Ein Bild der Zerstörung

von 17 jana  

Eine solche Überschwemmung hat es hier seit ungefähr 60 Jahren nicht mehr gegeben. Einer der alten Dorfbewohner, er lebt wohl schon länger nicht mehr, soll die Leute davor gewarnt haben, Häuser und insbesondere die Schule so nah am Fluss zu bauen.

Es wollte Keiner auf ihn hören und jetzt, wo es zu spät ist, erinnern sich die Leute wieder an seine Worte. Viele Menschen rechnen mit weiteren Überschwemmungen in der Zukunft, denn auch hier zeigt sich der Klimawandel mit immer unberechenbarerem Wetter und Wetterextremen.


Dort, wo noch Bananenbäume stehen, hat sich Schlamm abgelagert und man kommt kaum noch bis zum Ufer durch, da man bis zu den Waden versinkt.

Ich spähe durch die Lamellen des Küchenfensters nach draußen in die Morgendämmerung. Etwa zwanzig Meter vom Haus entfernt, wo es normalerweise steil hinab ins Tal geht, kann man Wasser zwischen den Bäumen erkennen. Eine hellbraune Pampe, gemischt mit dem Schlamm, welchen der Fluss angeschwemmt hat und allerlei Ästen und Müll, welche ebenfalls von den Wassermassen mitgenommen wurden. Das Wasser sieht ungesund aus und es gehört definitiv nicht hier her.

Wir wohnen hier in Rey Curré, einer kleinen Indigenengemeinde im Süden des Landes auf dem Berg und dort unten im Tal, wo jetzt das Wasser steht, lebten am Abend zuvor noch Menschen ahnungslos in ihren Häusern.

Ich drehe mich vom Fenster weg, der Regen prasselt immer noch unablässig auf das Wellblechdach unseres Hauses und im Inneren ist es düster. Der Strom ist bereits vor ein paar Stunden ausgefallen und das Wasser ist mittlerweile auch versiegt. Meine Mitfreiwillige Anna sitzt am Küchentisch und versucht Cao, den zuckersüßen kleinen Sohn unserer Übergangs-Gastmama zu beschäftigen. Um fünf Uhr in der Früh wurden wir aufgeregt von ihr geweckt, sie und ihr Mann mussten in aller Eile los, um den Leuten zu helfen, ihr Hab und Gut vor der herannahenden Flut zu retten. Da Cao nicht alleine zuhause bleiben und noch weniger mit ins Überschwemmungsgebiet kann, müssen wir auf ihn aufpassen.

Wir können nichts tun, um zu helfen und das ist unglaublich frustrierend. Die ganze Zeit laufen Menschen auf dem Weg vor unserem Haus aufgeregt umher. Wir machen Frühstück für Cao, versuchen uns abzulenken und hoffen, dass Niemand verletzt wurde. Da das Internet lahmliegt wissen wir nicht, wie die Situation bei unseren Mitfreiwilligen im Rest des Landes aussieht. Am Nachmittag stellen sich unsere Sorgen als durchaus berechtig heraus, Raúls Projekt wurde tatsächlich schwer getroffen und er steckte wohl in einer mehr als brenzligen Situation. Glücklicherweise wurde niemand von unserer Freiwilligen-Familie verletzt.


Sobald man es schließlich bis zum Ufer geschafft hat: Umgestürzte Bananenpflanzen soweit das Auge reicht.

Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten bekommen wir auch aus unserem eigenen Umfeld. Die Menschen, die unten am Fluss wohnen, wurden mitten in der Nacht von den Geräuschen des reißenden Wassers geweckt und haben versucht, möglichst viele Dinge aus ihren Häusern in Sicherheit zu bringen. Für viele kommt allerdings jede Hilfe zu spät. Mehrere Häuser verschwinden komplett unter Wasser, später heißt es, 50 Familien hätten alles verloren. Wie immer in solchen Fällen trifft es besonders die Leute richtig hart, die auch vorher schon nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen. Auf den günstigen Grundstücken unten am Fluss leben die ärmsten Bewohner Rey Currés.

Die Schule der Gemeinde ist ebenfalls stark geflutet und beschädigt. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis hier wieder Unterricht stattfinden kann. Direkt am Flussufer, wo sonst Bananenbäume standen, die auch einen Großteil der Bewohner versorgt haben, findet man nun eine riesige Fläche umgeknickter Pflanzen. Es ist ein Bild der Zerstörung, welches wir am Tag nach der Katastrophe bei einem Spaziergang zum Ufer erblicken. Man kann genau sehen, wie hoch das Wasser gestiegen ist. Überall liegt Schlamm und der Wald scheint bis zu einer gewissen Höhe einfach weggepustet zu sein.


Überall an den Straßen gab es Erdrutsche und gefährliche Abbruchkanten machen das Befahren der Straße teilweise unmöglich.

Mittlerweile kehren die Menschen langsam wieder in ihre Häuser zurück, es gibt viel zu tun und die Bewohner Rey Currés helfen sich gegenseitig. Möbel, Kühlschränke und alles, was die Leute mit sich nehmen konnten, hat im Gemeindezentrum eine Notunterkunft gefunden. Dort haben die geretteten Sachen als Trennwände zwischen den Schlafplätzen der einzelnen Familien gedient, um wenigstens für ein kleines Bisschen Privatsphäre zu sorgen. Die Familien, deren Häuser nicht komplett zerstört wurden, kehren nach Hause zurück und der Rest zieht in ein kleineres Gebäude um, da das Gemeindezentrum als Ersatzgebäude für die Schule dienen muss. Wir helfen beim Möbelpacken und bekommen die Geschichten der Leute mit. Man kann wohl von Glück sprechen, dass Niemand verletzt wurde.

Die Katastrophenhilfe von öffentlicher Seite läuft erschreckend langsam an. Die Straßen waren lange Zeit nicht passierbar, die lokale Regierung der Indigenen liefert ein Paradebeispiel der Korruption indem sie Hilfsgüter unterschlagen, das Gesundheitsministerium pustet fröhlich Chemikalien in die Häuser, anstatt sich um die Menschen zu kümmern. Aber dazu berichten Anna und ich in den nächsten Beiträgen, hier gibt es schließlich noch Einiges zu tun.

BlogNo:02

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...