"Wenn Politik müde macht" - Impressionen einer Wahl

von 17 radka  

Costa Rica hat gewählt. Oder zumindest ausgewählt. Die Wahl am 04.02 hat als Ergebnis eine Stichwahl herausgeraucht. Im April geht es für die Ticos daher wieder an die Wahlurne! Die Entscheidung zwischen Fabricio Alvarado und Carlos Alvarado. Denn in Costa Rica gilt, wenn im ersten Wahlgang keine Partei 40% oder mehr der Stimmen für sich gewinnen kann, wird erneut gewählt. Allerdings geht es dann nur noch um die Entscheidung wer Präsident wird, die Diputados (also die Abgeordneten) stehen nach der ersten Runde fest.

Die Stimmung in Hojancha, einem kleinen Ort in den Bergen der Nicoya Halbinsel ist entspannt, die Wahl nur dann Thema wenn man gezielt dannach fragt. Am Wahlabend bin ich bei Freuden zum Abendessen und sie unterhalten sich über das Wahlverhalten ihrer Familien und des Dorfes. Denn anscheinend liegt Partei hier im Blut. 'Die Sanchez's sind ja eigentlich Liberacion, aber ich habe gehört, ihr Sohn wählt anders.'. Dieses traditionelle Wählen bemerkt man auch an den mit Fahnen und Slogans bestückten Autos oder Häusern. Die Menschen zeigen ihre Zugehörigkeit sehr selbstverständlich und stolz, etwas das ich in Deutschland so noch nie beobachtet habe.

Einige Aussagen geben die Stimmung recht gut wieder:

-'Ich bin zufrieden. Mein Kandidat steht an zweiter Stelle und kommt in die zweite Runde.' -50, San Jose
-'Ich war von Anfang an für Castro. Er hätte durchgegriffen. Für Diebstahl 20 Jahre Haft. Das ist was wir heute brauchen. Früher haben die Eltern ihren Kindern gesagt: 'Stehlen ist schlecht.' und heute ist jeder Mensch kriminell.' - ca. 40, San Jose im Uber
-'Was es gibt einen zweite Wahlgang? Ich dachte Fabricio hat gewonnen' -28, Hojancha
-'Das kann sehr sehr gefährlich werden.' -29, San Jose

In den Tagen nach der Wahl fällt mir eine Zeitung in die Hand, die mich stutzen lässt. Der Artikel der meine Verwunderung verusacht: 'Jóvenes de entre 19 y 29 años son los que menos votan en Guanacaste' - 'Jugendliche zwischen 19 und 29 gehören zu der Altersgruppe, die in Guanacaste am seltensten zum Wählen geht'. Ich denke irgendwie immer, dass gerade die junge Generation am begeistertsten ihr Recht zu wählen, also ihr Recht zu partizipieren, auslebt. Wenn man jung ist, dann will man doch verändern, will den Geist der Zeit beeinflussen. In Guanacaste, der Provinz im Nord-Westen des Landes, die im Norden schon an Nicaragua grenzt, scheint es anders zu sein. Der Grund, eine Aussage, die ich oft gehört habe in Verbindung mit der Wahl, es ist egal wer regiert, es verbessert sich sowieso nichts. Bei den Menschen kommt nichts an. Man spürt keine Veränderung und so bleibt man einfach passiv. Deshalb war die Demonstration für den Estado Laico, über die Julia in Mehr Rechte - weniger Segen geschrieben hat, so ein Ereignis: Eine kleine Wachrüttelung, die offensichtlich keine nationalen Auswirkungen hatte wenn man sich das Wahlergebnis und die Wahlbeteiligung anschaut. Wieso den Gang zur Wahlurne auf sich nehmen, wieso sich die Mühe machen sich zu infornmieren, wenn am Ende einfach alles genau so weiter fliesst wie bisher? Costa Rica schläft, streckt sich manchmal und gähnt herzhaft nur um sich auf die andere Seite zu rollen und weiter zu dösen.

Guanacaste liegt mit der Anzahl der Nichtwähler über dem Durchschnitt des Landes. In Guanacaste haben sich 40% entschieden, nicht zu wählen während es in ganz Costa Rica 36% waren. Vergleicht man die Zahlen der Nichtwähler der 7 Provinzen des Landes so ist der Trend nicht zu übersehen. Die urbanisierten und reicheren Provinzen um das Valle Central (San Jose, Cartago, Alajuela und Heredia) liegen mit Prozentsätzen um 35% der Nichtwähler deutlich unter den 40-45% der ländlicheren Provinzen an den Küsten des Landes (Limon, Puntarenas und Guanacaste).

Wieso ist das so?

Ich habe schon oft gehört, dass zum Beispiel die Schulbildung in Guanacaste der im Valle Central hinterherhinkt, in Hojancha fehlt es an Arbeitsplätzen, Menschen ziehen in das pumpende Herz des Landes. Auch hier in Costa Rica scheint sich die Bevölkerung der ländlichen Regionen zunehmend abgehängt zu fühlen. Das ist in Deustchland nicht anders. Die Politik-Frustration zieht sich wie ein roter Faden durch die Welt. Zu beobachten in dem Establishment-Überdruss der U.S-Amerikaner, im Brexit-Wunsch der Briten, in der neuen rechten Welle. Irgendwie sehnen sich die Menschen nach etwas Extremen. Irgendetwas soll passieren, nicht immer durch das seichte Dahingeplätscher und Politik als Hintergrundrauschen.

Und so gibt man sie einfach ganz auf. Auch Freunde von mir, das selbe Alter, gerade mit der Schule fertig, oder im Studienleben, gehen nicht wählen. Aus Prinzip. Ich denke, dass in einem demokratischen System zu leben, ein Privileg ist, das wir nicht realisieren und viel zu wenig wertschätzen. Diese Stimme die wir auf dem Papier haben, ist auch wirklich eine Stimme. Eine Stimme die so klein und unbedeutend wirkt. Man denkt: Ich bin ja nur einer von 80 Millionen, was für einen Unterschied kann ich schon machen?

Ich glaube, es würde in Costa Rica schon sehr helfen die Parteijugenden zu unterstützen. Mehr Gruppen einzurichten, die Jugendlichen mehr einzubinden. Auch die Unterschiede der Parteien untereinander deutlich und klar herauszustellen, damit die Bevölkerung weiß wofür und wogegen sie abstimmt. Einen Wecker neben dem Bett der laut und schrill piept ohne Pause - bis das Land aufsteht.

BlogNo:12

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