Bildung und Umweltbewusstsein hier in Costa Rica

von 18 martin  

Ich bin jetzt 7 ½ Wochen in Costa Rica. Das reicht, um den Lebensstil und Alltag der Ticos und speziell der Ticos hier in Pozo de Agua kennenzulernen.

Meine Gastmutter ist 48 Jahre alt und geht zusammen mit meiner Gastschwester in die zehnte Klasse. Beide wollen in 2 Jahren Abitur machen. Wobei lediglich der Begriff Bachillerato Abitur bedeutet. Die Prüfungen, der gelernte Stoff und das Niveau der Schüler weist gravierende Unterschiede zum deutschen Bildungssystem auf. Hier benötigt man zwar auch 12 bzw. 13 Jahre um die Prüfungen zu machen, aber diese sind auf einem wesentlich geringeren Niveau. Die Mathe und Englisch Prüfung z.B. bestehen lediglich aus Multiple Choice-Fragen. In der Englisch Prüfung liegt dann ein 500 Wörter langer Text vor, zu dessen Inhalt Fragen gestellt werden. In Mathe gibt es natürlich keinen Text. Stattdessen gibt es dann lineare oder maximal quadratische Gleichungen, in welchen eine Unbekannte vorkommt, die dann aus 3 Antwortmöglichkeiten ausgewählt werden muss. Natürlich sind es nicht nur Gleichungen, sondern auch Fragen zu Körpern, Flächen und Stochastik, welche aber alle nach dem gleichen Schema ablaufen.

Dies hat mich sehr erstaunt, zumal jegliche Kosten, die für die Schule anfallen, vom Staat getragen werden. Es gibt kostenlose Schulbusse, das Essen ist kostenlos, es müssen keine Materialien gekauft werden und eine Gebühr fällt auch nicht an. Es ist normalerweise von 8-15 Uhr Unterricht und das 5 Tage die Woche, also etwa genauso viel wie an deutschen Schulen. Viele Leute, mit denen ich darüber geredet habe, waren darüber ziemlich frustriert, da sie merken, wieviel sie in der Schule sind und wie wenig sie dabei Lernen. Zum Beispiel Englisch wird ab der ersten Klasse 6 Stunden in der Woche unterrichtet, ich habe aber bisher noch niemanden getroffen, mit dem ich mich auch nur annähernd in Englisch unterhalten konnte.

All das hat mich Anfangs sehr verwundert, da ich mir unter der Schweiz Lateinamerikas ähnliche Bildungsstandards wie in Deutschland, bzw. der Schweiz vorgestellt hatte. Ich habe gelernt, diesen Begriff eher in Relation zum Rest Lateinamerikas zu verstehen. Ich weiß zwar nicht, wie es z.B. in Mexiko oder Guatemala aussieht, ich könnte mir aber vorstellen, dass es dort wesentlich schlechter als in Costa Rica läuft.

Mein Vorgänger in Pozo de Agua, Simon, war hier in den umliegenden Dörfern viel an den Schulen und hat dort z.B. Englisch Unterricht gegeben, oder mit den Kindern Einheiten zum Thema Recycling oder Umweltschutz gemacht. Das würde ich auch gerne machen, es ist aber momentan nicht möglich, da im Land seit knapp 2 Monaten Generalstreik ist und zumindest hier in der Umgebung kein Unterricht stattfindet.

In meiner Gastfamilie in Pozo de Agua wird Umwelt und Tierschutz sehr klein geschrieben. Mein Gastbruder jagt sehr gerne und tötet nahezu alles. Leguane, Sperber, Katzen, Schlangen, Fische usw. Sperber und Katzen jedoch nur, weil sie angeblich die Küken fressen. Mit seinem Jagdgewehr hat er die Katze aber glücklicherweise um ein paar Zentimeter verfehlt. Alle Versuche von mir, zu verhindern, besagte Tiere zu schießen waren bisher erfolglos. Das einzige was ich erreicht habe, ist, dass er zumindest in dem Jahr wo ich da bin keine Gürteltiere mehr jagt.

Auch die Müllbeseitigung läuft hier sehr fragwürdig ab, was jedoch auch an einem Versagen der costaricanischen Regierung liegt. Hier in Pozo de Agua und in den anderen Dörfern auf der Ruta de la Leche gibt es keine Müllabfuhr. Es gibt zwar einige Recycling-Projekte in den einzelnen Dörfern, diese funktionieren aber noch nicht besonders gut. Daher verbrennen hier die meisten Haushalte ihren Müll im Garten. Das ist zwar besser, als den Müll einfach liegen zu lassen, aber eine langfristige Lösung ist es eigentlich nicht.

Auch die Landwirtschaft hier weist einige Mängel auf. Der Opa meines Gastbruders z.B. bewirtschaftet zwei Maisfelder. Eins ist ca. 5.000 Quadratmeter groß und das andere etwa ein Hektar. Das Land gehört jedoch nicht ihm, sondern jemand anderem. Er hat lediglich die Berechtigung einen Teil dessen Landes zu bewirtschaften. Das und die Tatsache, dass er ausschließlich Mais anbaut, haben zur Folge, dass er zwei bis drei Ernten auf einem Feld hat und dann ein neues Waldstück niederbrennt um einen neuen Acker zu machen. Er erntet zweimal pro Jahr, also nach spätestens zwei Jahren muss ein neues Stück Wald dran glauben.

All das sind Dinge, an denen ich in diesem Jahr versuche etwas zu ändern. Es sind aus meiner Sicht aber auch Dinge, die man mit besserer und zielgerichteter Bildung in den zukünftigen Generationen ändern könnte. Daher habe ich anfangs das nicht besonders gut funktionierende Bildungssystem erwähnt.

Es sind aber natürlich nicht alle Sachen in Costa Rica schlecht. Das war nur ein kleiner Auszug aus dem Leben der Ticos, den man meiner Meinung nach ändern sollte. Die Gastfreundlichkeit der Ticos z.B. ist sehr angenehm, da man immer sofort aufgenommen wird. Natürlich auch die Natur und die Tierwelt sind atemberaubend. Ich wollte in diesem ersten Blogeintrag nur schon einmal aufzeigen, was Probleme sind, die man vielleicht in Deutschland nicht so mitbekommt, da sie in keiner Schlagzeile oder Nachrichtensendung auftauchen.

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