Von Mentalitäten, Ankommen und Busfahren

von 17 radka  

Wir haben es also geschafft. Das letzte mal für ein Jahr wurde der schwere Rucksack durch Städte, Busterminals und über mit Schlaglöchern versehene Straßen geschleppt. Es ist fast unwirklich dass man sich jetzt auf einen Ort einlässt. Ein Ort der für ein Jahr Heimat bedeuten wird. Das Zimmer ist eingerichtet, die Klamotten liegen im Schrank, Fotos an der Wand und doch fühlt man sich noch immer etwas verloren in dieser neuen Umgebung.

Entlassen aus dem behüteten Gefühl, dass einem mit den anderen Freiwilligen umgab und auf sich selbst gestellt. Genau das was man eigentlich immer wollte, aber trotzdem irgendwie einschüchternd. Sich direkt sozialisieren müssen mit seinem immer noch wackeligen Spanisch und diese Realisation, dass dies nun wirklich das nächste Jahr für einen sein wird. Das erste Heimweh, der erste Kulturschock... Auch das gehört dazu und lässt einen doch auch Familie und Freunde mehr wert schätzen. Lässt einen verglaste Fenster wertschätzen wenn man zum Rauschen einer riesigen Straße einschläft und aufwacht. Aber lässt einen die kleinen Wunder um sich herum entdecken. Die Affen in der Kokospalme direkt vorm Fenster, die zugelaufene Baby-Katze, den Luxus eines eigenen Zimmers mit Licht (!), die Möglichkeit Kolibris, Geier und Nasenbären vor der Haustür zu sehen.

Man fühlt sich aber auch gut aufgehoben wenn die Ticos anfangen mit einem zu scherzen, im Insider einweihen, wenn man gemeinsam kocht, Abends einfach zusammen sitzt und über alles mögliche redet, gemeinsam Musik macht und singt.

Man spürt das erste Mal das immer wieder betonte *Machotum* wenn einem als Mädchen nicht mal zugetraut wird einen Spaten zu benutzen aber Michael, meinem Mitfreiwilligen direkt die Machete angeboten wird. Auch fällt auf, dass man eigentlich immer unter Männern ist. Selten sieht man eine Frau. Aber durch die Warnungen der anderen hatte ich es mir doch sehr viel extremer vorgestellt und, vielleicht auch durch die Sensibilisierung meiner Vorfreiwilligen, es wirkt, als würde man mir relativ unvoreingenommen begegnen.

Ein anderes Thema was ich gerne ansprechen will ist: Müll.
Costa Rica ist kein Land für penible, ordnungsliebende Menschen. Man muss sich an den Anblick riesiger Plastiktüten und Müllberge entlang der Straßen gewöhnen. Muss akzeptieren, dass trotz Costa Ricas Image als Naturschutz-Vorreiter, die Mentalität Müll gegenüber einfach sehr anders ist. In unserem Districto, Nicoya, gibt es keine Müllabfuhr. So einfach ist das - es gibt sie einfach nicht.

Bei uns auf dem Gelände stapeln sich Müllsäcke auf ältere Müllsäcke auf noch ältere, bereits komplett zerrissene Müllsäcke. Papiermüll wird generell immer im Wald verbrannt, überall findet man Tüten und Verpackungsmüll und im Garten gammelte fröhlich ein ziemlich funktionstüchtiger Bürostuhl vor sich hin, den man jeden Tag vom Haus aus sehen konnte und den wir vor ein paar Tagen, aus Mangel an besseren Optionen, neben das Müllgebirge rollten. Nun habe ich zu anfangs völlig verständnislos den Kopf geschüttelt. Wie konnte man so verantwortungslos mit Müll umgehen und wieso herrschte so wenig Bewusstsein? Keiner scheint sich verantwortlich zu fühlen, irgendwie wird sich der Müll schon in Luft auflösen oder einfach über Nacht - was - davonfliegen!?

Aber meine anfängliche Fassungslosigkeit wandelte sich als ich darüber nachdachte, wieso ich so geschockt war. In Deutschland sieht man einfach keinen Müll. Wir wissen dass Müll in die Tonne oder den Eimer gehört. Wissen dass Plastik, Papier, Elektroschrott, Glas, Restmüll, Bioabfälle getrennt gehören. Haben grüne, schwarze, gelbe und blaue Tonnen. All das wissen wir nur wegen Gesellschaftsdruck und Erziehung. Bei uns ist es verpönt seinen Müll an die Autobahn zu werfen, natürlich gibt es diese Menschen trotzdem aber es ist nicht landesweite Norm oder anerkannt. Wir haben den Luxus unseren Müll verstecken zu können, denn - machen wir uns nichts vor - wir produzieren sicher sehr sehr viel mehr Müll als die Menschen aus Thailand, Nicaragua, Vietnam, Indonesien.... Wir wissen nur wie wir ihn verstecken können. Unsere priviligierte Situation erlaubt und keines falls ein Urteil zu fällen. Das lässt sich auf Müllentsorgung aber auch auf viele andere Berreiche des Lebens beziehen. Und so lerne ich mit jedem Tag meine Urteile nicht allzu leichtfertig zu fällen. Zu denken bevor ich bewerte und zu verstehen bevor ich richte.

Ein weiter Thema, dass meine ersten Wochen hier sehr geprägt hat:
Busfahren in Costa Rica - ein Thema für sich und auch einen eigenen Blogeintrag wert: Zunächst weiß man nie wann überhaupt ein Bus kommmt. Da hetzt man sich um den Bus um 10.30 zu kriegen durch die überfüllten Straßen San Joses um im Endeffekt (Entefekt) noch 1 1/2 Stunden Wartezeit zu haben. Da freut man sich diebisch über die tollen Plätze mit massig Beinfreiheit um dann durchgehend von Wasserstürzen heimgesucht zu werden die durch die undichte Buswand dringen. Der Regen verbietet es einem auch noch die Fenster zu öffnen, da man sonst von einem Tsunami davon gespühlt wird, was die Luftzufuhr stark beeinträchtigt. Man leidet also fröhlich seine 5 oder 6 Stunden vor sich hin ABER das ist es Wert wenn man nur knapp 5 Euro bezahlt und eine traumhafte Aussicht auf den Pazifik und wunderschöne, bewaldete Hügel hat.

Wo man sich hektisch mit seinem eher schlechten als rechten Spanisch durchfragt, rettet einen die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Ticos und man schafft es immer irgendwie zu seinem Ziel. Wenn der gesamte Bus dem Busfahrer Instruktionen zuruft wo er uns abzusetzen hat, fühlt man sich doch gut aufgehoben.

Womit vertreibt man sich die Zeit auf so einer Busfahrt?

  1. Aus dem Fenster schauen. Was gibt es schöneres als einfach nur Stunden lang aus dem Fenster schauen, vor allem in einem so schönen Land wie Costa Rica!
  2. Versuchen die Gespräche im Bus zu verstehen und regelmäßig mit entschuldigendem Blick zu verstehen zu geben, dass man nicht unbedingt weiß worauf sein Gegenüber hinaus will.
  3. Essen! Essen in Costa Rica wird ohnehin groß geschrieben und so ist ein guter Snack das A und O.
  4. Wasserfällen ausweichen. Sitzt man am Fenster und fährt Nachmittags in der Regenzeit... Dann hat man eigentlich schon verloren und Stunden des hin und her rückens, Fenster auf und zu machens und des Nass werdens vor sich. Man kann es nicht verhindern also muss man es einfach genießen!
BlogNo:01

1 Kommentar

Kommentar von: Jona [Besucher]

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