Indigener Krebs

von 18 jurek  

Wir haben zu dritt bei Anna gekocht, als ihr Gastbruder uns gesagt hat, dass es einem Mann mit Krebs so viel schlechter geht, dass es raus ins Krankenhaus muss. Und weil es ihm so schlecht geht, dass er eine Fahrt hinten auf einem Quart nicht übersteht, müsse er raus getragen werden. Wir haben dann erst mal in Ruhe weiter gekocht und gegessen,

wobei eigentlich nur Anna ruhig war. Ich habe damit gerechnet, dass wir sofort losgehen, es schien ihm ja richtig schlecht zu gehen. Außerdem wurden auf die Frage wer sonst noch alles mitgehen würde so wenige Namen genannt, das es sich so anhörte, als ob er ohne uns nicht über den Berg kommt.

Als wir dann zu seinem Haus gingen, standen an der Stelle, wo der Weg von der Straße abzweigt, schon einige Leute. Als wir dann gemeinsam warteten, uns wurde gesagt dass schon genügend am Haus sind, kamen dann noch mehr. Irgendwann kamen dann die Leute vom Haus. Fernando war auf einer Trage, die von zwei Männern getragen wurde. Die Trage bestand aus einem Bambusrahmen, den man sich, einer vorne und einer hinten, auf die Schultern legen kann. Innerhalb dieses Rahmens war dann eine Decke gespannt, auf der Fernando lag. Zum Pech für ihn und zum Glück der Tragenden wog Fernando nicht mehr viel.

So zogen wir dann den Berg hoch. Vorneweg die Trage mit Fernando, dann die Männer und Freiwilligen hinterher und hinten ein paar Frauen und Kinder. Getragen haben außer auf einem kurzen Stück nur Männer, wobei sie sehr selten gewechselt haben. Anna hat erreicht, dass sie auf einem kurzen ebenen Abschnitt mit einer anderen Frau tragen durfte. Ich bekam nicht die Gelegenheit, wahrscheinlich war ich zu groß, dünn und unbekannt. So ging es dann Berg hoch und runter, wobei die Gruppe immer kleiner wurde, weil welche umgekehrt sind. Am Ziel in Santa Rosa gab es dann für alle Kekse und „Saft“ (künstlich und süß schmeckende Limo) und die Gesellschaft hat sich aufgelöst und einzelne Grüppchen sind im Dunkel werden nach Hause.

Fernando kam dann am nächsten Tag mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus, wo ihm gesagt wurde, dass es zu spät ist und keine Hoffnung auf Heilung mehr besteht. Deshalb kam er dann zurück nach Santa Rosa, wo er dann in der Kirche lebte. Dort bekam er häufig Besuch, die Kirche liegt auch auf dem Weg wenn man von draußen nach Las Vegas will.

Er starb einem Monat später am 26. Dezember, direkt nach Weihnachten. Bereits tagsüber kamen deswegen einzelne Leute. Abends wurde der Sarg, mit ihm, dann zu seinem Haus gefahren (inzwischen geht dass, weil Trockenzeit ist). Dort lag er dann die Nacht über auf der Veranda. Zusätzlich zur Familie befand sich abends das halbe Dorf in der Nähe vom Haus. Dort wurde dann eine Totenwache gehalten, wobei die Anzahl der Wachenden immer geringer wurde, weil welche nach Hause gegangen oder eingeschlafen sind. Zu einem Zeitpunkt als es noch relativ viele waren gab es einen Gottesdienst, wobei vor allem gemeinsam Lieder gesungen wurden. Die Verbleibenden wurden dann immer wieder mit Kaffee versorgt, der in großen Mengen gemacht wurde (ich glaub es war der größte Topf, den ich bis jetzt hier gesehen habe).

Am nächsten Morgen bekamen dann auch noch alle ein Frühstück. Es wurde weiter gewartet. Gegen neun kam der Pfarrer und der Sarg wurde zum Leichenzug vorbereitet. Um halb elf wurde der Sarg dann von vier Männern zum Friedhof getragen. Alle Anwesenden gingen hinterher, wobei es immer mehr wurden, weil an jedem Haus, an dem wir vorbei kamen, noch weitere sich angeschlossen haben. Es war die bunteste Trauergemeinde die ich je gesehen habe. Ich habe wahrscheinlich mit schwarzer Hose und dunkelblauem Hemd mehr herausgestochen als meine Gastoma im rosa Kleid.

Der Friedhof liegt auf einem Berg in der Nähe des Dorfes in einem Waldstück. Dort waren als wir ankamen noch weitere Männer damit beschäftigt das Grab fertig auszuheben. In der Nähe waren 10-20 weitere Gräber, die Kreuze hatten und von gesetzten Pflanzen umwachsen waren. Dort sammelte sich dann die Trauergemeinde und es wurde weiter gewartet.

Später standen dann der Pfarrer und ein paarweitere auf. Dann wurden alle näher heran gebeten und es wurde ein Gottesdienst gehalten. Die Hauptaussage der Predigt war „trauert nicht, denn er ist jetzt bei Gott“. Außerdem wurden auch ein paar Lieder gesungen.

Danach hat ein Bruder von Fernando übernommen und das weitere Programm geleitet. Es gab ein paar Reden von Würdenträgern und Familie. Dann wurde der Sarg noch kurz geöffnet und alle die wollten konnten hineinschauen. Als das alle getan haben wurde er in das Grab gelassen. Daraufhin wurde noch mal gebetet, gesungen und die Trauernden haben Erde, kreuzförmig, über den Sarg gestreut, Familie zuerst. Es war ein seltsames Gefühl bei einer Beerdigung ohne Trauer meinerseits dabei zu sein.

Während das Grab zugeschaufelt wurde gingen die ersten schon nach Hause, später dann auch ich mit meiner Familie. Zuhause war ich dann etwas übermüdet und unterzuckert, was beides von einem Kaffee ganz gut behoben wurde, den auch der Besuch bekam, der von der Beerdigung mit zu uns nach Hause gekommen ist.

BlogNo:03

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