Eine Nacht alleine im Dschungel

von 18 lisa  

Von den abendlichen Geräuschen des Waldes umgeben und den surrenden Mücken neben meinen Ohren, schwinge ich alleine im offenen Anbau des Hauses meiner Gastmutter. Morgen ist der Schulabschluss ihres Enkels, in einem Dorf außerhalb des Territoriums. Zu Fuß dauert der Weg ca. 3 Stunden, weshalb sie schon heute aufgebrochen ist und erst in zwei Tagen wiederkommt. Das bedeutet sie überlässt mir die ganze Verantwortung für ihre Schweine, die Hühner, den Mais und das Feuer machen. Dieses Vertrauen habe ich wohl meiner Vorfreiwilligen zu verdanken, die sich schon sehr viel Respekt und Ansehen erarbeitet hat und dadurch das Bild der deutschen Freiwilligen geprägt hat.


Oft muss man bei der Arbeit hier an seine Grenzen gehen.

Meine Gastmutter ist eine sehr bedachte und willensstarke Frau, die viel erlebt hat und aus diesen Erfahrungen den Entschluss gezogen hat, alleine zu leben. Die Kinder sind längst ausgezogen, die Männer wollen eh alle nur ihr Land und auch sonst gibt es nicht mehr viele Leute denen sie vertraut und über die sie nicht die eine oder andere Geschichte kennt. Geschichten gibt es bei ihr von vorneherein zu genüge, da sie sich gefühlt an alles erinnern kann. Die Stories werden dann meistens abends bei Kerzenschein in der Hängematte heraus gekramt und ich versuche mit großer Schwierigkeit die ganzen Namen und Verwandtschaften auseinander zu halten. Das ist nicht einfach, wenn man noch nicht jedes Wort versteht und manchmal denkt, dass ein Name irgendein Wort auf spanisch ist. Im stillen versucht man es in seinem Wörterbuch dann nachzuschlagen und scheitert gnadenlos.

Am Schluss versteht man doch auch ohne Namen die Essenz der Story und wundert sich wie oft die eigentlich von den Schweinen anderer handeln. Ja, wie oft hat sie sich schon darüber aufgeregt, dass die Schweine ihrer Nachbarn frei rumlaufen und immer zu Besuch auf ihren Maisfeldern kommen und den Mais auffressen. Diese und andere Geschichten über schlechte Gewohnheiten, Raubüberfällen und Mord lassen mich nicht unbeeinflusst, obwohl ich mir doch lieber selbst ein Bild von den Leuten machen würde.

Leider merke ich erst jetzt, wo ich alleine und abgeschieden in der Hängematte sitze, wie sehr ich doch beeinflusst wurde. Es wird langsam dunkel und ich denke nochmal über die gegebenen Aufgaben und Ratschläge nach. Zur Weihnachtszeit werden oft die Schweine gestohlen, weshalb sie sehr nah am Haus, an die umliegenden Bäume gebunden werden. Wenn dann nachts der Hund bellt, soll ich ihn anfeuern, damit der Dieb weiß, dass jemand wach ist.

Doch wenn man dann wirklich Nachts ohne Strom und ohne Netz unter seinem Mückennetz liegt und der Hund bellt, sieht die Realität ganz anders aus. Da macht man lieber keinen Mucks und hofft dass sie nur das Schwein mitnehmen ohne dir auch noch einen Besuch abzustatten… weil wehren kannst du dich eh nicht und Hilfeschreie hört keiner. In dem Moment wirkt dann jedes noch so leise Geräusch wie ein Einbrecher. Aber wie gut, dass es am Schluss doch immer nur eine Kröte ist, die unser Hund anbellt, sodass man die Nacht heil übersteht. Hier zeigen die Geschichten auf jeden Fall ihre Wirkung.

Am nächsten Morgen erfasst mich dann die ganze Verantwortung. Ich stiefel also in aller frühe bei Sonnenaufgang, mit Machete und Hund hoch zum Maisfeld um durch Rufen und Chappen die Nasenbären vom Mais-fressen abzuhalten. Diese sind hier tiefschwarz und fressen sowohl unseren Mais als auch unsere Yucca auf. Um dies zu verhindern gehen wir bis zu vier mal mit dem Hund rund um das Maisfeld und haben schon Vogelscheuchen und einen Feuerplatz errichtet.


Unsere Schweine werden garantiert soja-frei groß und fett.

Mit frisch geerntetem Mais komme ich heute zurück und versuche das Feuer zu entfachen. Mit ein wenig Späne vom Holz hacken und einer Kerze kann ich dann endlich das Wasser für den Kaffee kochen. In der Zwischenzeit werden dann die neun Schweine mit Yuccawurzel gefüttert und ich kann nach einer Schweinejagt endlich meinen Kaffee genießen. Ich koche den Mais und muss dabei die ganze Zeit darauf achten dass das Feuer nicht aus geht. Eine Kunst für sich…

Daraufhin werden noch die Hühner gefüttert und die Wäsche gewaschen, bis die Maiskolben fertig sind. Ich habe sie echt zu schätzen gelernt, da in so einem Kolben echt viel Arbeit drin steckt. Im Augenblick des Genusses höre ich jedoch die Schweine grunzen und werde in die Realität zurückgeworfen.

Langsam verstehe ich wieso meine Gastmutter einfach nie still sitzen kann, es gibt einfach immer was zu tun und da sie sehr lange um ihre 66 Hektar Land gekämpft hat, versucht sie es so gut wie möglich alleine zu bewirtschaften. Ich bin fasziniert wie sie jeden Tag wieder aufsteht und genug Kraft und Motivation findet um die tägliche Arbeit zu leisten. Alleine das Kochen überm Feuer macht mich fertig und dann dafür noch Feuerholz holen und schlagen. Ich bin froh sie finanziell und körperlich unterstützen zu dürfen, da sie alleine durch ihren Fleiß und ihr Wissen ein gutes Beispiel für die Menschen hier ist. Durch die finanzielle Unterstützung kann sie außerdem noch besser ihr Land bewirtschaften und Arbeiter bezahlen, die dadurch auch selbst mehr Inspiration und Möglichkeiten haben es genauso zu tun.


Oft muss man bei der Arbeit hier an seine Grenzen gehen.
BlogNo:03

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