Nachmittags allein am Strand

von 18 lena  

Meine Geschichte beginnt mit einer kurzen Schilderung der Umstände unter denen ich um 16.00 Uhr allein am Strand in Puntarenas gelandet bin: Meine Mitfreiwillige Selina hatte sich am Vortag beim Fußballspielen mit dem Dorf ihr Gelenk verletzt.

Ich kam gerade am Fußballplatz an um Mitzuspielen, als ich sie am Spielrand liegen sah. Ein Junge aus dem Dorf berichtete mir, sie wäre mit einem sehr lauten „Knacks“ zu Boden gefallen. Innerhalb von 5 Minuten schwoll das Fußgelenk auf circa den doppelten Umfang an. Es sah überhaupt nicht gut aus und im Verlaufe des nächsten Tages wurde es schlimmer, blauer, dicker und sie hatte extreme Schmerzen, trotz unserer höchst professionellen Erste-Hilfe-Bemühungen.

Nun denn, wir beschlossen uns auf den Weg ins Krankenhaus zu machen, Krankenhäuser sind hier im Korridor nichts neues für uns. Wir hatten seit unserer Ankunft schon den ein oder anderen Notfall, den wir im Endeffekt immer meistern konnten. Unser Krankenhaus des Vertrauens befindet sich im Normalfall in Jaco, jedoch stellte sich heraus, dass man dort in Sachen Gelenkverletzungen keine genaueren medizinischen Diagnosen erhalten kann. Dieses Krankenhaus verfügt lediglich über qualifizierte Humanmediziner die den Fuß fast genau so gut verbinden können wie Selina, die eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten in Deutschland begonnen hatte.

In diesem Fall hieß es für uns: Mut zur Distanz - wir mussten nach Puntarenas ins Krankenhaus, weil es dort einen Abteil für Radiologie gibt, wir waren uns sicher: ohne Röntgenaufnahmen, keine seriöse Diagnose. Deshalb fiel der Groschen im Verlaufe des bereits vorgeschrittenen Tages, es ging nach Puntarenas. Mit unserem Wackeljeep ist der Highway im fünften Gang bergauf nach circa fünf Minuten erstmal abgesoffen und wollte erst nach zwei Stunden weiter. Verständlich, denn der Jeep mag einfach nicht, wenn man ihn nicht äußerst hochtouriges, sprintverschwenderische und laut die Straßen entlangprügelt. Diese Erkenntnis war mir nie zuvor so deutlich wie in just diesem Moment. Nach einer ziemlich langen Kaffeepause, die zur erfolgreichen Erholung des Jeeps diente, konnten wir mit hoher Motordrehzahl in die Stadt Puntarenas eintukkern.

Das Krankenhaus befand sich zu unserer Freude direkt neben dem Highway. Selina kam ziemlich schnell dran in der Notaufnahme, der Angestellte scheute sich nicht uns zu verraten warum: „Eres gringa.“

Während Selina geröntgt wurde, versucht eich verzweifelt mit dem schlechten Krankenhaus-Wlan mein PDS abzuschicken. Das Wlan stand nur im Warteraum der Notaufnahme zur Verfügung, weshalb ich mich dort setzte. Nach zwei Minuten übergab sich links neben mir ein älterer Herr. Ein Baby hinter mir krakelte mich vollster Lautstärke, die Mutter erklärte, es hätte Bauchschmerzen. Rechts neben mir weinte ein kleiner Junge, was an ein starkes, hohes Jaulen erinnerte. Ich beschloss mich nach 20 Minuten nach draußen zu begeben, da sich der Mann bereits mehrere male übergeben hatte und mir selbst schon übel geworden war, außerdem hatte ich Kopfschmerzen aufgrund des Lärms. Zu all meinem Glück hatte das Wlan im Warteraum auch im Endeffekt nichts getaugt und ich hatte es nicht geschafft auch nur eine einzige Sache zu erledigen oder abzuschicken.

Da sah ich den Strand, der sich direkt hinter dem Krankenhausgebäude entlangzog. Dort waren drei Bäume aber weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Ich betrat den sandigen Boden in dem Glauben ich könnte für einige wenige Augenblicke die rote Sonne und das Meeresrauschen des späten Nachmittags genießen. Es dauerte einige Minuten und ich war schon einige Schritte gegangen, da sah ich aus dem Augenwinkel eine Person, die sich mir schnellen Schrittes näherte. Ich wurde unglaublich schnell skeptisch, mein Gefühl verwandelte sich ohne darüber nachzudenken von Ruhe in eine merkwürdige Art von Aufgeregtheit. Ehe ich diesen Automatismus meines Körpers verstehen konnte, befand ich mich in einer Art Schock. Der Mann, der mich fixierte und immer schneller wurde, brabbelte etwas Unverständliches und seine Körpersprache signalisierte eindeutig einen Angriff.

Ich fühlte mich angegriffen, war mir aber nicht sicher, da die Situation so schnell fortschritt, dass mein aktives Handeln viel zu spät einsetzte. Ich zog meine Flipflops aus, nahm sie in die Hand und fing an zu rennen. Ich sprintete Richtung Auto, während der Mann versuchte, mir den Weg abzuschneiden. Beinahe hätte ich zu lange gezögert und er hätte mich kriegen können, doch ich war schon immer ein schneller Sprinter und hatte das Auto erreicht, da hatte ich ihn zuvor schon abgehängt. Er war nicht schnell, aber er war fest entschlossen mich weiterhin anzusteuern. Ich sperrte die Fahrertür auf, stieg ein, verriegelte das Auto und startete den Motor. Ich fuhr los und parkte das Auto direkt vorm Eingang des Krankenhauses, zehn Meter entfernt von der Tür mit der Aufschrift „Notaufnahme“.

Mit leichtem Herzrasen stellte ich fest, dass ich Durchatmen konnte und betrat daraufhin wieder das Krankenhaus. Ich traf auf Selina und es stellte sich heraus, dass ihr Gelenk extrem entzündet, aber nicht kaputt war. Welch ein Glück wir beide hatten, kann ich im Nachhinein sehr schätzen, aber vor allem muss ich dazu raten, die Stände Costa Ricas Abends beziehungsweise Nachts nicht zu unterschätzen! Vor allem wenn es sich um menschenleere Orte handelt, die sich mehr oder weniger am Stadtrand befinden. Es war noch ausreichend hell, gerade mal Nachmittag. Ich war neben einem Krankenhaus, wenige Meter von den Blicken der Ärzte und Patienten entfernt.

Der Angreifer wusste jedoch höchstwahrscheinlich, dass ich mich an einem schwarzen Fleck befinde, ein Ort an dem Dinge geschehen, die niemand mitbekommt. Es passierte einfach und ich hatte keine Ahnung in welche Gefahr ich mich begab. Ich hatte in diesem Moment am Strand meine Kontrolle verloren ohne es zu wissen.

BlogNo:02

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