Größer, schneller, lauter! – Straßenverkehr in Costa Rica

von marcus_11  

Mobilität wird Groß geschrieben und ist enorm wichtig, doch birgt auch einige Besonderheiten, mit denen man relativ schnell konfrontiert wird. Auffällig ist, dass die Menschen alles sehr ruhig angehen lassen und sich dementsprechend langsam bewegen und man daher ständig aufgehalten wird, wenn man in der Stadt unterwegs ist und gerade in Eile ist. Die Ampeln jedoch dienen eher der Dekoration und groben Orientierung, welche Seite gerade den Vorrang hat, gleichwohl laufen alle bei roter Ampel über die Straße, was von den heranknatternden Autos und den noch verrückteren Motorradfahren mit kräftigem Hupen kommentiert wird – ohne dabei abzubremsen. Somit wird der Straßenverkehr in San José zum täglichen Überlebenskampf.

Noch verrückter ist das an Tagen mit starkem Regen; da werden Straßenkreuzungen teilweise so komplett überflutet, sodass es eigentlich fast unmöglich ist, trockenen Fußes die Straße zu überqueren und einige Autofahrer regelrecht Anlauf nehmen, um mit ihren Geländewagen durch die riesigen Regenwasseransammlungen zu brausen und die Passanten mit einer unfreiwilligen Dusche zu begießen. Die Busfahrer sind da wesentlich rücksichtsvoller und überhaupt erstaunliche Fahrkünstler, die oft so knapp an Fahrzeugen, Gebäuden, etc. vorbeimanövrieren, dass kein Blatt dazwischen passt. Sehr ungewohnt war auch das Bild, dass Busse an der Bushaltestelle rückwärts einparken (da es oft verschiedene Linien an einer Haltestelle gibt) und dabei von einem Einweiser assistiert werden, der auch bestimmt, wann ein Bus voll ist und abfährt – denn das ist sehr flexibel, je nach Personen und Wetterlage.

Daher geht man einfach an die Haltestelle und wartet darauf dass irgendwann der nächste Bus kommt. Dabei geht es sehr geordnet zu: Wer zuerst an der Haltestelle war, darf dann später auch zuerst in den Bus einsteigen und die Leute stellen sich auch ganz stringent in einer langen Schlange an und warten geduldig. Eingestiegen wird nur vorn und dann beim Busfahrer bar bezahlt. Hier in de Provinz (Guanacaste) ist es jedoch auch oft üblich, dass man während der Fahrt bezahlt oder sogar erst beim Aussteigen – dann wiederum vorn beim Busfahrer. Dabei geht es sehr ehrlich zu, das Phänomen ‚Schwarzfahren’ scheint unbekannt zu sein. Busfahren ist aber auch vergleichsweise günstig: in der Stadt umgerechnet etwa 50 Cent oder auch weniger.

Nachdem der Staat die Eisenbahnlinien abgeschafft hat (es gibt nur noch eine einzige) – da einer in der Regierung im Busgewerbe tätig war (sic!) – und in San José keine Straßenbahnen existieren, ist der Bus das Hauptverkehrsmittel in Costa Rica und dementsprechend oft überfüllt! Gleichwohl sind auch auffällig viele Autos und Motorräder unterwegs, die sehr chaotisch und rücksichtslos fahren, ganz nach dem Prinzip: das größere, schnellere, lautere Fahrzeug hat Vorfahrt. Außerhalb der Innenstadt wird dann auch nicht nur auf Ampeln, sondern auch ganz auf Verkehrszeichen verzichtet. Kommuniziert wird hauptsächlich über Hupen und laute Motoren.

Das Auto dient auch sehr stark als Statussymbol! Die Palette reicht von alten rostigen kleinen Klapperautos, die fast auseinanderfallen, bis hin zu nagelneuen riesigen Geländewagen.

In abgelegenen Gegenden und besonders auch in den Bergen läuft das Leben insgesamt sehr viel einfacher und ruhiger. Busse fahren sehr viel seltener, dafür aber auch zuverlässiger zu bestimmten Uhrzeiten. Hier in Nicoya gibt es so eine Art Kopfbahnhof für Busse, wo diese vorwärts einparken und bei laufendem Motor(!) meist so lange warten bis der Bus voll ist. Diese Luft- und Lärmbelästigung ist extrem ärgerlich und mir völlig unverständlich, dass die anderen Leute überhaupt nicht zu stören scheint. Das Warten an der Haltestelle und die Fahrt im Bus sind auch soziale Treffpunkte, wobei sich die Menschen noch viel mehr miteinander unterhalten und man sehr schnell mit Einheimischen in Kontakt kommen kann. (Lesen ist auch fast unmöglich, da die Fahrt doch meist sehr holprig ist) Außerdem kann man eine große Solidarität und Höflichkeit beobachten: älteren und schwächeren Menschen sowie Frauen und Kindern wird immer Vorrang gelassen.

Am Wochenende bin ich mit dem Bus in die Berge gefahren, wo die Straßen besonders holprig sind, mit enormen Steigungen, teilweise wie in den Alpen. Die meisten Menschen sind arme Bauern, die vom Ertrag ihres Bodens leben. Daher gibt es wenig Autos und die meisten fahren mit dem Bus. Dabei geht es noch familiärer zu, als in der Stadt: Der Busfahrer stieg an einer Haltestelle plötzlich aus und ließ uns einige Minuten warten, um nach Haus und Familie zu sehen, da er offensichtlich dort wohnte. Dann fuhren wir weiter und es schien für alle ganz selbstverständlich zu sein. Die Uhren ticken hier anders, oft ruhiger. Der Nachteil ist jedoch, dass so abgelegene Gegenden in Notfällen nur schlecht erreichbar sind: In der Familie unseres Gastgebers war ein Junge verletzt und der Krankenwagen aus der nächsten Stadt (Nicoya) brauchte etwa eine Stunde.

Und das mit dem ruhigen Leben ist auch nur die halbe Wahrheit, denn später hab ich viele halbwüchsige Jungen auf schweren Motorrädern gesehen, die in hohem Tempo durch Wald und Flur fahren und dabei den roten Staub der ausgetrockneten Wege aufwirbeln...

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