Fürchtet euch nicht?! - Ein Weihnachtsbesuch der anderen Art

von 16 antonia  

„Es war ein sonniger heißer Tag Mitte Dezember“ allein dieser Satz wäre in Deutschland schon ein Paradoxon. Aber ich bin ja nicht mehr in Deutschland, sondern in Nicaragua, dem Land von Pinolillo und Nacatamales, einem Land in dem der Präsident (zumindest laut Statistik) mit 69% wiedergewählt wurde.

Statt Schneesturm und Weihnachtseinkäufen heißt es für mich Sonne, Fahrrad, Finca, Arbeiten - ein normaler Tag soweit. Ich hüte ganz unbesorgt die Schafe, gehe Mittag essen und spüle gerade Geschirr, als Abel mir sein Telefon reicht. Kurz bin ich perplex und mache vermutlich genau das Gesicht, das so komisch aussieht, dass Lennard es regelmäßig mit großem Gusto nachmacht. Ich stelle mich schon darauf ein, dass meine Gastmutter dran ist, um mich etwas zu fragen, weil sie meine neue Nummer noch nicht hat. Aber Abel fügt seiner Geste die Worte: „La migración...“ hinzu. Okay, ich nehme den Hörer. Da sind sie also wieder, ich hatte gehofft sie hätten uns vergessen. Es ist nämlich so, dass sie schon mal angerufen und angekündigt hatten vorbeizuschauen. Unglücklicherweise hatten unsere Pässe zu dieser Zeit auf dem Rückweg von Managua einen unfreiwilligen Zwischenstopp in Léon eingelegt, sehr ungünstig. Wir planten schon hektisch, die Pässe per Bus senden zu lasen, aber der Besuch wurde verschoben.

„Wann können Sie denn zuhause sein, wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten?“, fragen sie.
- „In einer halben Stunde oder 45 Minuten vielleicht..“

Okay, wir legen auf. Ich händige Abel sein Handy wieder aus. Etwa fünf Minuten später mache ich mich fertig zum losfahren, als er mich zurückhält und sagt, dass sie herkommen. Um mich abzuholen…

Nach ca. 20 Minuten fährt ein fetter dunkelblau-weiß gestreifter Jeep die steinige Straße zu Abels Haus herunter und bleibt (ich muss zugeben ich war etwas schadenfroh) in der Auffahrt zwischen den Torpfosten stecken. Sie sind zu dritt, die Leute von der Migración, Teile des Beamtenapparates von Präsident Daniel Ortega. Drei scheinheilige Könige - ihre „Geschenke“: ein Klemmbrett mit Notizzettel, ein Stift und ihre Smartphones. Während einer draußen noch mit dem Auto kämpft, spazieren zwei ins Haus beginnen mit der Arbeit. Sie fragen Abel über die Finca aus und lassen sich alle möglichen Dokumente zeigen, die sie klick mit der Handykamera in Dateien auf ihren Smartphones verwandeln. Sie entspannen sich sichtlich: „Wir mögen es, wenn alles seine Ordnung hat.“ Sie sind recht freundlich und machen sogar Witze. Trotzdem fühle ich mich, als hätte ich etwas verbrochen, als sie mich bitten in ihrem nicaraguafarbenen Jeep zu steigen. Jetzt bin ich auf mich allein gestellt. Bloß nichts Falsches sagen. Sie sind weiterhin freundlich: „Keine Sorge, wir wollen dir bloß ein paar persönliche Fragen stellen. Herausfinden wie dein Lebensstil ist und sowas.“ Haha, achso sehr diplomatisch. „Wir wollen dich nur ein bisschen aushorchen und schauen, ob du auch keinen Blödsinn machst...“, hätte es vielleicht besser getroffen, und mich genauso beunruhigt. Wir erreichen unsere Straße. Wer weiß, was die Nachbarn jetzt denken. Irgendjemand sagt mir später seine Kinder hätten gedacht, ich sei verhaftet worden.

Schon bevor ich Tür und Tor zum Haus aufschließe, fällt mir auf, dass es im Moment alles andere als aufgeräumt ist. Soviel zu guten ersten Eindrücken vom Lebensstil. Das Trio tritt ein. Auf dem Tisch liegt noch ein Zettel mit einschlägigen Vokabeln, den ich möglichst diskret unter einem Buch verschwinden lasse. Zeit für das Interview...Fragen darüber, was ich vor dem Freiwilligendienst gemacht habe, wie ich dazu gekommen bin und verschiedene andere Sachen. Als ich sage, dass es mir egal war, ob ich nach Costa Rica oder Nicaragua komme, sehen sie mich komisch an. Oh, das war keine gute Antwort, ich setze hinzu, dass ich mich natürlich freue hierher gekommen zu sein, und hoffe das hilft. Sie setzen die Befragung fort. Zum Schluss fragen sie nach irgendwelchen Dokumenten, die meiner Ansicht nach bei der Migración in Managua sind und die ich nicht habe. Glücklicherweise reicht ihnen zum Schluss der Scan meiner internationale Geburtsurkunde und meines polizeilichen Führungszeugnisses (die Originale hat die Migración auch, es scheint also eine gute Kommunikation zu herrschen).

Zum Abschluss muss ich noch anhand der Aussagen einiger Leute überprüft werden. Einer der Beamten nimmt mich mit zur Nachbarin. Ich habe kein gutes Gefühl die anderen beiden allein im Haus zu lassen, aber letztendlich ist es wohl klüger, den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen. Wie denn mein Lebenswandel sei, fragen sie; ob ich oft das Haus verlasse und viel mit ihr kommuniziere. Die Antworten der Nachbarin scheinen recht zufriedenstellend zu sein. Trotzdem wollen sie sich zum Abschluss noch mit meiner ‚mamá Nica‘, meiner Gastmutter unterhalten. Aber ich bin vorerst entlassen. Ich bin „verifiziert“ worden, hoffe, dass nichts zu beanstanden war, und mit dem Visum alles gut geht.

BlogNo:04

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