„Finca Crun Shurin – Autonomie, Kultur und Land“

von 17 jana  


Jetzt wieder Indianerland

Die Indigenenreservate sind unveräußerlich [...] und nicht übertragbar und ausschließlich für die indigenen Gemeinden die sie bewohnen. Die Nicht-Indigenen können keine Gundstücke dieser Reservate mieten, pachten, kaufen oder in irgendeiner anderer Weise erwerben. (Artikel 3 des Ley Nº 6172, Ley Indigena)

Auf dem Papier sind die Territorien gut geschützt. Die Realität sieht anders aus: Ca. 43% der Fläche der Indigenengebiete befinden sich momentan in den Händen der „Weißen“, wie die nicht-Indigenen hier genannt werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass die ursprünglichen Bewohner Costa Ricas sich betrogen fühlen. Durch die Territorien sollten ihre Landrechte gesichert und ein geschützter Raum geboten werden, und dennoch sehen sie sie heute durch Eindringlinge bedroht.

Immer wieder gibt es Beschwerden seitens der Indigenen, die das Land einfordern, was ihnen gesetzlich zusteht. In Térraba wird seit dem 18.März 2018 aktiv an der Rückeroberung gearbeitet: 27 Indigene des Bröran-Volkes haben sich zusammengetan und besetzen nun die rund 1000 Hektar große Finca „Topomak“, die aktuell im Besitz von „Weißen“ ist.


Reisegruppe oder Mensch-äger-dich-nicht-Figuren in Lebensgröße?

Da unter den Besetzern ein Freund meiner Gastmutter ist, haben wir dem Protestcamp einen Besuch abgestattet und meine Projektnachbarin Anna gleich mitgenommen. Um zu zeigen, dass Anna und ich zwar weiß sind, aber trotzdem auf der „richtigen“ Seite stehen, wurden wir im Vorfeld von Doña Luisa mit traditionellen Ngöbe-Kleidern ausgestattet. So ergaben wir wohl eine reichlich komische Reisegruppe, wurden aber auf der Finca schließlich freudig begrüßt. Man freute sich über unser großes Interesse an dem Thema und wir wurden in die Hintergründe des Konfliktes eingeweiht.

Um 1950 gehörte das Land noch den Indigenen, den Großeltern der heutigen Besetzer, die aber ursprünglich nomadisch lebten und ein anderes Verständnis von Landbesitz und Bürokratie hatten, als wir es heute kennen. Laut den Erzählungen unserer neuen Bekanntschaften wurde das Land von einem US-Amerikaner stückweise gegen Vieh, Nahrungsmittel oder ähnliches getauscht und die Grenzen schließlich noch illegal erweitert (an dieser Stelle sei nochmal angemerkt, dass es sich um die subjektive Erzählung der Indigenen handelt. Von Außenstehenden haben wir auch erzählt bekommen, dass die Indigenen ihr Land verkauft haben um den Erlös in Alkohol zu investieren). Da dies vor der Verabschiedung des Indigenengesetzes von 1977 geschah, war das Ganze noch mehr oder weniger legal. Als der Besitzer jedoch nach 1977 verstarb und keine Erben hinterließ, ging das Land nicht zurück an die Indigenen, sondern erneut an „Weiße“. Und das war definitiv nicht legal.


Blick auf das Weideland der Finca

Heute werden die 1000 Hektar lediglich von vier Angestellten und 400 Kühen besiedelt und sind, soweit wir das erkennen können, komplett entwaldet. Die Bröran erheben mit 16 Familien (ca. 100 Personen) Anspruch auf das Land und halten ihre Pläne vertraglich fest: Die Familien verpflichten sich, ihre Teilstücke zu bewohnen und aufzuforsten, 5 ha bleiben für öffentliche Einrichtungen, wie eine Schule und einen Gemeindesaal vorbehalten, Fischfang, Jagd und Nutzung von Quellen werden reguliert.

Es gibt bereits mehrere Fälle erfolgreicher Rückeroberungen der letzten Jahre, wie beispielsweise in Salitre, wo es allerdings erst zu nächtlichen Machetenangriffen und blutigen Auseinandersetzungen kommen musste, bevor sich von öffentlicher Seite ernsthaft mit dem Fall beschäftigt wurde.


Alltag im Protestcamp

Zum Zeitpunkt unseres Besuches war das Leben im Protestcamp glücklicherweise ausschließlich friedlich. Die Arbeiter gingen täglich ein und aus und duldeten die Besetzer, solange sie im vorderen Bereich der Finca blieben und die Polizei fuhr alle paar Stunden vorbei, um die Lage zu checken und freundlich zu grüßen. Später erreichten uns Nachrichten von zunehmend gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitern und den Indigenen, aber immerhin bisher ohne ernsthaft Verletzte. Die Indigenen werden von zwei Anwälten gesetzlich vertreten und der Besitzer ist bisher nicht auf seiner Finca aufgetaucht.

BlogNo:08

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