Achtung Studentengruppe - ein Klischee bewahrheitet sich

von fabian_11  

In den Vorbereitungskursen zu diesem Auslandsaufenthalt stieß man häufiger über Erzählungen über amerikanische Studentengruppen, die einen Volontärkurzaufenthalt in Costa Rica zur Perfektionierung ihres Lebenslaufes und Unterstreichung ihres guten Willens nutzen. Sie bleiben einige Wochen in einem Ort, stiften Unruhe und frönen einer suchtmittelmissbrauchgestützten Lebensart,

nebenbei pflanzen sie ein paar Bäumchen oder streichen eine Schule, was nebenbei bemerkt in diesem Land aus unerklärlichen Gründen viel zu häufig geschieht. Diese Geschichten muteten wie Glossen über die amerikanische Kultur an, zu überspitzt, sie wirklich ernst zu nehmen.

Dementsprechend freute ich mich wirklich über den Besuch der amerikanischen Studentengruppe, die für letzten Montag angekündigt war. Endlich jemand, mit dem man sich in Englisch verständigen konnte. Ich habe in den letzten Wochen doch etwas darunter gelitten, mich nur mehr in Spanisch unterhalten zu können, das stellte eine willkommene Abwechslung dar. Drei Großraumvehikel parkten vor unserer Terrasse, bestückt mit etwa 25 wissbegierigen Studenten und drei Lehrkräften. Der stockend hervorgepressten Begrüßung: ‚Me llamo Nico’ begegnete ich mit einer deutschen Erwiderung des Grußes, den daraufhin folgenden irritierten Blick kommentierte ich mit: ‚Well, you started making things difficult.’ Tatsächlich war ich ziemlich gut aufgelegt und unterhielt mich mit dem Professor und den zwei Studenten, die sich mit mir die Ladefläche eines der Fahrzeuge teilten, angeregt über das amerikanische Bildungssystem. Ich erfuhr, dass sie sich in zweiten Drittel eines Auslandssemesters befanden und sich seit über zwei Monaten in wechselnden Projekten in Costa Rica engagierten oder diversen Thematiken widmeten, ihre Gruppe rekrutierte sich dabei aus Medizin-, Ökologie- und Ethnologiestudenten der Stanford-University.

Die erste Station der Führung führte uns zu der Schule in Cartagena, die von Plantagen zum Zwecke der Produktion von Ananas, Bananen und Zierpflanzen eingekreist ist und infolgedessen von Pestiziden geradezu überschüttet wird. Außerdem ist ihre Wasserversorgung abgekappt, generös wie die umliegenden Plantagenbetreiber sind, beliefern sie die Schule jedoch auf Nachfrage hin mit dem von ihnen überhaupt erst einbehaltenen Gut.

Trotz des langen Aufenthaltes hier waren die Spanischkenntnisse eher mäßig, sodass die Auskünfte der Lehrer und Schüler allesamt übersetzt wurden. Schließlich wurde die Thematik aufgearbeitet, dass die Firmen ihre Arbeiter ausspionieren und diejenigen, die ihre Kündigungsabsicht in irgendeiner Form verlautbaren lassen, vorher feuern, um sie ihrer Abfindung zu berauben. Daraufhin nahm bereits bekannter Nico seine gesamte Spitzfindigkeit zusammen und hakte nach: ’But isn’t that illegal?’, kommentiert von einhelligem Gelächter der einheimischen und des Englischen mächtigen Bevölkerung.

Aufgrund der nötigen Übersetzung geriet die Reisegruppe ein wenig in Zeitnot, für die Probleme in diesem Bezirk war nur ein halber Tag eingeplant, und die Ankunft war ja bereits verspätet gewesen. Somit wurde der nächste Punkt, die Ananasfinca Tico Verde in der Nähe der Gemeinde Guácimo sehr oberflächlich abgehakt, bevor man sich zum Mittagessen bei meiner Gastmutter einfand. Bananen und Mangos, in der früh noch hastig beschafft, wurden gereicht, jedoch kaum angerührt, weil Ameisen sich bereits daran gütlich taten. Die Studenten verzehrten eine mitgebrachte Brotzeit, unterdessen wurde ein Filmvorgespielt, der nochmals zusammenfassend die Problematik in Spanisch aufführte. Zu meiner geringen Überraschung stellten sich danach keine Fragen mehr, entweder wurde nichts verstanden oder die Studenten waren mit Essen beschäftigt oder des Themas überdrüssig. Um mit dem Zeitplan konform zu bleiben, mussten der Film und die Mahlzeit ja zeitlich überlappen. Gerne nahm man die im Anschluss von der Gastgeberin angebotenen Sticker und Broschüren an, wiederum um Interesse vorzuschützen, bevor die Gruppe sich dann verabschiedete. Nico beteuerte mir, wie toll es sei, mich kennengelernt zu haben, eine andere Studentin dankte mir ‚für alles’ und die Lehrkräfte wünschten mir viel Durchhaltevermögen...

Ich hatte danach das Vergnügen, ihren Müll zu trennen. Drei Beobachtungen: Nahrung wird in Plastik wird in Plastik wird in noch mehr Plastik eingepackt, um erstere zu schützen. Ananas ist tatsächlich eine bevorzugte Frucht in amerikanischen Studentengruppen. Überflüssiges, mitgebrachtes Essen wird unflexiblerweise weggeworfen statt aufbewahrt. Ich fand unberührte Sandwiches zuhauf, ebenso Bonbons und Kekse, die Hunde und ich veranstalteten an dem Nachmittag ein Festmahl.

An kommende Gäste gerichtet: Bitte informiert euch doch davor schon ein wenig, ich finde, es ist einfach eine Sache des Respekts. Ihr meint etwa, es würde euch zugute gerechnet, wenn ihr vor einer relativ winzigen Ananasfläche in Erstaunen versetzt werdet, vor allem, wenn ihr infolge eures Aufenthaltes in ganz Costa Rica bereits sehr viel größere in Augenschein genommen haben müsstet, außer ihr hättet es infolge Desinteresses ignoriert, aber diese offenkundige Heuchelei von Empathie stößt eher auf Widerwillen oder Resignation. Mir wurde an diesem Tag etwas darüber klar, wie Touristen wahrgenommen werden und ich verfluche mich selbst dafür, häufig in dieser Manier gehandelt zu haben. Ehrliches Interesse wäre wundervoll, aber bitte ein wenig Vorwissen wäre angebracht sowie vielleicht vorangegangene Reflexion über den eigenen Auftritt.

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