Von Suchern und Besuchern

von 17 philipp  


Studentengruppe auf Forschungsaufenthalt

Die Gruppe kann kommen. Nach monatelanger Vorbereitung erreicht die Bereitschaft einen Höhepunkt in stille. Alle Böden sind mindestens dreimal geschrubbt, das Dach ist repariert, die termitenzerfressenen Wände durch neue ersetzt und die Betten gemacht, das Gemüse ist geschnitten und der Pool repariert und befüllt, alle Wege sind gechappt und befestigt und die Wasserversorgung funktioniert auch endlich wieder einwandfrei. Ein neuer Eingang ziert die Greenschool und neue Töpfe unsere Küche.

Nach einigen Jahren Schneewittchenschlaf haben wir innerhalb weniger Monate unsere Station wieder zu einer dezenten Unterkunft für zahlende BesucherInnen gemacht. Sollen sie kommen.

Es ist nicht einfach ein Einkommen aus Naturschutz zu erwirtschaften. Selbst in Costa Rica wo die Aufforstung - zumindest ist dies der eifrig kommunizierte Anspruch - auf der politischen Agenda steht, entstehen doch für jeden gepflanzten Baum Kosten auf seinem Weg vom Vivero (Baumschule) bis auf die Finca (Landstück). Nicht zu vergessen die Pflege bereits gepflanzter Bäume. Neben nationaler Einrichtungen wie FonNaFiFo und MinAE unterstützen zwar auch lokale Strukturen, wie die Landkreise oder Baumschulen vor Ort, alle fleißigen Bäumepflanzer aber am Monatsende sind die Zahlen dennoch oft rot und unser Chef hilft ein bisschen mit eigenem Geld nach oder Pro REGENWALD sendet ein Spendenpaket aus Deutschland.

Wie befreit man sich aus dieser Misere?

Man könnte auch fragen: Wie generiert ein Wald Geld, den man ihn nicht ausbeuten - also alle Bäume stehen und (fast) alles Totholz liegen lassen - will? Vieles wurde versucht, vieles ist fehlgeschlagen. Deshalb wagen wir nun die Wiederbelebung des Gruppentourismus. Studenten sollen auf ihren Exkursionen und Studienfahrten ein paar Tage in unserem Projekt verbringen, um unsere Arbeit kennenzulernen und die Magie dieses Ortes zu erfahren. Als Gegenleistung bringen sie Leben und Devisen mit sich. Inspiration für Geld, Erfahrungen gegen Scheine. Prostitution irgendwie, aber was tut man nicht alles?

Alles tut man dann doch nicht. Der Reiseleiter hat uns zwar nur einen Vegetarier gemeldet, aber bei der Menüplanung einigen wir uns schnell auf eine vegetarische und, wenn man die frische Milch vom Nachbarn zum Kaffee mal ausblendet, sogar vegane Vollpension. Der Grund: es war vor allem die aufkommende Viehwirtschaft, die innerhalb nur einer Generation die Waldfläche Costa Ricas um dreiviertel reduzierte. Bis in die 1970er mussten große Teile des ursprünglichen Waldes den Fortschritt und Reichtum versprechenden Weiden weichen, die sich von Guanacaste im Norden wie ein Geschwür nach Süden ausbreiteten - und auch vor unseren Berghängen nicht Halt machten.

Wir stampfen also ein veganes Menü aus dem Boden, tragen Unmengen von Bananen auf dem Rücken von der Staude direkt in unsere Küche, ernten Kokosnüsse und Orangen, Kurkuma und Zimt. Wir pflücken fleißig Blätter, um daraus frische Tees zu bereiten und holen Brennholz für die Kochstelle, auf der wir Suppen und Bohnen bereiten und ganz nebenbei Kohle produzieren, um sie gemahlen in unsere Terra Preta zu geben und Asche um den PH-Wert der Böden zu heben.

Alles könnte perfekt sein, doch dann beginnt es wenige Stunden vor Ankunft der Studenten (jahreszeitenuntypisch) stark zu regnen und der vorher so klare Pool verkommt zur grünen Brühe. Dann fällt der Strom aus und wir begrüßen unsere Gäste bei Kerzenschein und mit Taschenlampe. Der Regen schwächt die Flammen der Feuerstelle und das Nudelwasser hat bei Ankunft der Gruppe noch nicht gekocht...

Die einzig gute Nachricht: Die Reparatur des Daches hat sich gelohnt und alle bleiben trocken.


Studentengruppe auf Forschungsspaziergang

Grundlagen der Bodenverbesserung

Geht schnell: viele Hände füllen Pflanzbeutel

Pflanzarbeiten

Es ist sehr angenehm Botanik- und Ökologiestudenten zu beherbergen. Denn während andere Gäste beim Anblick der allabendlich in Duschen und Fluren erscheinenden Kröten Ekel empfinden würden, zücken diese Kamera, Notiz- und Bestimmungsbücher und erfreuen sich eines derart besonderen Fundes, der nun die Datenreihe des Tages krönt. In Anbetracht der Seltenheit der in den Bädern heimischen Fledermausarten fällt es ihnen leicht über deren braune Hinterlassenschaften auf weißem Kachelboden hinwegzusehen, die auch durch regelmäßiges Bodenwischen unsererseits nicht komplett kontrollierbar sind. Man kann sagen: Wir haben Glück mit unserer ersten Gruppe.

Beim ersten Frühstück stellen wir entgeistert fest (wir alle sind Teetrinker) welche Unmengen an Kaffee zwanzig Menschen vernichten können und stehen, nachdem sich alle Gäste genommen haben, vor einer fast unangerührten Platte geschnittener Papaya. Doch das alles sind Kleinigkeiten und auch wenn wir die Papaya-Abstinenz bis zum Ende nicht nachvollziehen können, haben wir uns bereits am zweiten Tag an die Essgewohnheiten der Gäste gewöhnt, produzieren weniger Reste und geraten nicht mehr in Stress, so dass wir es uns sogar leisten können das Küchenpersonal zu verkleinern und die Gruppe bei ihren Forschungsexkursionen zu begleiten.

Das Tempo ist langsam. Beim morgendlichen "Birdwalk" wird das "walk" auch gerne mal ausgeblendet und man bleibt eine Stunde, bewaffnet mit Ferngläsern und Teleobjektiven, vor dem Stationstor stehen, nicht ohne dabei überglücklich zwanzig gesichtete und zehn anhand des Gesangs bestimmte Spezies in seinen wasserfesten Block zu notieren.

Überall ist Leben. Überall gibt es etwas zu entdecken. Während die Ersten über Algen in Entzückung geraten, zählen die Anderen voller Stolz Froscharten, um die Daten später mit den Ergebnissen einer an der Karibikseite abgehaltenen Zählung abzugleichen. Bei Einbruch der Dunkelheit kehren alle Gruppen glücklich und mit Unmengen an Daten zurück und beginnen mit der Auswertung und Analyse.

Bei einer (sehr langsamen) Wanderung durch den direkt an die Station grenzenden Nationalpark mit seinen Sekundär- und Primärwaldbeständen kommt Stolz auf in mir und meiner Mitfreiwilligen Hanna. Denn wir können die meisten Fragen von Studenten und Professoren beantworten, können Bäume anhand der im undurchsichtigen Grün der Kronen verschwindenden Stämme bestimmen und Wissen teilen, von dem uns bis dato nicht bewusst war, dass wir über es verfügen.

Noch konkreter wird diese Erfahrung am Nachmittag des vorletzten Tages, dessen Programmplanung in unserer Hand lag. Beim Pflanzen von Yuca und beim Einsähen von Guava und Guapinol, beim Anmischen von Erde und beim Beschneiden der Kakaobäume überraschen wir nicht zuletzt uns selbst mit dem angesammelten Wissen aus vier Monaten Arbeit, zusammengekratzt aus Workshops und Büchern, umständlichen Internetrecherchen und kryptischen Erzählungen unseres Chefs (der während der Anwesenheit der Studentengruppe seinerseits mit Abwesenheit glänzt).

Abends sitzt man bei Kürbis-Kokos-Suppe am Essenstisch und Anna und Jana ziehen die Gruppe mit ihren Erzählungen aus den Indigenengebieten "Buruca" und "Punta Burica" in ihren Bann, später erklingt die Gitarre und man tauscht singend und spielend neben Liedern auch Erfahrungen und Eindrücke aus.

Die sonst so große und leere Station wirkt belebt und weniger fehl am Platz, gemütlicher und dynamischer und man könnte sich fast daran gewöhnen, nicht nur eine sondern gleich viele Gruppen zu beherbergen, zu verpflegen und zu bespaßen. Wer weiß, was da auf kommende Freiwilligengenerationen noch zukommt?

BlogNo:07

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