Die Vielfalt Costa Ricas entdecken - Müll

von chris_11  

Einen Tag auf den Spuren des Mülls in Costa Rica
4 Uhr 40. El Saíno de Pital. Der Tag beginnt früh für die meisten Einwohner des überschaubaren Örtchens, besonders für die Plantagenarbeiter auf den Piña-Farmen. Und auch für uns Freiwillige hier, die wir schauen, dass wir vor der großen Mittagshitze wieder zurück sind.

Man wird also um spätestens fünf, viertel nach fünf genötigt, langsam mal aufzustehen, nachdem man eine halbe Stunde vorher vom Knarzen der einzigen Tür im Haus und der Klospülung - mit entsprechendem vorausgehendem Einleitungssoundtrack - aus dem Schlaf gerissen wird. Das vielleicht etwas unangenehme Thema des Klogangs selbst hat hier selbst schon einen interessanten Aspekt für unsere kleine Führung: nach dem erfolgreichen Geschäft landet hierzulande der Überweisungsträger nämlich nicht wie bei uns direkt in der Rohrpost, nein. Dafür gibt es einen ganz eigenen Zusteller. Ein „Basurero“ empfängt, was für ihn bestimmt ist. Was dann mit all den Versprechungen passiert, das sehen wir heute Nachmittag, also ein paar Stunden und Zeilen von hieran später.

Nach herzhaften, kulinarisch unendlich facettenreichen, immer gleichen Frühstück – Reis und Bohnen, oder auch Gallo Pinto, wie man ES morgens nennt – machen wir uns dann so langsam auf den Weg.... jaja, der Weg... Hier trifft man vielerlei bekannte und vertraute Gesichter. Ein alter Freund grüßt hier, ein noch unbekannter da. Und achja, zwischen CocaCola-Plastikflaschen und MaxiMalta-Malzbierdosen gibt’s hier und da sogar ein paar Menschlein. Das ganze klingt jetzt vielleicht ein bisschen spitz, doch das ist hier die Wirklichkeit. Was man bei uns „öffentliche Mülleimer“ nennt, das ist hierzulande gemeinhin der Straßengraben. Denn hier, wo sich Büchs und Straße gute Nacht sagen, gibt es so etwas nicht. Und das trotz all der verzweifelter Bemühen einiger müllfeindlicher Gruppierungen, dass zumindest die Pulperias und Supermercados hier - die an jeder Straßenecke wie Pilze aus dem Boden schießen und die dafür verantwortlich sind, dass die Menschen so sehr dem Konsum und dem Müll fröhnen – eigene „Basureros“ anstellen. Könnte daran liegen, dass solche Interessengruppen und Gemeinschaften allgemein eher rar sind hier und sich zudem nicht gerade über viel Zulauf freuen können.

Als tiefgläubige Anhänger des Antimüll-Kultes verstehen wir es natürlich als unsere höchstheilige Aufgabe auch auf dem Weg vom Wald, wo wir unsere Arbeit tun, zurück ins Dorf, all den sündhaften Überresten der noch sündhafteren Konsumgewohnheiten a la USA den Kampf anzusagen. Bonbonpapiere, Plastikflashen, Bierdosen, Chipstüten... Egal ob Schulweg oder der Gang zur Arbeit auf die Plantage, der Weg zur Kirche oder zum Fußballfeld. Die Definition von Komfort hat ihre Betonung hierzulande leider allzu sehr auf dem Gefühl der „sorgenlosen Freiheit“ liegend, als auf Sauberkeit und Behaglichkeit. Die gesammelten Schätze geben wir – nun wieder im Dorf angekommen – in die Hände des einzigen Basureros an einem der Supermärkte. Sehr schön.

Dass manche Menschen ihren Müll wohl lieber auf dem Weg zurücklassen, liegt vielleicht daran, dass es hier, wie leider vielerorts in diesem sonst so schönen Land, keine Colección, also Müllabfuhr gibt, oder sie einfach „zu viel kostet“. Doch da fragt sich jetzt der entsetzte Deutsche, wie um alles in der Welt das nur funktionieren soll. „Kein Problem!“, denkt sich der Costa Ricaner – wenn er überhaupt denkt. Es ist insofern kein Problem, dass Streichhölzer hierzulande auch nicht so teuer sind, und im Garten, egal wie klein er ist, immer genug Platz zwischen Ñampi und Chayote für ein kleines Feuer ist. Was da so exotisch klingt ist das einheimische Gemüse, und was da so abstrus getrieben wird, das alltägliche Leben. Welche Dämonen bei diesen Rauchopfern an die Götter so alle in die Luft und den Boden ausgetrieben werden, und damit natürlich auch ins Gemüse und in die zum Trocknen aufgehängten Klamotten, das interessiert hier weniger. So abergläubig sind die Leute hier dann auch nicht. Was ist schon Schlimm an Plastikflaschen und Folien, Tüten und – ja, jetzt kommen wir auch endlich auf unsere Gaben an den tollen Badezimmer-„Basurero“ zurück – Überweisungsträgern? Aus den Augen aus dem Sinn, wie man so schön sagt. Warum letzteres nicht wie das „Bare“ den weg durch die Rohre nimmt, liegt daran, dass diese hierzulande schmäler sind und mit all dem ... äh.. Zaster allein schon völlig ausgelastet ist.

Aber zurück zum Müll, zu CocaCola, Chips und all dem Rest Amerikanischer Hochkultur. Bei diesen einfachen Sachen haben wir uns beim Aufsammeln nicht schwer getan, auch wenn hier jeder als Kommunist abgestempelt wird, der so etwas tut. Schlecht wars dann eher bei den Geschenken derer, deren Garten dann wohl doch zu klein war. Wer will schon aufgerissene Müllsäcke mit vollen Windeln und anderen tollen Überraschungen aufsammeln? – Tja, das wollten wir dann erst mal auch nicht. Aber so sieht hier gerade die Welt aus. Das ist Costa Rica, wie es leibt und lebt. Zumindest durften wir vor kurzem feststellen, dass es Leute gibt, die rumgehen, die Dosen von den Haushalten sammeln und zum Recyclen bringen. Wohl weniger aus Naturverbundenheit, aber dennoch ein Anfang.

Könnten sich die Regierung und die Gemeinden, also die Municipales, fast mal ein Scheibchen von abschneiden. Hier, noch mehr als bei uns, folgen den Worten kaum Taten. Viel wird geredet, doch nichts passiert. So gibt es beispielsweise Pläne zur Müllentsorgung, die auch von der KfW mit deutschen Geldern unterstützt werden. Doch wie zu oft landen auch diese Gelder nicht dort wo sie hingehören. Anstatt dass die Municipales tatsächlich die von Universitäten entworfenen Pläne zum Bau von Anlagen zur Mülltrennung und zum Recyclen umsetzt, kauft man ein paar Tausend Hektar, lässt drumrum ein wenig Wald stehen und vergräbt alles schön in der Mitte. Gibt ja sonst später mal keine Beweise dafür, dass schon eine „intelligente Spezies“ die Erde bevölkerte. Die Gelder, die man sich damit spart? – Für die sind die Taschen immer weit und tief genug. Und mit noch mehr Ananasplantagen – um zuletzt noch einmal auf unsere Gegend zurückzukommen – lässt sich sowieso besser Geld verdienen.

Nachdem man den Nachmittag über schön Feuer geschürt, wieder Müll-Nachschub im Konsumtempel ergattert hat, oder wie wir über solche Themen philosophiert hat, geht’s dann abends weiter. Fußballspielen im Centro, der Dorfmitte. Hier spielt man schon mehr auf Plastik als auf Grün. Es gab angeblich mal Mülleimer, doch die wurden geklaut. Und so ist es für jeden ja aber auch leichter. Immer schön einfach alles fallen lassen. Leute, Leute...Wenigstens in der Nacht, wenn die Leute schlafen, machen sie keinen Müll und können ihn nicht in die Landschaft schmeißen. Okay, gelogen. Die Fischer und Jäger die hier nachts unterwegs sind, die sind auch nicht schlecht darin... Und so geht ein Tag zu Ende. Sehet und staunet, in welcher Vielfältigkeit wir hier doch leben. Müll auf der Straße, im Wald, Müll im Feuer, in der Luft, ja im Boden! Müll auf dem Fußballplatz, Müll auf der Weide. Müll um die Kuh, Müll in die Kuh. Müll im Wasser. Müll, der in jeden Lebensbereich einsickert. Nur in einem muss er jetzt noch ankommen: im Bewusstsein der Leute.

Tja, Freunde. Hier gibt’s immer was zu tun. Hoffen wir, dass wir mit unserer Arbeit hier ein wenig Veränderung und Umdenken bringen können - oder zumindest dadurch, dass wir versuchen, ein gutes Vorbild zu sein.

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1 Kommentar

Kommentar von: Eike [Besucher]

Wow, das schreiben liegt dir echt! Ich mag deine Art wie du Sachen ausdrückst.
Meines Erachtens ist es ein sehr kritischer, aber doch wahrer Artikel geworden, der vielleicht den einem oder anderen doch noch mal die Augen weiter öffnet und ihnen die Tatsachen vor Augen führt.


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