Die Früchte seiner Arbeit

von 17 jana  

Essen. Ein Thema, welches mich dieses Jahr sehr beschäftigt hat. Ich bin mit der Gewissheit aufgewachsen, dass in der Küche ein prall gefüllter Kühlschrank steht und ich mir alles nehmen kann, worauf ich Lust habe. Nun lebe ich im Indigenengebiet und plötzlich ist alles anders.


Eine Wanne voll mit ca. 15 Kilo frisch gepflückter Tomaten. Deutlich mehr, als wir essen können.

Angemessene Freude über meine erste selbst gepflückte Ananas.

Frisch gepflückter Kaffee, dem noch ein langer Prozess bevorsteht, bis er zum Getränk wird.

Sehnsüchtiges Warten auf die Avocadosaison.

Es gibt keinen Strom und somit auch keinen Kühlschrank. Die einzigen Dinge, die meine Gastmutter kauft und sich leisten kann sind Grundnahrungsmittel: Reis (wenn die Ernte nicht ausreichte), Öl, Zucker, Salz, Kaffee. Manchmal Nudeln, Mehl und Fertig-Tomatensauce. Der Rest kommt vom Feld.

Eine einfache Papaya, die man umgerechnet für weniger als einen Euro auf der Straße kaufen kann, bekommt einen vollkommen anderen Wert, wenn man sie erst säen und dann neun Monate darauf warten muss. Wenn wir nicht in regelmäßigen Abständen Tomaten pflanzen, gibt es eben einige Monate später keine mehr. Man wird genügsamer, was das Essen angeht und isst das, was die Saison hergibt. Dann gibt es in der Avocadozeit zu jeder Mahlzeit zwei Avocados und den Rest des Jahres gar keine.

Gleichzeitig bereitet es unheimlich viel Freude, wenn man wortwörtlich die Früchte seiner Arbeit auf dem Teller wiederfindet. Ständig überlegen wir, welche Obstbäume oder welches Gemüse uns noch fehlen und von welchen Nachbarn wir die Samen besorgen können. Obwohl wir kaum etwas lagern können, wird nichts weggeworfen. Wenn die Bäume mehr produzieren, als wir essen können, freuen sich die Schweine, das Pferd oder die Hunde. Sämtliche Schalen und Pflanzenreste wandern auf den Kompost oder in die Wurmbox.

Umso absurder erscheint mir mittlerweile die Ernährungsweise, mit der ich aufgewachsen bin. Tomaten aus Spanien, Avocados aus Südafrika und die Ananas aus Costa Rica. In den Supermärkten herrscht die Internationalität – das ganze Jahr über. Für den Winter vorsorgen und Obst und Gemüse einmachen, in meiner Generation ist das den meisten mittlerweile fremd. Ich hab mir selbst ja auch bisher nie Gedanken dazu gemacht. Warum auch? Wir können es uns ja leisten, Dinge aus der ganzen Welt zu importieren und notfalls gibt es ja auch noch den Gefrierschrank.

Wenn meine Gedanken jetzt zu meiner immer näher kommenden Rückreise schweifen, freue ich mich auf die Früchte, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich möchte mehr Obstbäume pflanzen und öfter auf dem Markt einkaufen gehen. Ich möchte die Traditionen meines eigenen Landes kennenlernen und wissen, wie man Lebensmittel für den Winter lagert. Und schließlich wird der Abschied aus Costa Rica auch ein Abschied von den Tropenfrüchten sein. Denn es ist doch paradox, dass wir Lebensmittel um die ganze Welt schiffen, während Zuhause die Obst- und Gemüsesorten sterben.

Himbeeren, Pflaumen, Äpfel - mittlerweile weiß ich diese wundervollen Dinge zu schätzen, die ich mein Leben lang für selbstverständlich gehalten habe. Und wie so oft im Leben musste ich erst eine Zeit darauf verzichten, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen.





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