Packlistenkritik aus Sicht eines Korridorbewohners

von 17 philipp  

(Warnung: in anderen Einsatzstellen können andere Bedingungen herrschen)

Auf Pro REGENWALD Vorbereitungsseminaren kursiert eine Packliste, deren fatale Wirkung sich viele Jahre nach der Erstellung selbiger Liste, in einem unendlich erscheinenden Chaos innerhalb der Grenzen eines endlichen Trockenraumes offenbarte.

Da Trockenräume und Kühlschränke technisch nach sehr ähnlichen Prinzipien funktionieren, kann man sich die überwältigende Masse an Müll nur dadurch erklären lassen, dass Sie wohl durch Reduzierung des Volumens den Luftaustausch und damit den Energiebedarf gering halten sollte (ein Trick der bei Kühlschränken wirklich funktioniert). Dieser Form der Sparsamkeit wurde nun ein jähes Ende gesetzt und damit die Nebenwirkung in Kauf genommen, dass man nun, wenn man dringend Altglas, leere Pappkartons oder die Ausgabe des "Spiegel" vom 15.6.2011 benötigt, ernsthafte Beschaffungsprobleme bekommen könnte.

Anlass besonderer Freude war eine Sammlung etwa 30 verwittweter Socken verschiedener Größen, Farben und Macharten, die in der Einsamkeit ihres Auftretens einer Selbsthilfegruppe am Boden der Kleiderkiste glichen. Auch einige verbeulte Töpfe, henkellose Pfannen und herrenlose Unterhosen (meist gewaschen, fast immer löchrig) fristeten ihr Gnadendasein hinter CDs und Sonnencreme.

Die Ruhe dieses empfindlichen Systems zu stören war eine Aufgabe, der sich zwei Forrestguardians, die ja eigentlich eher im Sinne der Konservation zu handeln pflegen, eher missmütig widmeten.
Wie dem auch sei: Einige qualvolle Stunden, viel Staub und eine umfassende Kritik der Wegwerfgesellschaft später, erstrahlt der Trockenraum in frischem Glanze und lädt neuerdings mit seinem üppigen Platzangebot dazu ein, beherzt das Tanzbein zu schwingen (gerne auch mit Hebefiguren).

Zwar wäre es in einer Welt polykausaler Erklärungen nicht ehrlich die alleinige Schuld am besiegten Tohuwabohu in einer willenlosen Packliste zu suchen, jedoch kann man guten Gewissens behaupten, dass geringfügige Änderungen oder Ergänzungen der Selben zur Nachhaltigkeit der neu geschaffenen Ordnung beitragen könnten. Einige Beispiele:

Sonnenchreme ist bei der in Äquatornähe erhöhten Einstrahlungsintensität nicht grundsätzlich zu hinterfragen, jedoch lässt die Tatsache, dass sich hier nach Abschluss der Aufräumaktion noch immer ¡10! volle Behältnisse der schützenden Flüssigkeiten befinden, doch einige Rückschlüsse zu. Auch markenorientierte Freiwillige oder solche mit besonders hohem Schutzbedürfniss (LSF50+) sollten auf ihre Kosten kommen.

In vielen Regionen Costa Ricas ist wirklich erholsamer Schlaf nur unter der schützenden Aura eines Moskitonetzes möglich. Aktuell befinden sich jedoch 8 solcher Netze vor Ort und es ist mit einer Zunahme dieser Ziffer zu rechnen, sobald die aktuelle Freiwilligengeneration ihren Rückflug antritt und der wertvolle Rucksackplatz für Souvenirs und Andenken in Anspruch genommen wird.

"Hygiene ist keine Wissenschaft sondern eine Tugend." Diesem Wahlspruch folgend ist die Tugendhaftigkeit all jener hervorzuheben, die sich und ihr Umfeld mit Hilfe von Handdesinfektionsgeel keimfrei zu halten suchten, der Versuch hat dem Korridor ein Sortiment verschiedener Produkte beschert und ist dennoch als gescheitert anzusehen.

Jeanshosen (baggy) erhöhen zwar die Streetcredibility enorm und können ihrem Träger dadurch den Sieg eines Rappbattles bescheren, für Arbeitshosen ist der begehrte blaue Stoff jedoch vollkommen ungeeignet und auch beim Ausgehen ist Leichte Kleidung zu bevorzugen. Sollte es doch mal eine*n Freiwillige*n ins kalte Cartago verschlagen, steht hier eine Auswahl an winterfester Kleidung bereit.

Obwohl es mich als treuen Anhänger der französischen Messerschmiede schmerzt diese Zeilen zu schreiben, muss ich gestehen, dass der Buchenholzgriff meines geliebten Opinell n°10 auf die hohe Luftfeuchtigkeit mit Schimmelbildung reagierte, wesshalb das Messer den Großteil der Zeit im Trockenraum verbringt. Als treuer Begleiter dient hier meist eine 20 Zoll Klinge der Marke Corneta (auch als Machete bekannt). Totz allem ist ein gutes Taschnemesser auf Reisen unverzichtbar.

Zwar ist bereits das Entwenden von Reisedecken auf Fernflügen als Diebstahl zu betrachten, das wahre Verbrechen wäre es jedoch, noch mehr dieser Decken in den Korridor zu verschleppen!

Reisefürer, besonders solche von "lonely planet" kosten viel Platz im Reisegepäck und leisten eher bescheidene Dienste. Auch in Costa Rica hat der Siegeszug des Internets bereits begonnen (auch wenn dies zugegebenermaßen an vielen Projektorten aufgrund fehlender Signalmasten noch nicht angekommen ist). Ergänzend ist zu erwähnen, da wird Hermann mir jetzt zustimmen, dass man seine kostbare Zeit doch eher der Weltrettung als dem Reisen widmen sollte.

Auch Mehrfachsteckdosen stehen in ausreichender Menge zur Abholung im Korredor bereit und müssen, ja sollen, nicht mitgebracht werden. Adapter jedoch erweisen gute Dienste (der Trend geht zum Zweitadapter).

"Rei" kann getrost zuhause gelassen werden. Auch hier kann, wer auf die Reinigungskraft der gelben Tube nicht verzichten will, Altbestände aufzähren. Momentan zählen wir 5 Tuben. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass andere Produkte ähnliche Ergebnisse erzielen.

Unter den Trägerinnen zweier X-Chromosome haben sich flächendeckend die Menstruationstassen etabliert. Diese sind all ihren Mitbewerbern nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch überlegen. Tampons sind hier schwer zu bekommen und/oder unerschwinglich.

Die Reiseapotheke ist idealerweise auf ein Minnimum zu beschränken. Im Falle akuter Beschwerden verfügt Costa Rica über ein recht dichtes Netz anständig ausgerüsteter Krankenhäuser und Arztpraxen, die einen gerne mit allerlei Medikamenten (über-)versorgen. Besonders bei Antibiotika und Schmerzmitteln sollte eine Notfallration genügen. Dies espart künftigen Stationsbewohnrn Entsorgungsprobleme.

Entgegen des weitverbreiteten Irrglaubens eignen sich auch solche Kleidungsstücke zur Arbeit und zum Aufenhalt im Freien, die nicht expliziet mit dem Wort "Outdoor" versehen sind. Obwohl sich Zip-Hosen unter der Freiwilligenschaft einer großen Beliebtheit erfreuen,kann doch jede lange Hose aus dünnem Stoff ihren Dienst als Arbeitshose verrichten, sofern sie denn bequem ist. Bei Arbeitshemden erweisen sich natürliche Materialien wie Baumwolle oder Lein in Sachen Tragekomfort den Synthetischen Kontrahenden überlegen. Die Grundsätze bei der Hemdwahl sollten lauten: 1.Langärmlig 2.Bequem 3.Gebraucht 4.Ranzig

Coronado feiert dieses Jahr die Einweihung der ersten kommunalen Kläranlage Costa Ricas, im Rest des Landes besteht Abwassermanagment (falls es solches überhaupt gibt) darin die stinkende Brühe möglichst störungsfrei versickern zu lassen. Diese Information sollte sich auf die Auswahl von Hygieneprodukten niederschlagen. Zahncreme, Shampo... sollten biologisch abbaubar sein. Zwei Seifenstücke halten problemlos ein Jahr und machen viele ander Produkte (Shampo, Duschgel, Hans dseife...) überflüssig. Auf der Feria Verde in San Jose kann man auch vor Ort ökologische Hygieneprodukte beziehen.

Socken sollten umbedingt auf ihre Gummistiefeltauglichkeit hin überprüft werden! Kurze oder rutschige Socken haben im Reisegepäck wenig zu suchen.

Wörterbücher als veraltet zu bezeichnen, wäre verfrüht, jedoch beweisen offline-apps eine größere Praxistauglichkeit. Wer auf Papier dennoch nicht verzichten will, findet im Korridor Exemplare in verschiedenen Größen und Ausführungen, die bestimmt anderswo besser aufgehoben sind.

Wer jetzt vor einem nur halbvollen Rucksack steht tut sich und anderen bestimmt eine Freude, wenn er/sie die freigewordenen Kapazitäten mit Gelierzucker und Gesellschaftsspielen auffüllt. Es hat schon Generationen von Freiwilligen das Herz gebrochen, die Mangozeit in all ihrem Überfluss vorbeistreichen zu sehen und nicht in der Lage zu sein haltbare Marmeladen zu produzieren. Auch Käse und Vollkornbrot erleichtert die Eingewöhnung während der ersten Wochen im Land von Reis und Bohnen.

BlogNo:11

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