San José im Ausnahmezustand

von gustav_11  

15. November, 15.05 Uhr und San José befindet sich im Ausnahmezustand. Was ist der Grund? Eine Naturkatastrophe? Nein (obwohl es ziemlich heftig regnet). Oder hat die Regierung mal wieder ein Gesetz verabschiedet ohne auf die Proteste der Bevölkerung zu achten? Nein, auch nicht.

Der Grund ist ein sehr viel trivialer … es ist das Länderspiel Costa Ricas gegen den Weltmeister Spanien. Schon lange vorher wurde dieses Ereignis mit überdimensionalen Werbeplakaten, einer Unmenge an Flyern und Autos mit Lautsprechern auf dem Dach angekündigt. Den genauen Termin hatte ich nicht im Kopf bzw. hier fällt es bisweilen schwer zu definieren, welcher Wochentag ist. Deswegen war ich zunächst erstaunt, über die Veränderungen, die die Stadt vollzogen hat.

Die normalerweise endlose Schlange an Taxis am Parque Central beschränkt sich auf 2 kümmerliche Schrottkisten und ich habe tatsächlich den Eindruck, das etwas weniger Verkehr auf der Straße ist. Die Leute in der Fußgängerzone drücken sich die Nasen an den Schaufenstern der Elektrogeschäfte platt, um auch ja keine Sekunde des Spieles zu verpassen, das in überdimensionalen Fernsehern auf den Bürgersteig übertragen wird. Dabei scheint es keinem etwas auszumachen, dass er dabei im strömenden Regen steht und bis auf die Knochen durchnässt wird, oder die Straße so blockiert, das ein hupender Krankenwagen mit Blaulicht nicht passieren kann und in der Einbahnstraße wenden muss, um einen anderen Weg zu suchen.

Gebannt wird auf die Fernseher gestarrt, gemeinsam wird gejubelt, angefeuert und gestöhnt … die Spannung ist fast greifbar. Mit lauten Schreien und Buhrufen werde ich verfolgt, als ich es wage mit meinem Rucksack beim Vorbeigehen für 3 Sekunden den Bildschirm zu verdecken.

Aus den Autos dröhnt in voller Lautstärke die Liveübertragung des Spieles aus dem Radio, wobei die Kommentatoren es schaffen jedes Tor mit einem scheinbar endlosen „Goooooooooooooooooool!“ zu versehen und es hierbei schaffen das „oo“ über 140 Sekunden lang (ich habe mitgezählt) durchzuziehen, nur um danach kurz nach Luft zu schnappen und von neuem zu beginnen „Goooool!“ oder „Costa Ricaaaaaa!“ zu schreien. Wenn man dem Radio glauben darf scheint Costa Rica demnach jede Minute ein weiteres Tor zu schießen, wobei ich beim Vorbeigehen an einem Fernseher am Spielstand erkennen kann, das es bisher lediglich 2 Tore sind.

Für mich, der dem Fußball er nicht so zugetan ist (zu sehr Massenware, zu viel Geld für zu wenig Sport), ist es eine Tortur mich durch den strömenden Regen und dich mich anfeindenden Menschen zu kämpfen. Ich werde mit bösen Blicke und Rufen verfolgt, man begegnet mir mit Unverständnis wenn ich den Fernsehern keine Beachtung schenke und ich werde beinahe von einem Taxi überfahren, das bei Rot über die Ampel brettert, weil der Fahrer lieber laut „Gooool!“ schreit anstatt auf die Straße zu schauen.

In meinem Zimmer angekommen versuche ich Ruhe zu finden und mich abzutrocknen. Doch auch hier werde ich von lauten Rufen verfolgt, die mich nicht konzentriert arbeiten lassen.

17.00 Uhr, das Spiel ist vorbei … das Ergebnis 2:2. Endlich kehr etwas Ruhe ein … oder? Nein doch nicht. Weitere 2 Stunden lang werden die „Highlights des Spieles“ übertragen (also eigentlich das ganze Spiel mit einer Unterbrechung des Moderators alle 2-3 Minuten) und bis spät in die Nacht wird der „Sieg“ Costa Ricas gefeiert. Die Ohren mit Ohropax versiegelt schaffe ich es dann doch irgendwann mich an die Arbeit zu machen, aber immer noch bleibt der Nachhall der Hupen und „Goool!“-Rufe an meinem Ohr hängen.

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1 Kommentar

Kommentar von: Christian [Besucher]

Auch ich hab ne fröhliche Nachricht von nem Tico bekommen, der sein Glück über den “Sieg” kaum fassen konnte :)


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