Endkreisreise

von 16 tim  

„Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“
Zitat von dem bekannten dänischen Philosophen Søren Kierkegaard (1813-55)

Letzer Tag in meinem Büro in CODECE. Nach 6 Monaten ist mein Freiwilligendienst schon wieder rum. Was machen wohl gerade die anderen Freiwilligen durch? Etwas anderes, so viel wurde schon während des Zwischenseminares vor 3 Wochen deutlich. Während für alle anderen ungefähr die Hälfte des Freiwilligendienstes zu Ende war, war meiner schon fast vorbei. Während alle ihre erste Hälfte reflektieren und sich Gedanken und Vorsätze für den zweiten Teil machten, dachte ich darüber nach, wie ich mich in meinen letzten drei Wochen am besten noch einsetzen konnte.

Und nun ist die Zeit um.

Was ist passiert vom ersten Tag in Costa Rica bis jetzt? Immer erst wenn ein Lebensabschnitt zuende ist, kann man ihn wirklich reflektieren, ihn von außen betrachten. Er ist jetzt Geschichte, man ist raus aus der Sache. Das einzige was man mit der Erfahrung noch machen kann, ist, über sie zu reflektieren und aus ihr zu lernen.

Was verstehe ich also jetzt rückwärts? Im Moment weniger als vorher. Doch auch das ist eine Erkenntnis. In Costa Rica macht vieles aus unserer Sichtweise keinen Sinn. Manchmal ist die Kultur bzw. Denkweise doch so anders als die eigene, dass man sich fremd fühlt und sich fragt, was hier gerade passiert. Diese Ungewissheit, dieses Schwimmen ist ein Geschenk, denn es wird einem der Sinn von Kulturen und Verhaltensweisen einer Gesellschaft sichtbar. Denn wenn ich wieder in meine Eigenen hereinfalle, fühle ich mich wieder zuhause. Vertraut. Egal ob es deutsche Pünktlichkeit oder meine eigene Sicht auf Ehrlichkeit und Verantwortung ist. Man wird sich seiner eigenen Sichtweise, seinem eigenen Sein mehr bewusst. Und dies an sich ist schon sehr wertvoll.

Was ist mir sonst so wiederfahren in der Zeit?
Nur um es sich nochmal vor Augen zu führen: Ich habe eine neue Sprache gelernt, sowie in der grammatischen Theorie als auch in der praktischen Ausführung, die ich vorher so gut wie nicht beherrschte. Ich bin Teil einer costaricanischen Familie geworden, habe mit ihnen gelebt. Auch da kamen sowie universelle Gleichheiten wie Lachen und Freude am Kochen als auch klare Unterschiede wie z.B. das Einhalten von Verabredungen zum Vorschein. Ich habe Ticos und Ticas kennen gelernt, Ausländische und Deutsche. Und dazu noch eine andere Art Familie dazugewonnen, unsere Freiwilligengruppe. Ich habe gearbeitet, am Schreibtisch und im Garten, in der Küche und am Fluss. Bin gereist durch Natur, habe Tiere und Pflanzen gesehen. War verzweifelt, glücklich, ängstlich, wütend, erstaunt, niedergeschlagen, froh, verletzt, frei, eingeschlossen, motiviert, krank und gesund.

Was bleibt am Ende? Die Erfahrung und die neuen Verbindungen. Dann geht das Leben weiter, unaufhaltsam, wohin auch immer. Und währenddessen werden mir sicher noch einige Erkenntnisse über meinen Freiwilligendienst hier in Costa Rica ergeben. Denn eigentlich bin ich immer noch gerade viel zu sehr am vorwärts leben, als das ich es rückwärts verstehen kann.

BlogNo:07

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