Gewalt

von 17 anna  

„Verdammt, als Außenstehende kann ich einfach nichts tun.“ Das war mein erster Gedanke als ich von meiner Gastmama erfuhr dass die Gerüchte stimmen. Es passiert nur ein paar Häuser weiter, die Spitze der Missachtung weiblicher Würde wie sie im Indigenenterretorium Conte Burica leider immer noch passiert. Die Gerüchte drehen sich darum, wie Bevormundung und nicht gerade subtiler Sexismus in Gewalt ausbrechen.

Eines morgens plaudere ich beim Frühtückscafe mit meiner Gastmama darüber was der Vorstand des Projekts des Kunsthandwerks (Tradition zur Selbsthilfe) noch arbeiten muss, als sie auf einmal aufmerkt: „Wusstest du dass unsere Vizepresidentin fast ermordet wurde?“ Auf spanisch klingt es nicht ganz so dramatisch. Sie redet von einer jungen Mutter von vielleicht 24 Jahren, mit zwei niedlichen kleinen Kindern und breitem Lächeln. Ihr Mann nimmt bei mir am Englischunterricht teil und bringt mir ab und zu eine Kokusnuss zum trinken mit, ist immer sehr freundlich. Doch vor ein paar Tagen hatte ich Geflüster gehört, dass vor ein paar Jahren... die Menschen umschreiben es mit: „Ihr Gesicht, am nächsten Morgen war es violett, aber wirklich tieflilla.“ Ich wusste nicht wieviel ich glauben sollte, es wird hier immer viel geflüstert und die Menschen neigen zu Übertreibungen.

Doch an diesem Morgen sprach meine Gastmama von vielem. Vor allem davon dass es wieder passiert ist. Dass sie mit zerschlagenem Gesicht gesehen wurde und jetzt nicht vor die Tür möchte. Das ihr Mann wütend wurde. Und das ganze Dorf weiß es, alle reden darüber, viele haben es selbst geschehen hören.

... Ja alle wissen es. Sie heißen es nicht gut. Doch sie tun auch nichts dagegen. Das sei Familienangelegenheit, da mischt man sich nicht ein. Doch was kann man auch bewirken, ohne noch mehr Schaden anzurichten? Verurteile ich sie dafür? Es fällt mir schwer es nicht zu tun, doch habe ich das Recht dazu? Als ich davon hörte, gingen mir alle Lehren von kultureller Eelativität aus dem Philosophie Unterricht verloren. Nicht alles was traditionell ist, ist unbedingt bewahrenswert.

Das mag zwar auch sehr subjektiv sein, doch ich finde das Wohlbefinden dieser Frau wiegt in diesem Fall schwerer als die Wahrung der Gewohnheit und auch jede Kultur ist und sollte im Wandel sein. Würde die Frau Schmerzen genießen oder diese Art des Umgangs als positiv empfinden (wie es ab und zu der Fall ist) wäre es nicht so... entrüstend? Schockierend? Zur Verzweiflung treibend? Doch das ist, ihrer eigenen Aussage nach nicht der Fall. Einer Freundin gegenüber antwortete sie auf die verständnislosen Fragen wieso sie ihn nicht verlässt, oder besser noch verklagt, sie sei bereit so zu leben um so den Mann und den Vater der Kinder zu halten. Wer würde sie danach noch haben wollen? Sie liebe ihn. Und schließlich sei das alles ja auch irgendwie normal.

Und die Leute aus dem Dorf? „Sie ist ja selber schuld, wenn sie da bleibt. Anscheinend gefällt es ihr umgebracht zu werden.“

Himmel!

Dabei hat es sich schon zum Besseren verändert, wird mir erzählt. Vor zwanzig Jahren kam das noch viel öfter vor. Das Bewusstsein für die Rechte der Frau stärkt sich. Das INAMU (das nationales Institut für Frauen und LGBTQ Rechte) hat zumindest in unserem Dorf in Conte Burica bereits erfolgreich Arbeit geleistet.

Und nun kreist mir die Frage im Kopf „aber können wir wirklich nichts tun?“

BlogNo:14

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...