können, was teilweise sicher auch daran lag, dass am Anfang sowieso alles neu und anders war und ich nie direkt oder indirekt zu spüren bekam eine Frau zu sein. So länger ich jedoch hier lebe und arbeite und so aufmerksamer ich bin, fallen gewisse Dinge auf, die sich, zu ihrer Verteidigung, wahrscheinlich unabsichtlich, in bestimmte Situationen einschleichen.

Es ist schon alleine die Art angesprochen zu werden bzw. eben nicht angesprochen zu werden, prinzipiell unterhält man sich nämlich mit Alex. Es werden ihm Fragen gestellt, auch wenn es um unsere Arbeit geht, unseren Freiwilligendienst. Solche Art der Unterhaltung quittiere ich stets mit einem inneren Achselzucken, Pech für sie, mit meinem Spanisch hätten sie mehr erfahren, oder ich klinke mich später beiläufig ins Gespräch mit ein. Auch angesprochen werden wir in einer festen Reihenfolge, es heißt immer „Alex und Tabea“, nie andersherum, aber ich will ja nicht pingelig sein.

Was mich erstaunt ist, dass selbst die Frauen in machistische Denk- und Handelsmuster verfallen. Da kommt man am Wochenende vom Strand wieder, in Fedeagua warten Parteimitglieder, die grade am kochen sind und man wird folgendermaßen begrüßt: „Hallo, da seid ihr ja! Alex, nimm dir ein paar Chips! Tabea, du kannst schonmal Tomaten schneiden.“ Nicht mehr und nicht weniger, aber in meinem Fall eher weniger. Ich meine, ist das fair?

Diese Art von Machismus war so offensichtlich, dass sogar Alex mich ungläubig angeschaut hat. Ein Austausch vielsagender Blicke und ich verschwinde in Richtung Tomaten, unmerklich kopfschüttelnd und mit dem unerklärlichen Bedürfnis nach einer eigenen Tüte Chips. Wie fest ist all das schon verankert, dass selbst die Frauen, die aus dieser Routine eigentlich entfliehen wollen müssten, die eine Gleichberechtigung unterstützen müssten, sich aufführen wie ihre Männer. Was man hier braucht, ist eine Prise Humor und genug Überraschungseffekt, damit man nicht anfängt, darüber nachzudenken und verletzt zu sein.

Momente in denen es tatsächlich kränkend ist, sind solche, in denen wir zu zweit für eine dreißigköpfige Versammlung kochen. Es sind über vier Stunden, die man insgesamt mit Vor- und Nachbereitung investieren muss um dreißig Menschen satt zu kriegen und trotzdem ist es das immer Wert, denn das Feedback ist jedesmal überaus positiv. Leider gilt es nie mir, es heißt meistens „Du kannst wirklich gut kochen, Alex“ oder „Richtig lecker, Alex“. Dabei sitzen wir direkt nebeneinander am Tisch, es wäre also kein Problem uns beide anzusprechen. Gekrönt wird die Situation dann noch durch William, der zu uns an den Tisch kommt, Alex freundschaftlich auf die Schulter klopft und anerkennend nickt. Eine Geste, voller Wertschätzung, die eigentlich uns beiden zusteht. Ja, ich habe auch gekocht und es ist nicht so, dass er das nicht gesehen hätte, warum also nicht ich?!

Vielleicht sind es die prägenden Probleme mit weiblichen Vorfreiwilligen, die ihn einst haben sagen lassen „Ich will nie wieder eine weibliche Freiwillige hier haben“ (laut Roger), vielleicht ist es einfach die Kultur? Welche Erklärung auch immer es sein mag, es fühlt sich als Ausrede völlig inakzeptabel an. Ich weiß, was ich gemacht habe, ich wünschte mir nur, die Leute um mich herum könnten es auch sehen. Es ist etwas anderes, wenn er sich nicht trauen würde, mich zu loben weil es ihm unangenehm wäre, ich hoffe nur, dass er sich meiner Sinnhaftigkeit in diesem Projekt bewusst ist, denn ich will mich als Freiwillige nicht weniger Wert fühlen.

Man merkt auch sehr wohl, wie sich das Verhältnis zwischen Alex und William stets verbesserst, um nicht zu sagen, enger wird. Fast freundschaftlich geht William manchmal mit ihm um, während zwischen mir und ihm das Distanzierte und Formelle spürbar bleibt. Ich hätte nie gedacht, dass es mal schwer für mich sein könnte, Teil von etwas zu sein oder mich zumindest so zu fühlen.

Ich beschwere mich nicht, ich wusste was auf mich zukommen würde und habe dem immer entschlossen und kampfbereit entgegengestanden, bereit die Dinge zu ändern. An dieser Einstellung hat sich noch nichts geändert.

Aber die Dinge, die haben sich geändert. Jetzt, nach mittlerweile drei Monaten kann ich kleine Erfolge dokumentieren. Ich weiß nicht wie ich es geschafft habe, aber neulich hat mir William nach einem Gespräch ganz kumpelhaft auf die Schulter geklopft und gesagt „Esta bien, compañera“ und den Höhepunkt hatte die ganze Geschichte, als er vorgestern in die Küche kam, wo ich Gemüse für einen Salat für die Mitglieder von Fedeagua geschnitten habe, Alex saß am Tisch vor dem Laptop, und er ganz ernst meinte „Alex, warum arbeitest du nicht wie Tabea, das ist machista!“ und zu mir „wirklich, du musst das doch nicht alleine machen“.

Vielleicht ist es weil ich verlässlich bin, vielleicht weil ich mich bemühe und fleißig die gleiche Anzahl an Schubkarren fahre wie Alex, weil ich auf seinen Humor eingehe und er gemerkt hat, dass man sich durchaus mit mir unterhalten kann, weil ich nicht einknicke und mich nicht scheue zu diskutieren. Und auch für die anderen hat sich das Bild wie es scheint geändert. Wie ich am Anfang noch nett und höflich behandelt wurde, immer den Versuch Alex, der manchmal zu müde ist, mit in die Gruppe der Mittzwanziger zu integrieren, sitze ich heute mit ihnen zusammen, biertrinkend, scherzend und philosophierend, bin Freiwillige, aber vor allem Kumpel und Freundin. Ich werde ernst genommen.

Ich merke, es braucht seine Zeit und auch seinen Weg in einer solch geprägten Gesellschaft und vor allem einer solch speziellen Gemeinschaft wie Fedeagua, seinen Platz zu finden, aber ich bin nicht müde und ich werde nicht aufhören mich weiter zu integrieren. Und eines Tages werden sie ihre Vorurteile komplett vergessen, mich als Mitglied annehmen und als Mensch akzeptieren, bis es keine Rolle mehr spielt was ich bin, sondern nur noch wer. Dort liegt mein Ziel.

BlogNo:07

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