Eine andere Zeit

von 17 jana  


Der Blick aus meinem Fenster auf die Finca.

Wenn man sich mein derzeitiges Zuhause so anschaut, könnte man glauben, hundert Jahre in der Zeit zurück gereist zu sein. Auf einer Lichtung mitten im Regenwald steht ein kleines Holzhäuschen, daneben eine noch kleinere, halb offene Hütte, aus der Rauchschwaden aufsteigen - die Küche. Drei Schweine, zehn Ferkel, einige Hühner, ein Hund und ein Pferd bevölkern die Finca meiner Gastmutter Doña Luisa. Strom gibt es nicht, gekocht wird auf offenem Feuer und etwas entfernt im Wald steht ein Plumpsklo.

Schon die Anreise hierher war ein kleines Abenteuer. Ich wurde für das letzte Stück Weg mit dem Pferd vom Bus abgeholt. Es wurde ein bisschen umgepackt, sodass das Pferd die Hälfte unseres Gepäcks übernehmen konnte und dann ging die Wanderung los: Fünf Stunden bergauf, über Matschpfade durch den Regenwald, in die Berge des Territoriums der Ngöbe-Indigenen. Jedes Mal wenn ich mein Handy aufladen und Kontakt in die Heimat oder zu meiner Organisation Pro REGENWALD aufnehmen möchte, muss ich eine Stunde weiter ins Dorf Las Vegas laufen. Eine Familie besitzt ein Solarpanel auf dem Dach und auf dem Weg gibt es etwas Handyempfang.


Unsere kleine Hütte im Wald.

Die Zeit hat hier eine ganz andere Bedeutung, fernab der Hektik jeder großen Stadt schlägt das Leben einen anderen Takt. Morgens um fünf, wenn die Sonne aufgeht, stehen wir auf und beginnen mit der Arbeit auf dem Feld. Um zehn oder elf Uhr wird zu Mittag gegessen und da die Sonne hier in Costa Rica ganzjährig bereits um fünf Uhr wieder untergeht, wird spätestens dann zu Abend gegessen. Bei Kerzenschein kann man dann noch ein paar Stunden lesen oder sich unterhalten, dann wird geschlafen.

An den Berghängen um die Lichtung baut meine Gastmama fast alles an, was hier auf den Tisch kommt. Es gibt Reis, Bohnen, Yucca (eine Wurzel, ähnlich der Kartoffel), Avocados, Bananen, Platanos (Kochbananen), Quadrados (eckige Bananen), Mangos, Ananas, Kokosnüsse, Kaffee, Kakao und noch unzähliges Obst und Gemüse, das ich im Laufe der Zeit vielleicht noch kenne lernen werde. Nur Dinge wie Salz, Zucker, Öl und Mehl werden von Doña Luisas Sohn Urias mitgebracht, der uns von Zeit zu Zeit besuchen kommt.

Für mich ist das Essen hier Luxus. Wann immer ich möchte kann ich zu den Mandarinen-, Orangen-, Grapefruit– oder Zitronenbäumen vor dem Haus gehen und pflücken, was mir gefällt (ich kann die Mango– und Avocadosaison schon jetzt kaum erwarten). Obst und Gemüse, welches man in Deutschland nur mit schlechtem Gewissen kaufen kann, weil es einmal um den halben Globus geflogen und auf riesigen Plantagen unter Einsatz von Unmengen von Agrochemikalien angebaut wurde, wächst hier in Bioqualität direkt vor meinem Fenster.


Doña Luisa und ich bei unserer Standartbeschäftigung: Dem chappen (= Unkraut abschneiden).

Dafür muss sich mein verwöhnter Deutscher Gaumen allerdings auch in Genügsamkeit üben. Da eben alles selbst angebaut und an die Saison gebunden ist (ein Kühlschrank ist eine reichlich utopische Vorstellung), ist auch die Vielfalt des Essens begrenzt. Es gibt drei Mal täglich Reis, dazu momentan abwechselnd Bohnen, Yucca, Kochbanane Ei oder Tomate. Alles andere, Nudeln zum Beispiel sind ein seltener Luxus, mitgebracht von Urias aus der Zivilisation außerhalb des Territoriums.

Momentan bin ich damit beschäftigt, mich an diese Umstände zu gewöhnen, die Kommunikationsweise der Indigenen verstehen zu lernen und anzukommen. Ich lerne die Menschen hier kennen, die zwar wunderbar offen und interessiert an mir sind, aber auch eine gewisse Distanz bewahren und „die Weißen“, die freiwillig in ihr Territorium kommen und sich für ihr Leben und ihre Probleme interessieren noch reichlich komisch finden. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich die Menschen richtig kennengelernt und den ersten Kulturschock überwunden habe und mit meiner wirklichen Arbeit beginnen kann.

BlogNo:05

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